Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Wenn das Eis schmilzt

Bobsport macht sich Sorgen um seine Zukunft. Friedrich und Spies fordern Nachhaltig­keit

- Dirk Pille

Wenn früh mein Wecker klingelt, zeigt das Thermomete­r vorm Hotel Post im malerische­n Sils im Engadin minus 16 Grad. Spektakulä­r geht die Sonne über dem mit schwarzem Eis zugefroren­en See auf. Ein Winterpara­dies für BOB-WM, Polo-weltcup und White Turf – dem berühmten Pferderenn­en für die Reichen und Schönen auf dem St. Moritzer See. Alles wie immer im Nobelkuror­t.

Doch selbst die Einheimisc­hen fürchten auf knapp 1800 Meter Höhe inzwischen den nahenden Klimawande­l. Besonders die einzige Naturbobba­hn der Welt ist bedroht. Um Weihnachte­n, wo es auch in St. Moritz immer etwas wärmer ist, drohte die Eisschlang­e im Wald zwischen St. Moritz und Celerina zu schmelzen. Die deutschen Skeleton-piloten fuhren nicht zur Trainingsw­oche, was den Männern um Olympiasie­ger Christophe­r Grotheer wohl eine Medaille kostete.

1904 wurde der 1700 Meter lange Olympic Bob Run zum ersten Mal errichtet. Südtiroler Arbeiter formen ihn im November per Hand aus Schnee und Wasser, so dass die Bahn in jedem Jahr einen anderen Charakter hat. „Das ist alles pure Natur und nachhaltig. Nur sehr selten musste Schnee aus Kanonen verwendet werden“, sagt Ex-weltklasse­pilot Christian Reich, der inzwischen für das Schweizer Fernsehen als Experte arbeitet. Doch immer häufiger bleibt das Weiß im November auch in den Alpen aus, die Wärmeperio­den werden länger. „Für die nächsten zehn Jahre mache ich mir noch keine Sorgen um unsere Bahn. Danach, wer weiß“, zuckt Reich mit den Schultern. Auch den Bob-könig Francesco

Friedrich treibt die Zukunft seines Sports um. Mit dem Satz, dass unsere Enkelkinde­r vom Bobsport nur noch aus Geschichts­büchern erfahren würden, sorgte der erfolgreic­hste

Bobfahrer aller Zeiten vor der WM für Aufsehen. Friedrich unterstütz­t seinen Bundestrai­ner, der jetzt Handeln einfordert. „Wir als deutscher Verband werden im nächsten Winter erst ab November ins Eis gehen, ein Trainingss­tart im September oder Anfang Oktober ist einfach nicht mehr zeitgemäß in der Energiekri­se.“Spies wünscht sich wegen der deutschen Weltcup-nominierun­gsrennen einen späteren internatio­nalen Saisonstar­t.

Das sehe er nicht, meint der Schweizer Reich. „Anfang November sind die Hotel- und Transportp­reise in Amerika oder auch bei uns noch nicht so hoch. Der Kostenfakt­or ist vor allem für die kleineren Bob-nationen enorm wichtig“, sagt der Olympiazwe­ite von 2002, damals hinter Christoph Langen.

Bundestrai­ner Spies lobt Oberhof beim Energiespa­ren als Vorbild

Spies aber fordert zudem künftig an allen Bobbahnen Energie zu produziere­n, um einen Ausgleich zum hohen Verbrauch herzustell­en. „So wie das Oberhof gerade vormacht“, sagt der Bundestrai­ner. „Wenn man diese Möglichkei­ten nutzt, dann überleben wir auch“, so Spies.

Kritisch sieht Spies den ständigen Neubau von Bahnen für Olympische Spiele wo zuletzt in Sotschi, Pyeongchan­g und Peking neue Anlangen errichtet wurden, die jetzt meist leer stehen. Weil André Langes Triumph-piste von 2006 in Cesana nur noch Ruine ist, soll nun die Traditions­bahn von Cortina für die Spiele 2026 neu errichtet werden. „Aus Sportlersi­cht bin ich dafür“, meint Spies, der sich aber dafür ausspricht, bestehende Bahnen besser zu nutzen. Weltverban­dspräsiden­t Ivo Ferriani hofft jedenfalls, dass die neue italienisc­he Regierung die Zusage zum Bau für das Heimspiel in drei Jahren einhält.

Und in St. Moritz? Da kann man nur hoffen, dass auch in Zukunft das Eis im Winter nicht schmilzt.

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ROBERT MICHAEL / DPA Francesco Friedrich genießt die Sonne in St. Moritz, macht sich aber auch Gedanken über seinen Bobsport.

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