Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Wie junge Eltern ein Paar bleiben
Ein Kind verändert die Beziehung – und das nicht immer positiv. Eine Therapeutin erklärt, wie man Krisen überwindet
Berlin. Die meisten Kinder sind Wunschkinder. Doch egal wie sehr man sich auf sie freut: Kinder verändern vieles – und auf das neue Leben kann die werdenden Eltern auch der beste Elternratgeber nicht vorbereiten. Diana Böttcher ist Paartherapeutin in Berlin und hilft jungen Eltern dabei, nach der Geburt ihres ersten Kindes ein Paar zu bleiben.
Frau Böttcher, viele Paare trennen sich, wenn die Kinder noch ganz klein sind. Warum?
Diana Böttcher: Kinder zu bekommen ist für Paare eine besonders verbindende Erfahrung. Sie gemeinsam großzuziehen, ist dagegen eine Herausforderung. Das System gerät mit der Zeit in Dauerstress. Wenn wir Kinder bekommen, befinden wir uns häufig in der Rushhour unseres Lebens: Wir sind beruflich am produktivsten. Wir wollen und können nicht zurückstecken. Und dann kommen Kinder dazu und mit ihnen viele zusätzliche Aufgaben. Wenn das Kind auf die Welt kommt, steht es oft im Mittelpunkt, die Partnerschaft gerät in den Hintergrund. Mindestens ein Elternteil richtet die eigene Aufmerksamkeit im Alltag zu stark auf das Kind aus. Das ist für die Partnerschaft nicht günstig.
Begegnen Sie dieser Thematik oft?
70 bis 80 Prozent der Menschen, die ich berate, sind Eltern mit kleinen Kindern – statistisch die schwierigsdritten
te Zeit für eine Partnerschaft. Je abhängiger die Kinder sind, desto unzufriedener sind die Eltern in der Partnerschaft. Das sind auch die Paare, die in die Paarberatung kommen, weil sie merken: Wir schaffen es allein nicht mehr raus. Und es ist auch allein nicht mehr herauszuschaffen – gerade, wenn man zum Beispiel schon zwei Kinder hat.
Was sind die Hauptthemen, mit denen Paare zu ihnen kommen?
Kommunikationsschwierigkeiten. Die Partner verstehen zwar, was der
andere sagt, aber nicht, was er meint. Sie wollen lernen, besser miteinander zu sprechen, damit sie mehr Verständnis füreinander aufbauen können. Konflikte schließen sich meistens an. Das Paar schafft es nicht mehr, lösungsorientiert an Konflikten zu arbeiten und sie bleiben ungelöst. Der dritte Punkt ist die fehlende Harmonie und Nähe innerhalb der Familie. Meistens ist es die Frau, die zuerst merkt, dass es nicht mehr gut läuft und die Krise ernst zu nehmen ist. Der Mann sagt eher: Es ist eine schwierige Zeit,
aber das schaffen wir. Wir müssen einfach durchhalten. Der weibliche Part fühlt sich dann nicht ernst genommen und alleingelassen.
Wie können Paare es schaffen, besser zu kommunizieren?
Wichtig ist, die eigene Wahrnehmung zu beschreiben: Wie geht es mir mit der problematischen Situation? Was habe ich bereits versucht, um etwas zu ändern? Im zweiten Schritt kann man den Partner einladen, ebenfalls über seine Wahrnehmung und Gefühle zu sprechen. Im Schritt geht es um die jeweiligen Bedürfnisse. Wenn ein Paar hoch eskaliert ist, also sehr emotional und nicht gut im Kontakt, fällt es ihnen sehr schwer, diese drei Schritte diszipliniert durchzuführen. Wichtig ist, wirklich nur über die eigenen Gefühle zu sprechen, ohne Vorwurf und Kritik, und die Bedürfnisse des anderen zu akzeptieren.
Wieso verändern Kinder eine Partnerschaft so sehr?
Mit einem Kind ist da plötzlich noch eine Person mehr, die Zeit in Anspruch nimmt. So schön es auch ist, ein Kind zu haben: Unser Tag hat einfach nur 24 Stunden. Also müssen wir die Zeit, die wir vorher für uns allein und für unsere Partnerschaft hatten, anders verteilen. Häufig wird dann die Paarzeit gekürzt. Als Elternpaar ist man aufeinander angewiesen. Das ist bei kinderlosen Paaren anders. Da macht jeder sein Ding und die guten Zeiten verbringt man miteinander. Wenn dann ein Kind dazukommt und sie sich weiterhin allein durchkämpfen, entfernt das die Paare voneinander, distanziert sie emotional und sorgt für Stress. Am Ende ist der Eltern-job so nicht machbar. Kinder erfordern Kooperation und klare Verbindlichkeiten.
Gerade für Paare, die keine Hilfe von außen haben, kann es schwer sein, Paarzeit zu finden. Was raten Sie?
Das Paar muss sich organisieren – Zweisamkeit ergibt sich nicht von allein. Die meisten Paare fangen schon sehr früh an, eine Babysitterin oder einen Babysitter zu organisieren, der in die Familie integriert wird. Wenn Kinder anfangen, bei ihren Freunden zu übernachten, sind sie meistens schon vier, fünf Jahre alt. Das ist für das Paar zu spät.
Nicht alle Paare können sich das leisten. Welche Tipps haben Sie noch?
Ich empfehle gerne, bestimmte Rituale im Alltag zu integrieren. Wenn etwa ein Elternteil mit dem Kind zu Hause ist und das andere Elternteil von der Arbeit kommt, nehmen Kinder oft sehr viel Aufmerksamkeit ein. Ein Ansatz kann sein, dem Kind zwar liebevoll Hallo zu sagen, aber im gleichen Atemzug erst mal dem Partner oder der Partnerin Aufmerksamkeit zu schenken. Das Paar verbindet sich miteinander, fragt, wie es dem anderen geht und umarmt sich. Das Kind wartet. Das können Paare im Alltag viel bewusster machen, um sich zu signalisieren: Wir kommen zuerst. Und das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern mit Verantwortung. Das Kind ist währenddessen ja gut versorgt. Es wird nicht ignoriert, sondern ist Teil der Familie. Wenn die Kinder älter sind, kann man auch mal sagen: Jetzt ist Mama-papa-zeit. Wir reden jetzt eine halbe Stunde miteinander und du beschäftigst dich selbst. Aber dazu braucht es dieses Mindset: Wir kommen zuerst und dann kommen die Kinder, damit wir uns gut um sie kümmern können.