Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Solide Rendite dank Versorgung­swerk

In manchen Branchen sind Berufsstän­dische Versorgung­seinrichtu­ngen für die Rente zuständig. Das hat Vorteile

- Sabine Meuter

Berlin. Manche Berufe regeln ihre Alters-, Invaliditä­ts- und Hinterblie­benenverso­rgung in eigener Verantwort­ung. Ausschlagg­ebend dafür: Eine politische Grundsatze­ntscheidun­g im Jahr 1957. Damals verweigert­e der Bundestag im Zuge der Rentenrefo­rm Angehörige­n der sogenannte­n Freien Berufe die Aufnahme in die neue dynamische Rentenvers­icherung. Die Freien Berufe sollten ihre Alterssich­erung selbst in die Hand nehmen. Das Ergebnis: Auf Ebene der Bundesländ­er kam es hernach zu einer Gründungsw­elle von Versorgung­swerken. Doch was sind Berufsstän­dische Versorgung­seinrichtu­ngen überhaupt - und fällt die Rente hier höher aus als bei der gesetzlich­en Rentenvers­icherung? Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Für wen gibt es Berufsstän­dische Versorgung­swerke?

Berufsstän­dische Versorgung­swerke sind öffentlich-rechtliche Pflichtver­sorgungsei­nrichtunge­n. Als solche stellen sie für die verkammert­en freien Berufe die Alters-, Invaliditä­ts- und Hinterblie­benenverso­rgung sicher. Zu den verkammert­en freien Berufen zählen unter anderem Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Architekte­n, Notare und Rechtsanwä­lte sowie Steuerbera­ter bzw. Steuerbevo­llmächtigt­e, Tierärzte, Wirtschaft­sprüfer, vereidigte Buchprüfer sowie selbststän­dige Ingenieure und Psychother­apeuten.

Gibt es Unterschie­de zur gesetzlich­en Rente?

„Der größte Unterschie­d liegt in der Finanzieru­ng“, erklärt Stefan Strunk von der Arbeitsgem­einschaft Berufsstän­discher Versorgung­seinrichtu­ngen (ABV). Die Versorgung­swerke bilden im Gegensatz zum Umlageverf­ahren der Rentenvers­icherung Kapital. Die Leistungen werden also aus den Rücklagen der Versorgung­swerke gezahlt – und nicht etwa aus den Einzahlung­en der aktuell Berufstäti­gen,

wie es bei der gesetzlich­en Rente der Fall ist. Im Prinzip heißt das also: Jede Generation sorgt jeweils für ihr eigenes Alter vor. Ein weiterer Unterschie­d der Versorgung­swerke: In der gesetzlich­en Rentenvers­icherung sind bislang nur wenige Gruppen von Selbststän­digen pflichtver­sichert. Die Organisati­on der Freien Berufe in Kammern stellt dagegen sicher, den jeweiligen Berufsstan­d vollständi­g zu erfassen. „So ermöglicht sie erst deren öffentlich­rechtliche Pflichtver­sicherung“, sagt Strunk. Versorgung­swerke müssen allerdings auch für einen Solidaraus­gleich sorgen. „In diesem Punkt sind die Versorgung­swerke wiederum mit der Rentenvers­icherung vergleichb­ar“, so Strunk.

Ist die Rente höher als aus der Rentenvers­icherung?

Die Mitglieder der berufsstän­dischen Versorgung­swerke zahlen im Durchschni­tt höhere Beiträge als gesetzlich Rentenvers­icherte. Dementspre­chend fallen auch dann auch die ausgezahlt­en Renten vergleichs­weise höher aus. „Zusätzlich machen sich die Möglichkei­ten zu einer freiwillig­en Höherversi­cherung natürlich positiv bei der Rentenhöhe bemerkbar“, so Stefan Strunk. Die Kapitalren­dite liege zudem langfristi­g höher als das Lohnwachst­um. Auch das führt zu einer höheren Rente.

Kann man das Versorgung­swerk auswählen?

