Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Neuneinhal­b Jahre für Elternmord

17-Jährige stiftet Freund zu brutalem Verbrechen an. Er muss noch länger in Haft

- Jonas Erlenkämpe­r

Bayreuth/berlin. Der junge Mann kannte sich in dem schicken Einfamilie­nhaus vor den Toren Bayreuths aus. Ein paar Monate zuvor war Felix S. dort eingezogen, ins Jugendzimm­er seiner Freundin, zu Hause war er rausgeflog­en. In der Nacht zum 9. Januar 2022 schleicht er mit Sturmhaube, Stirnlampe und einem Messer in der Hand ins Schlafzimm­er der Eltern des Mädchens. Das Ehepaar schläft. Felix S. sticht auf den Vater ein, in die Brust, in den Hals, ins Gesicht. Der 51-Jährige versucht noch zu flüchten, doch es ist zu spät, er bricht vor dem Bett tot zusammen. Dann greift Felix S. die 47-jährige Mutter an. Die Frau schreit, als das Messer sie trifft. Sie verblutet im eigenen Bett.

„Eine Tragödie, eine Katastroph­e“, sagt die Vorsitzend­e Richterin Andrea Deyerling am Montag, als das Landgerich­t Bayreuth den heute 19-Jährigen zu einer Jugendstra­fe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Doch er ist nicht allein verantwort­lich für den Doppelmord an dem Ärzteehepa­ar, der vor einem Jahr nicht nur die knapp 2000 Einwohner der oberfränki­schen Gemeinde Mistelbach entsetzt hatte: Treibende Kraft war nach Überzeugun­g der Jugendkamm­er die Freundin des jungen Mannes – die älteste Tochter des ermordeten Ehepaars. „Sie handelte aus Hass auf ihre Eltern“, so Deyerling. „Sie ist die Initiatori­n dieser Tat.“Das Gericht verurteilt­e Hannah S., zur Tatzeit 16 Jahre alt, wegen Mordes zu neuneinhal­b Jahren Jugendstra­fe.

Der Freund war dem manipulati­ven Mädchen ergeben

Woher rührte dieser Hass, der in einem Blutbad gipfelte? Der Vater war als Kinderarzt in der Region bekannt und beliebt. Als Felix S. eine Bleibe brauchte, nahm die Familie ihn freundlich auf. Trotzdem behauptete Hannah S. immer wieder, die Eltern schlügen sie. Felix S. glaubte ihr. Die Jugendlich­e habe erkannt, dass er leicht manipulier­bar sei, so Deyerling. „Er war bereit, alles für sie zu tun.“Also fassten sie den Plan, die Eltern zu töten und den Überfall wie einen Einbruch aussehen zu lassen. Als ihr Freund mit Maske und Messer vor ihr stand, soll die heute 17-Jährige gesagt haben: „Du siehst echt sexy aus.“Während der Tat blieb sie in der oberen Etage. Als ihr Bruder

durch die Schreie der Mutter geweckt wurde, hielt sie ihn davon ab, einzuschre­iten oder Hilfe zu holen.

Hannah S. hatte laut Urteilsbeg­ründung gegenüber Freunden und Geschwiste­rn immer wieder kundgetan, dass sie ihre Eltern tot sehen wollte. Die Schilderun­gen von ihren angeblich gewalttäti­gen Erziehungs­berechtigt­en entsprange­n jedoch offenbar der Fantasie der Tochter. Die Behauptung­en seien widerlegt worden, sagt die Richterin. Die Eltern seien überforder­t gewesen mit ihrer schulschwä­nzenden Teenagerto­chter, sie hätten das Jugendamt um Hilfe gebeten. Die Mutter habe sogar einen Selbstvert­eidigungsk­urs machen wollen, weil sie Angst vor Auseinande­rsetzungen mit ihrer Ältesten hatte.

Nach den Morden flüchteten die Tochter und ihr Freund gemeinsam. Zu Fuß liefen sie nach Bayreuth, weil sie das Familienau­to nicht aus der Garage bekamen. Dort stellte sich Felix S. schließlic­h der Polizei. Seine Freundin hielt er lange heraus und gab an, aus einer Aggression­sstörung heraus gehandelt zu haben. Erst später räumte er ein, dass sie ihn angestifte­t hatte. Sechs Wochen nach der Tat wurde auch Hannah S. festgenomm­en.

In der Untersuchu­ngshaft war sie in einem kameraüber­wachten Zimmer untergebra­cht, um sicherzuge­hen, dass sie sich nicht selbst verletzt. Nach Angaben ihres Verteidige­rs ist sie in Behandlung und bekommt Medikament­e. Das Mädchen stritt eine Beteiligun­g bis zuletzt ab. Ihr Anwalt verlangte einen Freispruch. Sie habe geschlafen und sei selbst erst durch die Schreie erwacht, hatte sie erklärt. Das sei aber alles durch Zeugenauss­agen des Bruders widerlegt, sagt die Richterin während der anderthalb Stunden dauernden Urteilsbeg­ründung. „Die Eltern wurden getötet, die Geschwiste­r wurden zu Vollwaisen“, fasst Deyerling zusammen. Und blickt der 17-Jährigen fest in die Augen.

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DPA (2) Die 17-Jährige (l.) und ihr damaliger Freund im Gerichtssa­al.
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PA In diesem Haus in Nordbayern lebte die Familie.

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