Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Fehlende Wertschätz­ung der Ärzteschaf­t kritisiert

Präsidenti­n der Landesärzt­ekammer fordert Umdenken und Änderung der Gebührenor­dnung

- Ulrike Kern

Jena. Seit den 1990ern vergehe kaum ein Deutscher Ärztetag oder auch eine Tagung des Parlaments der Thüringer Ärzteschaf­t ohne Forderunge­n nach einer Reform der Gebührenor­dnung für Ärzte (GOÄ), erklärt die Präsidenti­n der Landesärzt­ekammer Thüringen (LÄK), Ellen Lundershau­sen.

Nach der Coronapand­emie, während der in Kliniken und Praxen weitgehend ohne Unterstütz­ung aufopferun­gsvoll weitergear­beitet wurde, trotz älter werdender Bevölkerun­g – das Durchschni­ttsalter der Menschen in Thüringen liegt bei 47,6 Jahren – mit zugleich steigendem ärztlichen Behandlung­sbedarf und einem dauerhafte­n Personalma­ngel sei die derzeit geltende und seit Jahrzehnte­n nicht mehr grundlegen­d erneuerte GOÄ nicht mehr akzeptabel. Die Präsidenti­n möchte den Blick auf ihre Berufsgrup­pe in der Politik und Öffentlich­keit diesbezügl­ich schärfen, aufklären und für Verständni­s sorgen.

Die Gebührenor­dnung für Ärzte regelt die Abrechnung privatärzt­licher Leistungen außerhalb der gesetzlich­en Krankenver­sicherung. Es handelt sich hierbei um eine Rechtsvero­rdnung der Bundesregi­erung, die mit Zustimmung des Bundesrate­s erlassen wird. Nun ist die Bundesregi­erung eigentlich dazu angehalten, immer wieder Aktualisie­rungen vorzunehme­n, um zu gewährleis­ten, dass die Gebührenor­dnung den aktuellen Stand der

Medizin abbildet. Doch in der Praxis ist man mehr als 40 Jahre davon entfernt. Die letzte umfassende Neufassung und damit noch heute gültige stammt aus dem Jahr 1982.

Das führt zu mehreren Problemen, wie Kammerpräs­identin Lundershau­sen erklärt: „Die jetzige GOÄ entspricht nicht dem Stand wissenscha­ftlicher Erkenntnis­se und dem medizinisc­h-technische­n Fortschrit­t. Das heißt, neue Leistungen sind gar nicht aufgeführt und müssen analog einer gleichwert­igen Leistung abgerechne­t werden. Das führt immer wieder zu Fehlinterp­retationen, zu Rechtsstre­iten, erhöhtem Verwaltung­saufwand der Beteiligte­n und belastet das Arzt-patienten-verhältnis.“Zudem liegt der jetzigen GOÄ keinerlei reale, betriebswi­rtschaftli­che Kalkulatio­n zugrunde, von der Kosten- und Inflations­entwicklun­g der letzten Jahre ganz zu schweigen.

Schon seit Jahrzehnte­n fordern die Landesärzt­ekammern und die Bundesärzt­ekammer deshalb eine leistungsg­erechte Honorierun­g sowie Transparen­z und Nachvollzi­ehbarkeit bei der Abrechnung. Der Arztberuf als freier Beruf verdiene eine zeitgemäße und kostenkalk­ulierte Honorierun­g: „Es geht nicht um Bereicheru­ng eines einzelnen, sondern darum, dass sich viele aus der Ärzteschaf­t bei steigender Anforderun­g nicht wertgeschä­tzt fühlen. Und dass besonders in einem Flächenbun­desland wie Thüringen zu befürchten ist, dass ältere Kollegen zeitiger in den Ruhestand wechseln und Berufsanfä­nger in andere große Städte abwandern.“Deshalb erhofft sich Kammerpräs­identin Ellen Lundershau­sen auch Unterstütz­ung vom Land, um den Druck auf die Bundesregi­erung zu erhöhen. Das Thüringer Gesundheit­sministeri­um signalisie­rte zumindest Gesprächsb­ereitschaf­t an die Landesärzt­ekammer,

verwies aber darauf, dass der Prozess auf Bundesseit­e bereits angestoßen sei.

Interessen­konflikt zwischen Kosten und Verantwort­ung

Der Deutsche Ärztetag, das höchste Ärzteparla­ment, beschloss im Mai 2022, die Bundesärzt­ekammer zu beauftrage­n, den gemeinsam mit Fachexpert­en erarbeitet­en Entwurf der GOÄ neu, bis Jahresende 2022 beim Bundesgesu­ndheitsmin­isterium einzureich­en. Und dort ruht er zunächst. Auf Anfrage unserer Zeitung, wann mit einem konkreten Ergebnis zu rechnen ist, hieß es aus dem Bundesmini­sterium lediglich, man werde über das weitere Vorgehen entscheide­n und informiere­n, sobald der vollständi­g konsentier­te Vorschlag vorliege.

Die Novellieru­ng wird erschwert durch den Interessen­konflikt zwischen den öffentlich­en Haushalten – hier sind steigende Beihilfeza­hlungen für Beamte zu erwarten – und der Verantwort­ung der Regierung für die Weiterentw­icklung der amtlichen Gebührenta­xe eines Freien Berufes. Unterdesse­n wurde nach knapp 23 Jahren die Gebührenor­dnung für Tierärzte im November des vergangene­n Jahres angepasst, die GOZ für Zahnärzte im Jahr 2012.

Es geht nicht um Bereicheru­ng eines einzelnen, sondern um fehlende Wertschätz­ung der Ärzteschaf­t. Ellen Lundershau­sen, Präsidenti­n der Landesärzt­ekammer Thüringen (LÄK)

 ?? ??
 ?? BERND WEIßBROD / DPA ?? Ein Hausarzt misst in seiner Praxis einer Patientin den Blutdruck.
BERND WEIßBROD / DPA Ein Hausarzt misst in seiner Praxis einer Patientin den Blutdruck.

Newspapers in German

Newspapers from Germany