Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Sie halten die Hand, bis sie kalt wird
Ambulanter Hospiz- und Palliativberatungsdienst Greiz: 71 Ehrenamtliche begleiten im Landkreis Sterbende auf ihrem letzten Weg
Ob wir die Welt mit anderen Augen sehen, wenn wir wissen, dass wir sterben werden? Wie mag es für jene Menschen sein, deren Zeit gekommen ist? Während der Betroffene unweigerlich diesen Weg gehen muss, bleibt den Angehörigen, ob Familie oder Freunden, eine Wahl.
Bewusst oder unbewusst, sie entscheiden sich entweder gemeinsam den Weg zu gehen oder sich abzuwenden – dafür gibt es viele Impulse. Das ist ein Grund, warum es den ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdienst Greiz gibt: sie sind da, wenn es andere nicht können. „Denn der Weg des Sterbenden ist nicht der Weg der Angehörigen“, weiß Jeannette Reinhold.
Begleitung seit 17 Jahren
Für sie ist es eine der schönsten Tätigkeiten im sozialen Sektor, „sofern man von schön in diesem Fall reden kann“, meint sie. In ihrem täglichen Tun begleitet Jeannette Reinhold Menschen auf ihrem Sterbeweg. Seit 17 Jahren leitet und koordiniert sie den ambulanten
Hospiz- und Palliativberatungsdienst Greiz. Seit einem Jahr gibt es eine Zweigstelle in Zeulenroda mit Jürgen Wolf als hiesigem Koordinator. In den Jahren seiner Tätigkeit als ausgebildeter Pfleger wurde ihm mehr und mehr bewusst, wie viele Menschen alleine sterben müssen. „Ich hatte nie die Zeit, bei ihnen bleiben zu können.“
„In der Palliativmedizin sprechen wir von vier Schmerzarten – den medizinisch-körperlichen, den psychischen, den sozialen und den spirituellen“, spricht Jeannette Reinhold aus Erfahrung. „Nur den körperlichen Schmerz können wir mit Schmerzmitteln lindern“, weiß die erfahrene Sterbebegleiterin, dass, wenn sich eine Mensch auf den Weg macht, nicht nur die körperlichen Schmerzen die Seele belasten. „Die psychisch-emotionalen Schmerzen wiegen oftmals schwerer. Neben den finanziellen Sorgen, ob der Ehepartner allein über die Runden kommen wird, verändert sich der Freundeskreis. Einige wenden sich ab, beschäftigt mit dem eigenen Schmerz des baldigen Verlustes oder weil sie dem Tod nicht ins Auge blicken wollen. Auch der Sterbende
verändert sich und will vielleicht niemanden mehr sehen. Das sind nur einige Aspekte, die fortan den eigenen Sterbeprozess begleiten
und eben Schmerzen bereiten.“Nicht zu verachten das eigene Sein, welches sich nun mit dem tatsächlichen Ende des Lebens auseinandersetzt
und der These, sterben zu müssen, sich auch den Fragen stellt: Wie werde ich sterben? Wann genau wird es soweit sein? Werde ich leiden? Die Jüngsten sind Anfang 30, die Ältesten über 80 Jahre alt – 71 Ehrenamtliche begleiten Sterbende auf ihrem letzten Weg. Wie viel Zeit ein jeder Hospizbegleiter in den jeweiligen Familien verbringt, ist immer abhängig vom Einzelfall. „Während einer Begleitung sind wir nicht nur für die Sterbenden, sondern auch für die Angehörigen da und lassen sie vor allem nach ihrem Verlust nicht allein“, lädt Jeannette Reinhold die Hinterbliebenen zum Trauercafé ein. Dieses findet jeden zweiten und dritten Mittwoch im Monat, 16 bis 17 Uhr, im Greizer Café OK statt.
Wer sich angesprochen fühlt, Menschen auf ihrem Weg begleiten zu können, kann sich zum Hospizbegleiter ausbilden lassen. Der Vorbereitungskurs „Sterbende begleiten lernen“startet am 13. März. Der Kurs ist kostenfrei und richtet sich an künftige Hospizbegleiter, Mitarbeiter der Pflege und Seelsorge, Ärzte, Pädagogen und Interessierte. Vorab findet ein Infoabend in den Räumen des Hospiz- und Palliativberatungsdienstes, Kirchplatz 3, in Greiz statt. Dieser ist auf Montag, 13. Februar, 17 Uhr datiert.