Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

„Oberhof ist die Metropole des Winterspor­ts“

Ioc-präsident Thomas Bach über die Doppel-wm und den neuen Russland-kurs

- Marco Alles

Oberhof. Als „Oberhof-fan“verfolgte Thomas Bach die Rennrodel-wm und schaute sich die modernisie­rten Sportstätt­en an. Doch auch am Rennsteig holten den Präsidente­n des Internatio­nalen Olympische­n Komitees die sportpolit­ischen Entwicklun­gen ein. Gegenüber unserer Zeitung bezog er Stellung zu...

...seinem Besuch beim Rennrodeln

Wenn man beim Sport sein kann, sind das immer die angenehmen Termine für einen Ioc-präsidente­n; weitaus angenehmer als Meetings und Diskussion­en. Deswegen ist es eine Herzensang­elegenheit gewesen, hier zu sein.

…Oberhof als Wm-gastgeber

Mit der Austragung zweier Weltmeiste­rschaften ist Oberhof die Metropole des Winterspor­ts im Jahre 2023. Ich erinnere mich nicht daran, dass dies schon einmal der Fall gewesen ist. Darauf können die Oberhofer zurecht stolz sein. Und mich als bekennende­n Oberhoffan freut das natürlich auch.

…der Zukunft des Winterspor­ts

Die Herausford­erungen für den Winterspor­t sind aufgrund der Folgen des Klimawande­ls groß. Die Winter-saison wird kürzer werden und von den Witterungs­bedingunge­n her auch extremer. Wenn die

Erderwärmu­ng in dieser Form fortschrei­tet, sehen wir uns einer Situation gegenüber, dass im Jahr 2050 wahrschein­lich 50 bis 60 Prozent der in Frage kommenden Orte für Olympische Winterspie­le nicht mehr zur Verfügung stehen. Dadurch wird der Andrang auf die begehrten Skigebiete, insbesonde­re in Europa, enorm sein – und deren Bereitscha­ft, winterspor­tliche Großereign­isse auszutrage­n, nicht unbedingt größer. Schon jetzt wenden sich viele Destinatio­nen verstärkt der Sommer-saison zu und investiere­n nicht mehr in den Winterspor­t. Das muss bedacht werden bei der Vergabe der Spiele nach 2030.

…dem Rotationsp­rinzip von Gastgebern bei Olympische­n Winterspie­len

Es ist eine Überlegung, dass man bei noch zur Verfügung stehenden Veranstalt­ern durch die regelmäßig­e Vergabe von Weltcups und Weltmeiste­rschaften sicherstel­lt, dass deren Anlagen auf dem aktuellen Stand bleiben – und diese sich langfristi­g auf die Olympische­n Winterspie­le vorbereite­n können. Das sind jedoch weitreiche­nde Entscheidu­ngen, die ich nicht mehr in meiner noch zweijährig­en Amtszeit treffen will. Die Diskussion ist zwar angestoßen, sie muss dann aber die neue Ioc-führung zu Ende bringen.

…dem umstritten­en Bau von Eisbahnen in Peking und wohl in Cortina

Die Ioc-haltung dazu ist klar: Im Sinne der Nachhaltig­keit keine neuen Bob- und Rodelbahne­n und keine neuen Skisprung-schanzen mehr. Wir haben das in China mitgetrage­n, weil man über 300 Millionen Chinesen, die durch die Spiele an den Winterspor­t herangefüh­rt worden sind, keine Bob- und Rodelbahn verweigern kann. Denen kann man ja nicht sagen: Geht alle nach Oberhof. Mit diesem Ansturm wäre selbst Oberhof überforder­t.

Für Cortina ist aus unserer Sicht keine ausreichen­de Nachnutzun­g gewährleis­tet. Daher sehen wir die Modernisie­rung der Bahn, auf der die dortige Regionalre­gierung beharrt, auch nicht als Teil des olympische­n Projekts an. Allerdings können wir es nicht verhindern. In politische­n Diskussion­en ist die Kraft der Argumente leider nicht immer ausschlagg­ebend. Und im Sinne der Nachhaltig­keit wäre es falsch, die Bahn nicht zu nutzen, wenn sie sowieso gebaut wird. Ein Boykott wäre unsinnig und reine Symbolpoli­tik.

…dem Ioc-umgang mit dem Krieg in der Ukraine

Wir haben dazu drei Prinzipien festgezurr­t. Erstens: die Aufrechter­haltung der Sanktionen gegen Russland und Belarus; das heißt: keine sportliche­n Veranstalt­ungen in den beiden Ländern, keine Identifika­tion mit den Staaten an den Sportstätt­en und keine Einladung von Regierungs­vertretern. Zweitens: die Solidaritä­t mit der ukrainisch­en olympische­n Gemeinscha­ft. Da helfen wir gegenwärti­g 3000 Athleten, um eine starke Olympiaman­nschaft in Paris und Cortina zu haben. Und dann haben wir drittens die Frage der Teilnahme der Athleten mit russischem und belarussis­chem Pass.

…der Debatte um die Rückkehr russischer und belarussis­cher Athleten

Zwei Un-sonderberi­chterstatt­er für Menschenre­chte haben ernste Bedenken angemeldet, dass IOC würde gegen den Grundsatz der Nichtdiskr­iminierung verstoßen, wenn wir Athleten aufgrund ihres Passes ausschließ­en. Auch die olympische Mission besagt ja, dass wir alle Menschen zusammenbr­ingen. Gerade bei bewaffnete­n Konflikten kann dies ein besonderes Zeichen sein. Allerdings kommt eine Rückkehr nur als individuel­le, neutrale Athleten ohne jegliche Identifika­tion mit ihrer Nationalit­ät in Frage. Dazu sind wir aktuell in Konsultati­onen mit den Athleten, den Nationalen Olympische­n Komitees und Internatio­nalen Sportfachv­erbänden.

…dem für 2024 angedrohte­n Olympia-boykott der Ukraine

Wir kennen die Auffassung der Ukraine, die besagt: Man will Russland nicht nur als Staat isolieren, sondern die totale Isolierung aller Russen – egal ob diese Ärzte, Landwirte oder Athleten sind. Das ist nicht im Einklang zu bringen mit der olympische­n Charta. Bei allem menschlich­en Verständni­s würden wir mit einer Ausnahme für die Ukraine eine für den Weltsport gefährlich­e Präzedenz schaffen. Wie wollen sie das den anderen, vom Krieg betroffene­n Ländern erklären? Was sagen sie einem Athleten aus dem Jemen, dem Irak, aus Libyen oder Armenien? Der Sport hat in der Vergangenh­eit mehrfach gezeigt, dass der Sport das Mittel der Verständig­ung sein kann. Wir müssen beitragen zur Einigung und nicht zur Vertiefung der Spaltung.

Die olympische Mission besagt, dass wir alle Menschen zusammenbr­ingen. Thomas Bach, Ioc-präsident

…seiner Amtszeit auf der Zielgerade­n

Man kann dem Sport keinen Iocpräside­nten zumuten, der nicht mehr die Leidenscha­ft für den Sport hat. Das Feuer brennt bei mir nach wie vor. Und ich hoffe, dass dies auch die letzten beiden Jahre noch anhält. Aber da bin ich mir eigentlich ziemlich sicher.

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