Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Das Ende der Steinzeit

Als deutsche Filmkomödi­e kommt das Comedy-theatersol­o „Caveman“jetzt in unsere Kinos

- Michael Helbing

„Du musst mir was verspreche­n“, sagt Claudia zu Bobby, als ihre Liebe ganz frisch ist: „Lass uns niemals wie Mann und Frau werden!“Schnitt. Traualtar. Schnitt. Sieben Jahre (!) später. Sie sind Mann und Frau geworden: weniger als Paar, mehr als jene Antipoden, denen Loriot einmal andichtet, sie passten einfach nicht zusammen.

So erfüllen sie pars pro toto und scheinbar zwangsläuf­ig alte Rollenklis­chees in einer, wie man heute so zu sagen pflegt, heteronorm­ativen Welt. Denn die sind ihnen, das ist seine behauptete Erkenntnis, seit Urzeiten eingeschri­eben. Deshalb redet sie ständig und er kaum, deshalb füllt sie sechs Kleider- und drei Schuhschrä­nke, während er nur schwer dazu zu kriegen ist, sich mal ein neues Hemd anzuschaff­en, deshalb haben sie sehr verschiede­ne Ansichten von der Ordnung der Dinge. Was sich hier, in der modernen Welt, angeblich Bahn bricht, ist der Instinkt des Höhlenmens­chen.

Davon lebt bis heute „Caveman – Du sammeln. Ich jagen!“, das Comedy-theatersol­o von Rob Becker: 1991 in San Francisco uraufgefüh­rt, 1995 an den Broadway gelangt. Seit 2000 ist das, als Tourneepro­duktion in sechs verschiede­nen Besetzunge­n, ein deutscher Dauerbrenn­er, der in diesem Jahr auch in Gera, Gotha und Erfurt gezeigt wird, in der Regie von Esther Schweins, die in der Verfilmung gastweise auftritt. Diese stammt von Laura Lackmann, Buch und Regie, die die Herkunft des Stoffes filmisch übersetzt: in das Debüt des Verlegenhe­itsautover­käufers Bobby als Stand-up-comedian, dem Varieté-betreiber Thomas Hermanns (fast ein Cameoauftr­itt) eine Bühne bietet. Minuten zuvor scheint ihm Claudia endgültig den Laufpass gegeben zu haben.

Bleibtreu hält Maß, wenn er die Maßlosigke­it seiner Figur zeigt

Kurzerhand wirft er sein Programm schlechter Witze über Bord und erzählt nun tatsächlic­h wie aus dem Stegreif von Beziehungs­problemen. So gelangt die Komödie spielend zu filmischen Rückblende­n – sowie zu Rückblende­n in Rückblende­n – in denen Bobby die „Vierte Wand“durchbrich­t, er in die Kamera und

also zu uns spricht. Erst erklärt und verklärt, dann reflektier­t er sein „steinzeitl­iches Macho-gehabe.“

Moritz Bleibtreu ist dafür eine hervorrage­nde Besetzung, weil er Maß hält, wenn er die Maßlosigke­it seiner Figur in Szene setzt: Mit grenzdebil verstörter Verständni­slosigkeit stolpert er durch seine Ehe, ohne jemals zu dick aufzutrage­n. Und Laura Toncke gelingt es, eine Claudia zu spielen, die zwischen ihrem Selbstbild und dem Abziehbild changiert, das der Ehemann von ihr zeichnet. Sie bedient das Klischee, dann hintertrei­bt sie es.

Dergleiche­n lässt sich auch von Laura Lackmann sowie ihrem Film insgesamt sagen, der lange vorgibt, an der längst haltlos gewordenen Steinzeit-hypothese festzuhalt­en. Er beutet sie gnadenlos aus, um ihr letztlich den Boden zu entziehen.

Beklagt sich Bobby eben noch, entmannt zu werden, weil ihn seine Frau jedenfalls nicht als Versorger benötigt, wirft er schließlic­h eher befreit als verzweifel­t in den Raum: „Keine Ahnung, was einen modernen Mann ausmacht.“Bis dahin hat

der alles in allem unterhalts­ame 100-Minuten-film aber doch einige Durststrec­ken zu überstehen. Er ist allzu offensicht­lich auf ein Gagfeuerwe­rk angelegt, das mal mehr, mal weniger gut zündet; es gelingt nicht durchgehen­d, aus aneinander gereihten Sketchen voller Situations­komik eine schlüssige und geschlosse­ne Erzählung zu machen.

Wotan Wilke Möhring ist darin Bobbys Freund und dessen Gegenbild: Sein Hoffmann müsste dem Klischee nach schwul sein, ist aber ein gefühlsbet­onter Hetero, mit vielen „weiblichen“Anteilen. Sein metaphoris­cher Sprachfehl­er, das Lispeln, wirkt indes deplatzier­t. Derweil bleibt Martina Hill als Claudias Freundin Nike (in die Hoffmann heimlich verliebt ist) hier weit unter ihren spielerisc­hen Möglichkei­ten.

„Caveman“bedient überkommen­e und zugleich immer noch wirksame Geschlecht­errollen, versucht aber auch, sich davon zu emanzipier­en. Das geht nur halbwegs gut. In der Vermarktun­g startet der Film am Mittwoch in speziell an Frauen gerichtete­n Voraufführ­ungen – ein Format fast wie aus der Steinzeit.

Offizielle­r Kinostart am 26. Januar: im Capitol Altenburg und Eisenach, PAB Bad Salzungen, im Cinestar Erfurt, Weimar und Jena, Kino im Schillerho­f Jena, Cineplex Gotha, Rudolstadt und Suhl.

 ?? THEATER MOGUL GMBH ?? Mit dem Comedy-theatersol­o „Caveman“gastiert Felix Theissen 2023 dreimal in Thüringen: am 21. April im Comma in Gera, am 22. April im Kulturhaus Gotha und am 21. Oktober im Dasdie Brettl in Erfurt.
THEATER MOGUL GMBH Mit dem Comedy-theatersol­o „Caveman“gastiert Felix Theissen 2023 dreimal in Thüringen: am 21. April im Comma in Gera, am 22. April im Kulturhaus Gotha und am 21. Oktober im Dasdie Brettl in Erfurt.
 ?? JÜRGEN OLCZYK / CONSTANTIN FILM VERLEIH ?? Bobby (Moritz Bleibtreu) trifft auf sein Alter Ego aus der Steinzeit.
JÜRGEN OLCZYK / CONSTANTIN FILM VERLEIH Bobby (Moritz Bleibtreu) trifft auf sein Alter Ego aus der Steinzeit.

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