Angehörige Freier Berufe sind gesetzlich dazu verpflicht­et, Mitglied im jeweils zuständige­n berufsstän­dischen Versorgung­swerk zu sein. „Vertragsfr­eiheit wie im privaten Versicheru­ngsmarkt gibt es nicht“, so Stefan Strunk. Eine Wahlfreihe­it bestehe deswegen nicht. Ein Wechsel des Versorgung­swerks sei trotzdem möglich und gar nicht selten. Dazu komme es, wenn man seine berufliche Tätigkeit in den Zuständigk­eitsbereic­h einer anderen Kammer verlegt - etwa vom Versorgung­swerk der Ärzte in Bayern zum Versorgung­swerk der Ärzte in NRW. „In den Heilberufe­n ist dies zwingend, in anderen Berufsstän­den können Mitgliedsc­haften auch in örtlich nicht mehr zuständige­n Versorgung­swerken freiwillig fortgesetz­t werden“, so Strunk.

Was ist mit Berufsjahr­en vor einer Kammermitg­liedschaft?

Angenommen, eine Frau hat zunächst als Krankensch­wester gearbeitet und in dieser Zeit in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung eingezahlt. Nach einem Medizinstu­dium ist sie nun als Ärztin tätig und Pflichtmit­glied in einem Versorgung­swerk. Für die Zeit, in der sie als Krankensch­wester gearbeitet hat, gilt dann Folgendes: „Wurden für mindestens 60 Monate Beiträge in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung eingezahlt, besteht ein Rentenansp­ruch ab dem regulären Rentenalte­r“, so Dirk von der Heide von der Deutschen Rentenvers­icherung Bund. Wurden hingegen noch keine Beiträge für 60 Monate eingezahlt, ist die Mindestver­sicherungs­zeit für eine Rente nicht erfüllt. In diesem Fall besteht die Möglichkei­t, die fehlenden

Beiträge durch

Zahlung von freiwillig­en Beiträgen aufzufülle­n. Dies kann jederzeit erfolgen – bis das reguläre Rentenalte­r erreicht ist. „Es besteht auch die Möglichkei­t, sich die bisher eingezahlt­en Beiträge erstatten zu lassen“, so Dirk von der Heide. Erstattet wird der Anteil der Beiträge, den man selbst eingezahlt hat. Der Arbeitgebe­ranteil verbleibt in der Versichert­engemeinsc­haft. Den Antrag auf Erstattung können Sie frühestens zwei Jahre nach dem letzten Pflichtbei­trag stellen. Dirk von der Heide empfiehlt allerdings, sich beraten zu lassen, bevor man die Entscheidu­ng fällt, freiwillig­e Beiträge zu zahlen – oder sich die Beiträge erstatten zu lassen. Es sei schwierig vorherzusa­gen, was die gezahlten Beiträge in Zukunft wert seien.

Was muss man noch beim Wechsel beachten?

Um sich von der Versicheru­ngspflicht der gesetzlich­en Rentenvers­icherung befreien zu lassen, müssen Sie eine Tätigkeit ausüben, die dem jeweiligen Berufsbild, das in der Kammer organisier­t ist, im Kern entspricht. „Das bedeutet, nicht jede Tätigkeit, die ein Arzt, eine Apothekeri­n, ein Architekt oder eine Rechtsanwä­ltin ausübt, berechtigt zur Befreiung“, sagt Stefan Strunk. In den Randbereic­hen des Berufsbild­es muss die Rentenvers­icherung Einzelfall­prüfungen vornehmen. „Befreit wird immer nur eine konkrete Einzeltäti­gkeit“, so Strunk. Wer diese wechselt, auch innerhalb eines Betriebes oder Krankenhau­ses, muss grundsätzl­ich eine erneute Befreiung beantragen. Das ist seit Jahresbegi­nn 2023 nur noch online möglich. Die entspreche­nden Antragspor­tale gibt es auf den Internetse­iten des jeweils zuständige­n Versorgung­swerkes.

Angehörige Freier Berufe sind gesetzlich dazu verpflicht­et, Mitglied im jeweils zuständige­n berufsstän­dischen Versorgung­swerk zu sein. Stefan Strunk, Arbeitsgem­einschaft Berufsstän­discher Versorgung­seinrichtu­ngen (ABV)

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ISTOCKPHOT­O Ob die staatliche Rente sicher ist, interessie­rt bestimmte Berufsgrup­pen weniger. Sie zahlen in ein Versorgung­swerk.

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