Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
„Kein Neubau in diesem Jahr“
Gestiegene Kosten und unsichere Förderung: Vonovia reduziert seine Wohnungsprojekte deutlich
Bochum. Deutschlands größter Vermieter Vonovia will seine Neubaupläne deutlicher bremsen als bislang bekannt. Vorstandsmitglied Daniel Riedl kündigt im Interview mit unserer Redaktion an, dass der Bochumer Dax-konzern in diesem Jahr keine neuen Neubauprojekte starten werde. Vonovia begründet den Schritt mit steigenden Baukosten, hohen Zinsen und den unsicheren Förderbedingungen des Bundes. Um den Wohnungsbau zu beschleunigen, will Vonovia verstärkt auf Fertigteile und digitale Bauanträge setzen.
Herr Riedl, in Deutschland fehlen aktuell 700.000 Wohnungen. Vonovia will verstärkt auf Fertigbauteile setzen, um schneller zu werden. Ist serielles Bauen der Durchbruch?
Daniel Riedl: Wir setzen uns seit 2016 mit dem seriellen Bauen auseinander und testen verschiedene Methoden. Das Bauen mit vorgefertigten Modulen bringt einige Vorteile: Es kann dazu beitragen, die Wohnungsknappheit auf nachhaltige, klimaschonende Weise zu mindern und den Fachkräftemangel zu entschärfen. Man benötigt weniger Handwerker auf der Baustelle. Zudem bieten sich Zeitvorteile. Für den Bau eines Wohnhauses in serieller Holz-hybrid-bauweise mit Betonelementen brauchen wir sechs statt der üblichen 18 bis 20 Monate für ein konventionell gefertigtes Haus. Das ist eine substanzielle Einsparung. Zudem – und das ist ein sehr schöner Nebeneffekt – werden die Nachbarn nicht so lange durch Baulärm belästigt. Der Durchbruch kann serielles Bauen momentan noch nicht sein, weil es kaum Fabriken gibt, die Fertigteile herstellen. Die Preise sind daher noch recht hoch.
Vonovia steigt in das Fertigbaugeschäft ein, tritt aber zugleich beim Neubau auf die Investitionsbremse. Wie sehen Ihre aktuellen Planungen aus?
Wir werden in diesem Jahr keinen Beginn von Neubauprojekten haben. Die Inflation und die Zinsen
sind enorm gestiegen, und davor können wir nicht die Augen verschließen. Deshalb müssen wir abwarten, bis uns Kapital wieder zu akzeptabler Verzinsung zur Verfügung steht oder die entsprechende Förderung bauen ermöglicht. Wir brauchen stabile Rahmenbedingungen.
Wie viele Projekte sind vom Stopp betroffen?
Wir hätten in diesem Jahr schon eine signifikante Zahl von Baustarts zum Beispiel in Berlin oder Dresden gehabt und haben sie nach hinten verschoben – so wie es die meisten Bauträger aktuell tun. Damit rückt das Neubauziel der Bundesregierung in weite Ferne. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr wird es nicht geben. Wenn die Rahmenbedingungen auf dem Kapitalmarkt wieder ins Lot kommen, sind wir vorbereitet und können unsere Bauprojekte umsetzen.
Hinzu kommen die Baukosten, die im vergangenen Jahr um mehr als 16 Prozent gestiegen sind. Erwarten Sie eine Beruhigung?
Ich erwarte, dass es in diesem Jahr zu einer leichten Entspannung kommen wird, weil die Nachfrage beim Bau von Wohnungen deutlich zurückgeht.
Welche Unterstützung erwarten Sie von der Bundesregierung?
Als Bauträger brauchen Sie stabile Rahmenbedingungen. Das ist genau das, was wir im Moment nicht haben. Zumal auch eine bewährte Förderung für energieeffizientes Bauen gestrichen wurde, wir aber gleichzeitig energetisch sanieren, um unsere Klimaziele zu erfüllen. Bei Objekten, die wir früher für zwölf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter anbieten konnten, müssten wir daher jetzt eher Richtung 20 Euro gehen, um unsere Kosten von 5000 Euro pro Quadratmeter hereinzuholen. Das ist aber völlig unrealistisch. Diese Mieten kann man vielleicht im Stadtzentrum von München oder Frankfurt verlangen, aber nicht in einer normalen Großstadt. Solche Mieten können sich viele Menschen nicht leisten. Ein Eingriff des Staates wird deshalb nötig sein, um auch weiterhin
Neubau wirtschaftlich realisieren zu können. Und man darf nicht vergessen: Wir brauchen auch Wohnungen, die acht oder neun Euro Miete pro Quadratmeter kosten.
Wie sollte die Förderung aussehen, die Wirtschaftsminister Habeck Anfang 2022 abrupt beendete?
Ich fand das Kfw-fördersystem 55 schon sehr interessant. Damit wurde ein Objekt nach der jeweiligen Energieklasse gefördert. Das war auch ein Investitionsanreiz für alle Vermieter, um ein Haus energetisch in eine bessere Effizienzklasse zu sanieren. Davon profitieren auch die Mieter, die perspektivisch weniger Energiekosten haben. Aus der Politik hören wir allerdings, dass man dahin nicht zurückkehren will.
Sind die Baustandards in Deutschland zu hoch?
Eindeutig ja, KFW 40 ist da ein gutes Beispiel. Was nicht heißt, dass wir bei den Nachhaltigkeitskriterien abspecken wollen. Auch wir halten an unseren Klimazielen fest und wollen bis 2045 klimaneutral sein. Für uns ist die Digitalisierung des
Bauverfahrens am wichtigsten. Der Ankündigung aus der Politik müssen jetzt Taten folgen. Deshalb hat sich Vonovia am Bochumer Startup VSK beteiligt, das eine Software zur digitalen Prüfung von Bauanträgen entwickelt. Dadurch werden schneller mehr Anträge abgewickelt. Es muss möglich sein, digital Bauanträge einzureichen und nicht ausgedruckt in unzähligen Aktenordnern.
Wenn der Neubau erst einmal ruht – bauen Sie und Ihre Mitarbeitenden gerade Überstunden ab?
Natürlich nicht. Wir starten zwar in diesem Jahr keinen Neubau. Wir haben aber die Entwicklungsarbeiten nicht eingestellt und streben bei unseren Projekten an, dass wir Baugenehmigungen einholen und letztendlich startbereit sind, wenn die Rahmenbedingungen wieder passen. Ich will mir nicht vorwerfen lassen, dass wir erst dann beginnen zu überlegen, was wir wo bauen können. Wir werden die Dinge baureif machen. Baugenehmigungen halten eine gewisse Zeit. Darauf setzen wir.