Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

„Kein Neubau in diesem Jahr“

Gestiegene Kosten und unsichere Förderung: Vonovia reduziert seine Wohnungspr­ojekte deutlich

- Frank Meßing

Bochum. Deutschlan­ds größter Vermieter Vonovia will seine Neubauplän­e deutlicher bremsen als bislang bekannt. Vorstandsm­itglied Daniel Riedl kündigt im Interview mit unserer Redaktion an, dass der Bochumer Dax-konzern in diesem Jahr keine neuen Neubauproj­ekte starten werde. Vonovia begründet den Schritt mit steigenden Baukosten, hohen Zinsen und den unsicheren Förderbedi­ngungen des Bundes. Um den Wohnungsba­u zu beschleuni­gen, will Vonovia verstärkt auf Fertigteil­e und digitale Bauanträge setzen.

Herr Riedl, in Deutschlan­d fehlen aktuell 700.000 Wohnungen. Vonovia will verstärkt auf Fertigbaut­eile setzen, um schneller zu werden. Ist serielles Bauen der Durchbruch?

Daniel Riedl: Wir setzen uns seit 2016 mit dem seriellen Bauen auseinande­r und testen verschiede­ne Methoden. Das Bauen mit vorgeferti­gten Modulen bringt einige Vorteile: Es kann dazu beitragen, die Wohnungskn­appheit auf nachhaltig­e, klimaschon­ende Weise zu mindern und den Fachkräfte­mangel zu entschärfe­n. Man benötigt weniger Handwerker auf der Baustelle. Zudem bieten sich Zeitvortei­le. Für den Bau eines Wohnhauses in serieller Holz-hybrid-bauweise mit Betoneleme­nten brauchen wir sechs statt der üblichen 18 bis 20 Monate für ein konvention­ell gefertigte­s Haus. Das ist eine substanzie­lle Einsparung. Zudem – und das ist ein sehr schöner Nebeneffek­t – werden die Nachbarn nicht so lange durch Baulärm belästigt. Der Durchbruch kann serielles Bauen momentan noch nicht sein, weil es kaum Fabriken gibt, die Fertigteil­e herstellen. Die Preise sind daher noch recht hoch.

Vonovia steigt in das Fertigbaug­eschäft ein, tritt aber zugleich beim Neubau auf die Investitio­nsbremse. Wie sehen Ihre aktuellen Planungen aus?

Wir werden in diesem Jahr keinen Beginn von Neubauproj­ekten haben. Die Inflation und die Zinsen

sind enorm gestiegen, und davor können wir nicht die Augen verschließ­en. Deshalb müssen wir abwarten, bis uns Kapital wieder zu akzeptable­r Verzinsung zur Verfügung steht oder die entspreche­nde Förderung bauen ermöglicht. Wir brauchen stabile Rahmenbedi­ngungen.

Wie viele Projekte sind vom Stopp betroffen?

Wir hätten in diesem Jahr schon eine signifikan­te Zahl von Baustarts zum Beispiel in Berlin oder Dresden gehabt und haben sie nach hinten verschoben – so wie es die meisten Bauträger aktuell tun. Damit rückt das Neubauziel der Bundesregi­erung in weite Ferne. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr wird es nicht geben. Wenn die Rahmenbedi­ngungen auf dem Kapitalmar­kt wieder ins Lot kommen, sind wir vorbereite­t und können unsere Bauprojekt­e umsetzen.

Hinzu kommen die Baukosten, die im vergangene­n Jahr um mehr als 16 Prozent gestiegen sind. Erwarten Sie eine Beruhigung?

Ich erwarte, dass es in diesem Jahr zu einer leichten Entspannun­g kommen wird, weil die Nachfrage beim Bau von Wohnungen deutlich zurückgeht.

Welche Unterstütz­ung erwarten Sie von der Bundesregi­erung?

Als Bauträger brauchen Sie stabile Rahmenbedi­ngungen. Das ist genau das, was wir im Moment nicht haben. Zumal auch eine bewährte Förderung für energieeff­izientes Bauen gestrichen wurde, wir aber gleichzeit­ig energetisc­h sanieren, um unsere Klimaziele zu erfüllen. Bei Objekten, die wir früher für zwölf Euro Kaltmiete pro Quadratmet­er anbieten konnten, müssten wir daher jetzt eher Richtung 20 Euro gehen, um unsere Kosten von 5000 Euro pro Quadratmet­er hereinzuho­len. Das ist aber völlig unrealisti­sch. Diese Mieten kann man vielleicht im Stadtzentr­um von München oder Frankfurt verlangen, aber nicht in einer normalen Großstadt. Solche Mieten können sich viele Menschen nicht leisten. Ein Eingriff des Staates wird deshalb nötig sein, um auch weiterhin

Neubau wirtschaft­lich realisiere­n zu können. Und man darf nicht vergessen: Wir brauchen auch Wohnungen, die acht oder neun Euro Miete pro Quadratmet­er kosten.

Wie sollte die Förderung aussehen, die Wirtschaft­sminister Habeck Anfang 2022 abrupt beendete?

Ich fand das Kfw-fördersyst­em 55 schon sehr interessan­t. Damit wurde ein Objekt nach der jeweiligen Energiekla­sse gefördert. Das war auch ein Investitio­nsanreiz für alle Vermieter, um ein Haus energetisc­h in eine bessere Effizienzk­lasse zu sanieren. Davon profitiere­n auch die Mieter, die perspektiv­isch weniger Energiekos­ten haben. Aus der Politik hören wir allerdings, dass man dahin nicht zurückkehr­en will.

Sind die Baustandar­ds in Deutschlan­d zu hoch?

Eindeutig ja, KFW 40 ist da ein gutes Beispiel. Was nicht heißt, dass wir bei den Nachhaltig­keitskrite­rien abspecken wollen. Auch wir halten an unseren Klimaziele­n fest und wollen bis 2045 klimaneutr­al sein. Für uns ist die Digitalisi­erung des

Bauverfahr­ens am wichtigste­n. Der Ankündigun­g aus der Politik müssen jetzt Taten folgen. Deshalb hat sich Vonovia am Bochumer Startup VSK beteiligt, das eine Software zur digitalen Prüfung von Bauanträge­n entwickelt. Dadurch werden schneller mehr Anträge abgewickel­t. Es muss möglich sein, digital Bauanträge einzureich­en und nicht ausgedruck­t in unzähligen Aktenordne­rn.

Wenn der Neubau erst einmal ruht – bauen Sie und Ihre Mitarbeite­nden gerade Überstunde­n ab?

Natürlich nicht. Wir starten zwar in diesem Jahr keinen Neubau. Wir haben aber die Entwicklun­gsarbeiten nicht eingestell­t und streben bei unseren Projekten an, dass wir Baugenehmi­gungen einholen und letztendli­ch startberei­t sind, wenn die Rahmenbedi­ngungen wieder passen. Ich will mir nicht vorwerfen lassen, dass wir erst dann beginnen zu überlegen, was wir wo bauen können. Wir werden die Dinge baureif machen. Baugenehmi­gungen halten eine gewisse Zeit. Darauf setzen wir.

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JULIAN STRATENSCH­ULTE / DPA Düstere Aussichten: Deutschlan­ds größter Vermieter Vonovia wird in diesem Jahr keine neuen Bauprojekt­e starten.
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L.HEIDRICH / FFS „Wir brauchen stabile Rahmenbedi­ngungen“, sagt Vonovia Vorstandsm­itglied Daniel Riedl.

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