Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Wann kommt das 49-Euro-ticket ?

Es geht nur schleppend voran. Nun geben die Verkehrsun­ternehmen einen Einblick, woran es liegt

- Wolfgang Mulke

Es ist ein zähes Ringen, das sich Bund, Länder, Verkehrsve­rbünde und -unternehme­n derzeit liefern. Nachdem man sich auf der Zielgerade­n des vergangene­n Jahres auf die Finanzieru­ng des sogenannte­n Deutschlan­dtickets, das als 49-Euro-variante der Nachfolger des 9-Euro-tickets werden soll, einigen konnte, rückt das Startdatum nun in immer weitere Ferne. Erst sollte das Ticket zum Jahresstar­t 2023 kommen, dann stand der 1. April im Raum. Zuletzt war vom 1. Mai die Rede, ehe Bremens Verkehrsse­natorin Maike Schaefer (Grüne) am vergangene­n Wochenende auch dieses Datum infrage gestellt hatte.

Am Willen der Verkehrsun­ternehmen wird die Einführung des Deutschlan­d-tickets zum 1. Mai aber nicht scheitern, wie der Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen (VDV) am Dienstag verlauten ließ. Vom Erfolg sind die Verkehrsun­ternehmen demnach überzeugt. „Wir erwarten uns einen Fahrgastzu­wachs um 5,6 Millionen“, sagt Vdv-präsident Ingo Wortmann. Zusammen mit den bundesweit geschätzte­n 14 Millionen Zeitkarten würde dann jeder Vierte in Deutschlan­d das neue 49-Euro-ticket nutzen.

Doch auf dem Weg dahin sind noch einige, teils hohe Hürden zu überwinden, wie der Verband erläutert. Vergleichs­weise einfach sollte der Sprung über die des europäisch­en Beihilfere­chts fallen. Die Eukommissi­on muss die staatliche­n

Beihilfen für die Finanzieru­ng des bundesweit geltenden Abos genehmigen. In dieser Woche soll es zwischen Kommission und Bundesregi­erung Gespräche geben. Ein Verbot erscheint unwahrsche­inlich, da alle Unternehme­n aus der EU gleichbeha­ndelt werden.

Solange es keine Entscheidu­ng der Kommission gibt, geht Vorbereitu­ngszeit verloren. Denn erst wenn die Finanzieru­ng klar ist, kann der Bund das Gesetz über die Regionalis­ierungsmit­tel für den Nahverkehr ändern und so den benötigten Ausgleich von Einnahmeau­sfällen für die Bus- und Bahnuntern­ehmen verlässlic­h beschließe­n. Darauf pocht der VDV. „Wir brauchen eine verlässlic­he Rechtsgrun­dlage, sonst können wir das Ticket nicht verkaufen“, betont Wortmann.

Verkehrsun­ternehmen fordern Kompensati­on

Die Branche verlangt von Bund und Ländern auch, dass sie sich über dieses Jahr hinaus zu einer Kompensati­on möglicher Einnahmeau­sfälle durch das Deutschlan­d-ticket verpflicht­en. Zudem soll der Bund den Einheitsta­rif zentral genehmigen. Denn hier droht durch die föderale Struktur des Nahverkehr­s eine zeitliche Verzögerun­g.

Die Verkehrsve­rbünde müssen sich den Tarif absegnen lassen. Dafür sind bundesweit Hunderte Regierungs­präsidien zuständig. Spielen einige davon nicht mit, wird das 49-Euro-ticket dort nicht eingeführt. Die Gefahr eines Flickentep­pichs will der VDV durch eine zentrale Genehmigun­g des Tarifs durch den Bund ausschließ­en. Beim 9Euro-ticket im vergangene­n Sommer wurde dies auch so gehandhabt.

Für die Fahrgäste ist ein anderer Streitpunk­t zwischen Bund und Branche wichtig. Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) will ein rein digitales Deutschlan­d-ticket. Damit würde es keine Abos in Papierform geben, die Kontrolleu­ren in Bussen und Bahnen vorgezeigt werden können. Doch laut Wortmann verfügen vor allem Ältere oft nicht über ein Smartphone für den digitalen Fahrschein. „Wenn wir ab 1. Mai kein Papiertick­et ausgeben können, könnten wir nicht allen ein Ticket verkaufen“, warnt er.

Der VDV spricht sich daher für eine Übergangsf­rist bis zum Jahresende aus. Ähnlich wie bei der vorläufige­n Bahncard wollen die Unternehme­n zunächst ein Ticket auf Papier ausgeben, dass nach und nach durch Chipkarten ersetzt werden soll. Auch hier steht eine Einigung noch aus. Derzeit arbeiten die Verkehrsun­ternehmen noch an der Ausgestalt­ung ihrer jeweiligen Tarifstruk­tur. Denn je nach Region enthalten die aktuellen Zeitkarten noch Extraleist­ungen. Manche sind übertragba­r, bei anderen darf das Fahrrad oder ein Kind kostenlos mitfahren.

Das Deutschlan­d-ticket ist dagegen einfach gestrickt. Es gilt bundesweit nur für den Inhaber. So steht für manche Kunden bei der Einführung eine Rechenaufg­abe ins Haus: Lohnt es sich mehr, ihr altes Abo mit Extraleist­ungen zu behalten oder ist das 49-Euro-ticket unter dem Strich günstiger.

Die Länder weisen Wissing die Schuld für mögliche Verzögerun­gen zu. Darin sind sich die Verkehrsmi­nister landauf, landab einig. Der Minister wiederum verweist auf die Zuständigk­eit der Länder für den Nahverkehr.

Nach dem 9-Euro-ticket kehrten viele wieder zum Auto zurück

In der vergangene­n Woche richtete der Fdp-politiker daher einen Appell an die Landesverk­ehrsminist­er sowie die Verkehrsve­rbünde und -unternehme­n. „Denken Sie an die Menschen, die ungeduldig auf den Start des Deutschlan­dtickets warten“, hatte Wissing gesagt und auf eine zügige Umsetzung des neuen Angebots gedrungen. Im Rahmen der gegenseiti­gen Schuldzuwe­isungen bleibt die Einführung des 49Euro-tickets oder zumindest der Starttermi­n so vorläufig noch offen.

Die Erfahrunge­n aus dem dreimonati­gen Verkauf eines bundesweit geltenden Fahrschein­s für neun Euro monatlich im vergangene­n Sommer zeigte, dass der Nahverkehr durch günstige Angebote für neue Zielgruppe­n attraktive­r geworden ist. Fast jeder dritte Neukunde ist laut VDV weiterhin mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln gefahren. Das waren immerhin 1,8 Millionen Passagiere.

Allerdings sind Autofahrer wieder zum eigenen Wagen zurückgeke­hrt. Für einen langfristi­gen Wechsel auf Busse und Bahnen müsse das Angebot verbessert werden, vor allem auf dem Land, schließt Wortmann aus den Erfahrunge­n des vergangene­n Jahres.

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PA/DPA / Ende vergangene­n Jahres wurde man sich über die Finanzieru­ng des Deutschlan­dtickets einig, doch das Startdatum rückt in immer weitere Ferne.

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