Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Ein schöner Spielplatz ist nicht alles
Bei der Kinderfreundlichkeit schafft Thüringen ein stabiles Mittelmaß. Viel Luft nach oben gibt es bei den Schulwegen
Erfurt. Nicht beklagenswert schlecht, aber auch nicht überragend gut: So ließe sich der Blick unserer Leserinnen und Leser auf die Kinderfreundlichkeit ihrer Wohnorte zusammenfassen. Bei 2,7 landet der Freistaat im Durchschnitt aller vergebenen Noten. Selbst das Schlusslicht Gera ist mit bewerteten 2,9 kein auffälliger Ausreißer nach unten.
Die gab es allerdings auch nicht nach oben. Selbst die Stadt Jena, die es vor wenigen Wochen in einem Ranking der Wirtschaftswoche zur Familienfreundlichkeit größerer Städte immerhin schaffte, in mehreren Punkten unter den Top drei zu landen, kam bei der Beurteilung der Leser mit 2,5 nicht über ein stabiles Mittelmaß hinaus.
Es gibt also ausreichend Luft nach oben. Die sehen Leser aller Regionen in mehr modernen und gepflegten Spielplätzen. Ein weiteres Manko sind Busverbindungen. „Schulkinder müssen täglich zweibis drei Mal umsteigen. Wie kann man da von Sicherheit für Kinder sprechen“, fragt ein Leser aus Saalfeld und ein Leser aus dem Erfurter Umland rechnet vor, dass ein Schüler für den Weg in das nächstliegende Gymnasium eine Stunde benötigt und zweimal umsteigen muss.
Nicht nur das Thema Nahverkehr zeigt, dass Leser Kinderfreundlichkeit mit den äußeren Bedingungen verbinden, unter denen junge Familien ihren Alltag stemmen müssen. Worbis sei ein idealer Wohnort für junge Familien, heißt es in einem Kommentar, doch das stehe im Widerspruch zur Versorgung mit Arztpraxen für Allgemeinmedizin. Ein Leser aus dem ländlichen Umfeld von Saalfeld lobt sein kleines Dorf als einen guten Ort für Kinder mit viel Platz, inmitten von Natur und Gemeinschaft. Doch wenn die Schule beginnt, werde es wegen des fehlenden Internets für sie schwieriger. „Wir leben gern in Erfurt“, bekennt ein anderer Leser. Allerdings seien die Immobilienpreise ein echtes Problem für junge Familien, mehrere Freunde seien in andere Orte gezogen, weil die Mieten für eine Vierraumwohnung kaum noch bezahlbar sind.
Auch Katrin Konrad vom Verband kinderreicher Familien in Thüringen verweist auf Faktoren wie Mobilität und angemessenen Wohnraum, an denen sich letztlich Kinderfreundlichkeit festmacht. „Äußerlichkeiten wie ein toller Spielplatz sind nicht alles.“61 Prozent der Thüringer Familien haben nur ein Kind. Der Begriff „Kinderfreundlichkeit“impliziere ja eine Mehrzahl, doch die Politik, findet sie, sei zu sehr auf das Funktionieren von Einkindfamilien ausgerichtet. Nur in jeder zehnten Thüringer Familie wachsen drei und mehr
Kinder auf. Auch Kommunen müssten sich viel stärker fragen, was sie tun können, damit sich Eltern für mehr Kinder entscheiden.
Eine Abfrage bei den Verbandsmitgliedern habe ergeben, dass für sie Kinderfreundlichkeit bereits mit der Frage beginnt, ob es in Wohnortnähe eine Entbindungsstation gibt, in Städten Rückzugsräume zum Stillen und Wickeln, Erziehungsberatungsstellen und Bildungsangebote für Familien. Auch Faktoren wie sichere Radwege wurden genannt, die Preise für familiäre
Museumsbesuche, familienfreundliche Freizeitmöglichkeiten und ob die Touristiker sie immer im Blick haben. Ein weiterer Punkt: Die tatsächliche Wahlmöglichkeit für Kita-betreuung und die finanzielle Belastung. Oft höre sie, dass in Einrichtungen Geschwisterkinder nur dann bei den Beiträgen weniger zahlen müssen, wenn sie in die gleiche Kita gehen. Gut möglich, schätzt Katrin Konrad, die Bewertung von Kinderfreundlichkeit würde kritischer ausgefallen, wenn man gezielt Familien fragt.