Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Mehr zeugungsun­fähige Forellen

Industrie setzt für schnellere­s Wachstum auf Unterdrück­ung der Geschlecht­sreife

- Matthias Thüsing

Rudolstadt. André Kranert steht im Bruthaus des Verbandes für Angeln und Naturschut­z Thüringen in Rudolstadt-schwarza. Kunststoff­becken füllen den fensterlos­en Raum, Neonlicht erhellt ihn. Wenige Meter von dem kleinen Gebäude entfernt fließt die Saale gemächlich vorbei. Das Bruthaus sei quasi Kreißsaal und Kindergart­en für unterschie­dliche Fischarten, berichtet Kranert. Bis zu einer Million Fische könnten hier jährlich erbrütet werden. Sie werden aufgezogen, um sie dann in den Thüringer Gewässern auszusetze­n.

Die Arbeit der Angler im Bruthaus ist zwar rein ehrenamtli­ch. Das schließe eine genaue Beobachtun­g der Fischzucht-branche aber nicht aus, sagt Kranert. Was in den großen Industrief­armen zum Teil gemacht wird, findet er durchaus fragwürdig. Vor allem bei den Forellen. „Wir finden immer mehr erwachsene Fische, die nicht fortpflanz­ungsfähig sind“, berichtet er: „Es sind äußerlich keine der typischen Geschlecht­smerkmale erkennbar. Unsere Untersuchu­ngen haben gezeigt, in den Fischen sind weder Rogen noch Milch vorhanden.“

Das Aussetzen der Fische ist wenig nachhaltig

Der Angler vermutet dabei, die Sterilität der Forellen sei größtentei­ls ein hausgemach­tes Problem. Offenbar würden immer wieder Fische in die Flüsse eingesetzt, deren Rogen zuvor in speziellen Verfahren druckbehan­delt wurde, sagt er. Diese druckbehan­delten Fischeier sollten eigentlich nur in kommerziel­l betriebene­n Forellenzu­chten eingesetzt werden. Durch die Unterdrück­ung der Geschlecht­sreife stecken die Tiere mehr Energie in ihr Wachstum und werden schneller schlachtre­if.

Anbieter dieses Rogens gibt es laut Kranert mehrere in Europa. So verspricht etwa ein Unternehme­n aus dem französisc­hen Serrance, ihre Fische würden „während der Reprodukti­onszeit nicht durch die sexuelle Reife gestört“. Das Verfahren sei präzise und streng kontrollie­rt. 97 von 100 druckbehan­delten Eiern brächten sterile Fische hervor.

Solche Fische gehörten nicht in die freie Wildbahn, sagt der Biologe Wolfgang Schmalz von der privaten Fischökolo­gischen und Limnologis­chen Untersuchu­ngsstelle Südthüring­en. Auch Schmalz hat in Thüin

ringer Gewässern bereits große Forellen gefunden, die sich als nicht zeugungsfä­hig erwiesen, und sie zur lebensmitt­eltechnisc­hen Untersuchu­ng ins Labor weitergele­itet. „Solche Fische auszusetze­n, ist wenig nachhaltig“, kritisiert er.

Zum einen müsse deshalb wiederholt neue Brut in die Flussabsch­nitte

gesetzt werden. Zum anderen würden die schnell wachsenden Fische ihre natürliche­n Artgenosse­n beim täglichen Kampf um Futter und Ressourcen behindern. Das wiederum behindere den Fortpflanz­ungserfolg der Forellen, die sich noch natürlich fortpflanz­en können.

Gewässern, in denen nicht geangelt wird und auch keine Forellen eingesetzt werden, sei das Phänomen seltener zu beobachten. Schmalz warnt aber vor voreiligen Schlüssen. Er geht davon aus, dass viele Angelverbä­nde nicht wissen, dass die ihnen verkauften Forellen zum Neubesatz von Gewässern im Ei-stadium behandelt wurden.

Zudem könne das Phänomen auch auf den Klimawande­l zurückzufü­hren sein. In Fachkreise­n werde diskutiert, ob Forellen durch die Gewässer-erwärmung schneller groß werden, aber dann noch nicht geschlecht­sreif sind. Wissenscha­ftlich sei das noch nicht untersucht worden, sagt Schmalz: „Dies sollte in Angriff genommen werden.“

Das sieht auch das Thüringer Landwirtsc­haftsminis­terium so. Dem Ministeriu­m seien „impotente Forellen“mittlerwei­le auch bekannt, sagt ein Sprecher und ergänzt: „Das ist für uns und andere Regionen ein neues Phänomen.“Deswegen habe das Ministeriu­m gemeinsam mit anderen Ländern und dem Institut für Binnenfisc­herei in Potsdam ein gemeinsame­s Forschungs­projekt gestartet. Ergebnisse würden für 2025 erwartet. „Bis dahin sind auch wir ratlos“, sagt der Sprecher.

 ?? MARCO KNEISE/ARCHIV ?? Forellen schwimmen im Ozeaneum in Stralsund. In Thüringen werden immer häufiger Forellen gefunden, die nicht fortpflanz­ungsfähig sind.
MARCO KNEISE/ARCHIV Forellen schwimmen im Ozeaneum in Stralsund. In Thüringen werden immer häufiger Forellen gefunden, die nicht fortpflanz­ungsfähig sind.

Newspapers in German

Newspapers from Germany