Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Tür öffnet sich zu früh

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Dieser Vorstoß kommt zu früh. Den russischen und belarussis­chen Athleten die olympische Tür zu öffnen, ohne dass es Anzeichen für eine diplomatis­che Annäherung in dem Ukraine-krieg gibt, sorgt zu Recht für wütende Reaktionen. Nicht nur in dem überfallen­en Land.

Der Sport kann zweifellos verbindend wirken, Brücken bauen. Das wurde 2018 in Pyeongchan­g beim gemeinsame­n Einmarsch der nordund südkoreani­schen Mannschaft zur Eröffnungs­feier deutlich. Doch nicht selten wird die olympische Bühne eben auch für Propaganda- zwecke missbrauch­t. So sehr sich das IOC um Objektivit­ät bemühen mag: Tobt der Krieg im Sommer 2024 noch immer, wird er in Paris nicht auszublend­en sein.

Selbst ohne Flaggen, ohne Natio- nalfarben und ohne Hymne: „Neut- rale“Athleten gibt es allenfalls auf dem Papier. In den Wettkampfs­tätten werden sie als Russen und Bela- russen wahrgenomm­en und in ihrer Heimat entspreche­nd gefeiert. Dass diese Aussichten in der Ukraine, wo Zerstörung, Trauer und Tod an der Tagesordnu­ng sind, aufs Schärfste kritisiert werden, ist verständli­ch – und die Boykott-androhung so et- was wie der letzte Hilfeschre­i.

Vielleicht löst er im IOC ein Über- denken des neuen Kurses aus. Oder zumindest ein Abwarten, bis es Zei- chen der Hoffnung gibt. Denn ein Boykott der Ukraine könnte für Pa- ris ernste Folgen haben. Es ist nicht auszuschli­eßen, dass sich aus Soli- darität andere Länder daran beteili- gen. Nach Moskau 1980 und Los An- geles 1984 steht die olympische Idee mehr denn je auf dem Prüfstand.

 ?? ?? Marco Alles über den Kurs des IOC in der Russland-frage
Marco Alles über den Kurs des IOC in der Russland-frage

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