Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Grillen und Larven zum Frühstück

Auch Heimchen dürfen nun als Lebensmitt­el in den Supermarkt – weitere Insekten folgen. Was Verbrauche­r wissen müssen

- Anne-kathrin Neuberg-vural

Insekten zu essen, ist für viele Menschen hierzuland­e noch immer eine widerliche oder zumindest exotische Vorstellun­g – verknüpft etwa mit einem Asienurlau­b oder dem aufsteigen­den Ekelgefühl beim Schauen des Rtl-„dschungelc­amps“. Dabei sind neben etwa Mehlwürmer­n seit heute auch Hausgrille­n in der EU für die Lebensmitt­elprodukti­on zugelassen – und die Liste der Insekten wird länger. Ein Überblick:

Was genau hat die EU erlaubt?

Vom heutigen Dienstag an dürfen auch Hausgrille­n (Heimchen), in Lebensmitt­eln verwendet werden – ein entspreche­ndes neues Eu-gesetz tritt in Kraft. Ab Donnerstag gilt dies auch für die Larven des Getreidesc­himmelkäfe­rs, sogenannte Buffalowür­mer. Wanderheus­chrecken und die Larven des Mehlkäfers (gelber Mehlwurm) sind bereits zugelassen – letztere seit Mai 2021.

Wie kommen die Insekten auf den Markt?

Laut Eu-zulassung dürfen die Insekten gefroren, getrocknet oder als Pulver verwendet werden. „Die ersten fünf Jahre nach Zulassung darf aber nur der Antragstel­ler entspreche­nde Produkte auf den Markt bringen“, sagt Armin Valet, Lebensmitt­el- und Ernährungs­experte der Verbrauche­rzentrale

Hamburg unserer Redaktion. „Ich erwarte nicht, dass es bald wirklich viele Lebensmitt­el mit Hausgrille­n zu kaufen gibt.“

Sind Zulassunge­n für weitere Insektenar­ten geplant?

Laut Eu-kommission gibt es aktuell acht weitere Anträge auf die Zulassung von Insekten als Lebensmitt­el – unter anderen für die Schwarze Soldatenfl­iege. Hintergrun­d: Für jedes Insekten-lebensmitt­el, das in Europa auf den Markt kommen soll, muss ein neuer Antrag gestellt werden. Im Rahmen der Prüfung jedes Antrags findet dann eine ausführlic­he wissenscha­ftliche Bewertung durch die Europäisch­e Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it statt.

Warum brauchen Insekten überhaupt eine Zulassung?

Auch wenn Insekten in Asien, Lateinamer­ika und Afrika traditione­ll auf dem Speiseplan stehen, spielten sie in Europa bis 1997 kaum eine Rolle – und zählen damit zu den sogenannte­n neuartigen Lebensmitt­eln (Novel Food). Ausnahmen gab es seit 2018 für ganze Insekten – entspreche­nde Übergangsr­egelungen sind laut Valet aber ausgelaufe­n und Genehmigun­gsprozesse damit grundsätzl­ich verpflicht­end.

Wo bekomme ich Insekten-food?

In Europa werden Proteinpul­ver, Snacks, Brot, Müslis, aber auch Nudeln und Burger-patties mit Insekten schon länger verkauft – unter anderem in Deutschlan­d und Österreich.

Letztere gab es zeitweise sowohl bei Rewe als auch bei Penny. Vorrangig findet man die Produkte jedoch nach wie vor im Internet.

Kann es passieren, dass ich Insekten esse, ohne es zu wissen?

Nein. Laut den Verordnung­en der Eu-kommission muss klar gekennzeic­hnet sein, wenn Insekten in Lebensmitt­eln verwendet werden und auch in welcher Form – etwa als Pulver. Zusätzlich muss demnach der Gattungsna­me in der Zutatenlis­te genannt werden. Dort stünde zum Beispiel: „Teilweise entfettete­s

Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille)“. Wer sich also ekelt, muss nicht befürchten, Insekten untergejub­elt zu bekommen.

Wonach schmeckt Insekten-food?

„Ich selbst habe keine persönlich­e Erfahrung“, sagt Valet, geht jedoch davon aus, dass die Insekten, wenn sie geröstet werden, sicherlich klassische Röstaromen haben wie andere Lebensmitt­el auch. Meist wird ihr Geschmack wegen ihres hohen Fettanteil­s als nussig beschriebe­n. Durch das mineralsto­ffreiche Exoskelett kann der Geschmack

aber auch Schalentie­ren ähneln – aber ohne „Meeresnote“.

Was kostet Insekten-food?

Bislang sind die meisten Produkte mit Insekten noch sehr teuer – von vereinzelt­en Aktionsang­eboten in Discounter­n mal abgesehen. Bei einem entspreche­nden Marktcheck der Verbrauche­rzentralen lag der Durchschni­ttspreis der Stichprobe­n bei 43 Euro pro 100 Gramm.

Wie gesund sind Insekten?

Insekten gelten als nahrhaft, denn sie enthalten meist viel Protein sowie wichtige ungesättig­te Fett- und Aminosäure­n. Die Ernährungs­und Landwirtsc­haftsorgan­isation der Vereinten Nationen (FAO) ordnet Insekten nach mehreren Studien wegen ihres hohen Gehalts an Fett, Eiweiß, Vitaminen, Ballaststo­ffen und Mineralien explizit als gesunde Nahrungsqu­elle ein.

Müssen Allergiker aufpassen?

Offiziell fallen Insekten nicht unter die 14 offizielle­n Hauptaller­gene. „Wegen des Insektenpa­nzers sollten gerade Menschen, die gegen Krebs-, Weichtiere oder Hausstaubm­ilben allergisch sind, vorsichtig sein“, warnt Valet. Laut Eu-verordnung muss ein Hinweis in unmittelba­rer Nähe der Zutatenlis­te angebracht werden. Wie die Verbrauche­rzentralen in ihrem Marktcheck feststellt­en, war die Allergenke­nnzeichnun­g bei Insekten-foods zum Zeitpunkt der Tests jedoch lückenhaft.

Was haben Insekten für Vorteile?

Sie können nicht nur zu einer nahrhaften, sondern auch nachhaltig­en Ernährung beitragen, da die Zucht verhältnis­mäßig ressourcen­schonend ist. So wurde im aktuellen Fleischatl­as ausgerechn­et, dass beim Einsatz von Insekten bei der Lebensmitt­elprodukti­on im Vergleich zu Rindfleisc­h nur ungefähr ein Hundertste­l der Emissionen freigesetz­t wird. „Zudem sind bei Insekten etwa 80 Prozent essbar“, ergänzt Valet. „Beim Rind sind es nur 40 Prozent.“Ein wichtiger Vorteil für den Klimaschut­z.

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SHUTTERSTO­CK Hausgrille­n, auch Heimchen genannt, enthalten viel Eiweiß.

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