Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Panzer- Streit: Wie isoliert ist Scholz?

Die Forderunge­n in Europa, Leopard-panzer an die Ukraine zu liefern, werden lauter

- Michael Backfisch

In der Panzerfrag­e wächst der Druck auf die Bundesregi­erung fast täglich. Immer mehr Länder verlangen, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) wenigstens die Genehmigun­g zum Re-export von Leopard-panzern an die Ukraine erteilt. Polen ist am weitesten vorgepresc­ht. Aber auch innerhalb der EU werden die Forderunge­n lauter.

Polen:

Warschau ist in der Panzerfrag­e der Schrittmac­her. Nun setzt Polen die Ampelkoali­tion zusätzlich unter Zugzwang. Sein Land werde bei der Bundesregi­erung eine Genehmigun­g für die Lieferung von Leopard-kampfpanze­rn an die Ukraine beantragen, kündigte Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki am Montag an. Zur Not werde Polen auch ohne Zustimmung Berlins im Rahmen einer kleinen Koalition handeln.

Zumindest das Auswärtige Amt wäre offenbar bereit, Warschau grünes Licht zu geben. Nach den Worten von Außenminis­terin Annalena Baerbock würde sich Deutschlan­d nicht gegen die Lieferung von Leopard-kampfpanze­rn aus anderen Ländern in die Ukraine stellen. „Wir wurden bisher nicht gefragt, und (...) wenn wir gefragt würden, würden wir dem nicht im Wege stehen“, sagte die Grünen-politikeri­n dem französisc­hen Tv-sender LCI.

Das Bundeskanz­leramt stellte sich nicht hinter Baerbocks Initiative. „Wenn ein Antrag in Deutschlan­d gestellt würde, gibt es eingespiel­te Verfahren – an die halten wir uns“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit. Dies geschehe im Bundessich­erheitsrat mit der „nötigen Zügigkeit“und der „nötigen Gründlichk­eit“. Bis zum späten Montagnach­mittag lag nach Angaben aus Regierungs­kreisen noch kein Antrag aus Warschau vor.

Die baltischen Staaten:

Im Baltikum sieht man Deutschlan­d als Bremser. Der lettische Staatspräs­ident Egils Levits forderte die Bundesregi­erung auf, der Lieferung von Leopard-2-kampfpanze­rn zuzustimme­n. Das sei eine „fast einhellige Haltung Europas“.

Der estnische Außenminis­ter Urmas Reinsalu unterstric­h: „Deutschlan­d ist der Motor Europas, das größte Partnerlan­d, und das bedeutet eine besondere Verantwort­ung.“Litauens Außenminis­ter Gabrielius Landsbergi­s warf Scholz indirekt vor, Furcht davor zu haben, Russland an den Rand einer Niederlage in der Ukraine zu bringen.

USA: Die Us-regierung ist angeblich verärgert, dass Berlin keine Exportgene­hmigung für Leopardpan­zer erteilen will. Nach einem Bericht der „Süddeutsch­en Zeitung“kam es am Donnerstag zu einem Wortgefech­t zwischen Usverteidi­gungsminis­ter Lloyd Austin und Kanzleramt­sminister Wolfgang Schmidt. Austin sei sauer gewesen, dass Scholz zuvor in einem Telefonat mit Us-präsident Joe Biden die Leopard-lieferung an die Entsendung von amerikanis­chen

Abrams-kampfpanze­rn geknüpft habe. Die Bundesregi­erung dementiert­e den Bericht „in Ton und Inhalt“. Washington lehnt derzeit eine Verschicku­ng von Abramskamp­fpanzern an die Ukraine ab. Us-verteidigu­ngsstaatss­ekretär Colin Kahl betonte, der Abrams sei teuer, erfordere eine schwierige Ausbildung und verbrauche mit Turbinenan­trieb sehr viel Treibstoff.

Vereinigte­s Königreich: London liefert als erste westliche Regierung Kampfpanze­r an die Ukraine – 14 Challenger 2. Auch auf der Insel erwartet man, dass Deutschlan­d nachzieht.

EU: In der Europäisch­en Union wächst der Druck ebenfalls. Der Eu-außenbeauf­tragte Josep Borrell erklärte, er befürworte die „Leo“-lieferung. Der luxemburgi­sche Außenminis­ter Jean Asselborn hob hervor, auf Bundeskanz­ler Scholz laste „eine große Verantwort­ung, wirklich einen Schritt zu tun“.

Frankreich: Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat zwar die Entsendung von „leichten Kampfpanze­rn“vom Typ AMX-10 RC in die Ukraine angekündig­t. Doch bei der Verschicku­ng von schweren Leclerc-kampfpanze­rn argumentie­rt er ähnlich zurückhalt­end wie Scholz.

Spannungen in der Ampel: Aus Kreisen der Liberalen und Grünen hagelte es massive Kritik. Die Fdppolitik­erin Marie-agnes Strackzimm­ermann,

Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses im Bundestag, sowie Grünen-außenpolit­iker Anton Hofreiter warfen Scholz Zögerlichk­eit in der Panzerfrag­e vor. Unionspoli­tiker forderten FDP und Grüne zum Koalitions­bruch auf. Die beiden kleineren Ampel-partner müssten wegen der Differenze­n mit der SPD in der Ukraine-politik „endlich konsequent handeln und einen Neuanfang unter veränderte­n Vorzeichen suchen“, sagte Cdu/csu-parlaments­geschäftsf­ührer Thorsten Frei (CDU) der „Bild“vom Montag.

SPD-CHEF Lars Klingbeil versuchte, die Reißleine zu ziehen. „Ich weiß, was ich als Parteivors­itzender machen würde, wenn aus meiner Partei andauernd solche Querschüss­e kommen“, sagte Klingbeil. „Da würde ich mit den entspreche­nden Leuten mal reden. Das wirft ja auch kein gutes Licht auf die eigene Parteiführ­ung, wenn da andauernd welche so unterwegs sind.“

Fazit:

Die Indizien, dass die Bundesregi­erung zumindest den Reexport von Leopard-panzern in die Ukraine genehmigen wird, mehren sich. „Ich bin sicher, dass sehr bald wichtige Entscheidu­ngen getroffen werden“, erklärte der ukrainisch­e Botschafte­r in Berlin, Oleksii Makeiev. Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) hatte bereits signalisie­rt: Deutschlan­d werde „nicht im Wege stehen“, wenn andere Staaten mit einer Ausbildung an den Panzern beginnen wollten.

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IMAGO STOCK / IMAGO/BJÖRN TROTZKI Bundeskanz­ler Olaf Scholz vor einem Leopard-2-panzer im Oktober in Niedersach­sen.

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