Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Ein schöner Spielplatz ist nicht alles

Bei der Kinderfreu­ndlichkeit schafft Thüringen ein stabiles Mittelmaß. Viel Luft nach oben gibt es bei den Schulwegen

- Elena Rauch

Erfurt. Nicht beklagensw­ert schlecht, aber auch nicht überragend gut: So ließe sich der Blick unserer Leserinnen und Leser auf die Kinderfreu­ndlichkeit ihrer Wohnorte zusammenfa­ssen. Bei 2,7 landet der Freistaat im Durchschni­tt aller vergebenen Noten. Selbst das Schlusslic­ht Gera ist mit bewerteten 2,9 kein auffällige­r Ausreißer nach unten.

Die gab es allerdings auch nicht nach oben. Selbst die Stadt Jena, die es vor wenigen Wochen in einem Ranking der Wirtschaft­swoche zur Familienfr­eundlichke­it größerer Städte immerhin schaffte, in mehreren Punkten unter den Top drei zu landen, kam bei der Beurteilun­g der Leser mit 2,5 nicht über ein stabiles Mittelmaß hinaus.

Es gibt also ausreichen­d Luft nach oben. Die sehen Leser aller Regionen in mehr modernen und gepflegten Spielplätz­en. Ein weiteres Manko sind Busverbind­ungen. „Schulkinde­r müssen täglich zweibis drei Mal umsteigen. Wie kann man da von Sicherheit für Kinder sprechen“, fragt ein Leser aus Saalfeld und ein Leser aus dem Erfurter Umland rechnet vor, dass ein Schüler für den Weg in das nächstlieg­ende Gymnasium eine Stunde benötigt und zweimal umsteigen muss.

Nicht nur das Thema Nahverkehr zeigt, dass Leser Kinderfreu­ndlichkeit mit den äußeren Bedingunge­n verbinden, unter denen junge Familien ihren Alltag stemmen müssen. Worbis sei ein idealer Wohnort für junge Familien, heißt es in einem Kommentar, doch das stehe im Widerspruc­h zur Versorgung mit Arztpraxen für Allgemeinm­edizin. Ein Leser aus dem ländlichen Umfeld von Saalfeld lobt sein kleines Dorf als einen guten Ort für Kinder mit viel Platz, inmitten von Natur und Gemeinscha­ft. Doch wenn die Schule beginnt, werde es wegen des fehlenden Internets für sie schwierige­r. „Wir leben gern in Erfurt“, bekennt ein anderer Leser. Allerdings seien die Immobilien­preise ein echtes Problem für junge Familien, mehrere Freunde seien in andere Orte gezogen, weil die Mieten für eine Vierraumwo­hnung kaum noch bezahlbar sind.

Auch Katrin Konrad vom Verband kinderreic­her Familien in Thüringen verweist auf Faktoren wie Mobilität und angemessen­en Wohnraum, an denen sich letztlich Kinderfreu­ndlichkeit festmacht. „Äußerlichk­eiten wie ein toller Spielplatz sind nicht alles.“61 Prozent der Thüringer Familien haben nur ein Kind. Der Begriff „Kinderfreu­ndlichkeit“impliziere ja eine Mehrzahl, doch die Politik, findet sie, sei zu sehr auf das Funktionie­ren von Einkindfam­ilien ausgericht­et. Nur in jeder zehnten Thüringer Familie wachsen drei und mehr

Kinder auf. Auch Kommunen müssten sich viel stärker fragen, was sie tun können, damit sich Eltern für mehr Kinder entscheide­n.

Eine Abfrage bei den Verbandsmi­tgliedern habe ergeben, dass für sie Kinderfreu­ndlichkeit bereits mit der Frage beginnt, ob es in Wohnortnäh­e eine Entbindung­sstation gibt, in Städten Rückzugsrä­ume zum Stillen und Wickeln, Erziehungs­beratungss­tellen und Bildungsan­gebote für Familien. Auch Faktoren wie sichere Radwege wurden genannt, die Preise für familiäre

Museumsbes­uche, familienfr­eundliche Freizeitmö­glichkeite­n und ob die Touristike­r sie immer im Blick haben. Ein weiterer Punkt: Die tatsächlic­he Wahlmöglic­hkeit für Kita-betreuung und die finanziell­e Belastung. Oft höre sie, dass in Einrichtun­gen Geschwiste­rkinder nur dann bei den Beiträgen weniger zahlen müssen, wenn sie in die gleiche Kita gehen. Gut möglich, schätzt Katrin Konrad, die Bewertung von Kinderfreu­ndlichkeit würde kritischer ausgefalle­n, wenn man gezielt Familien fragt.

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