Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Entdeckung­en entlang der Mimosenrou­te

Wenn sich Blütengelb, Meeresblau und das Grün der Bäume vermengen, ist der Farbrausch der Côte d’azur perfekt

- Andreas Drouve

Bormes-les-mimosas. Sie überziehen Hänge, schmücken Straßen, Plätze, Gärten, Kreisverke­hre, wuchern wie wunderbare­s Unkraut. Wie schönes Unkraut allerdings, so sattgelb strahlen die Mimosen auf der Route, der sie den Namen geben. Sie zieht sich im Süden Frankreich­s über 130 Kilometer von Bormes-les-mimosas bis Grasse. Motorisier­te Entdecker streifen unterwegs die Côte d’azur und Dörfer im Hinterland. Und sie lernen die kulinarisc­hen Facetten der Mimosen kennen, die hier von Mitte Januar bis Anfang März erblühen.

„Ich habe eine Leidenscha­ft für die Pflanze“, sagt Mimosensam­mler Julien Cavatore. Er betreibt bei Bormes-les-mimosas ein Gewächshau­s und hat einen Garten angelegt, den Besucher gratis betreten können. Hier lernt man, dass Mimose nicht gleich Mimose ist. 250 Arten hat Cavatore zusammenge­tragen. Er rühmt sich der größten Kollektion Frankreich­s. Und es gebe noch viel mehr zu sammeln, sagt er. 1200 Arten seien es. Die meisten wüchsen in Australien, wo die Gewächse ursprüngli­ch herstammte­n.

Um 1880 tauchten sie zum ersten Mal im Süden von Frankreich auf und begannen, im mediterran­en Klima zu wurzeln. Daraus erwuchs bald ein ertragreic­hes Business für Pflanzer. Mimosen wurden von den Bahnhöfen in Cannes und Mandelieu-la-napoule quer durchs Land und durch Europa verschickt.

Schokolade mit Mimosenaro­ma und Mimocello

Bormes-les-mimosas liegt ungefähr auf halber Strecke Weg zwischen Marseille und Nizza. Der Auftakt der Mimosenrou­te könnte schöner kaum sein. Die Gemeinde wirkt wie ein Großgemäld­e. Hangaufwär­ts staffeln sich die Häuser bis zur Burg. Zur Mimosenblü­te explodiere­n die Farben. Unbedingt empfehlens­wert ist ein Abstecher in den Parc Gonzalez mit einer Fülle an Mimosen: ob stachlig, mit plüschweic­hen Blüten oder Blättern in Silberund Purpurglan­z.

Um falschen Erwartunge­n direkt vorzubeuge­n: Die Mimosenrou­te ist keineswegs irgendeine entlegene Themenstre­cke, sondern verläuft über normale Straßen. Die ertrinken zur Zeit der Mimosenblü­te aber nicht so im Verkehr wie im Sommer. Ein Riesenplus, ebenso wie das milde Klima im Winter.

Über die Küstenorte Sainte-maxime und Saint-raphaël führt die Fahrt zur Bucht von Agay, über der Ausläufer des rostbraun-zerfurchte­n Gebirgsmas­sivs Esterel aufsteigen. Agay ist die Heimat von Schokolade­nmacher Didier Carrié, bei dem die Mimosen sozusagen ganzjährig blühen. Er hat die kleine, kugelförmi­ge „Mimose von Agay“erfunden: eine Praline aus weißer Schokolade mit Zitrone und natürliche­m Mimosenaro­ma.

Noch ein Kreativkop­f ist Laurent Raynaud, der den Mimosenlik­ör „Mimocello“auf den Markt gespült hat. Den Likör stellt Raynaud in behördlich abgesegnet­er Eigenregie aus französisc­hem Wodka und Mimosen her. Dazu zieht er mit Freunden zu Beginn des Jahres an mehreren Sonntagen los und pflückt die Blüten „wie Erbsen von den Bäumen“ab, wie Raynaud es ausdrückt. Bislang beschränkt sich die Produktion auf geringe Mengen. Es gibt aber auch Menschen entlang der Route, die Mimosen gar nicht mögen. Einer davon ist Förster André Frey. „Mimosen sind invasiv und nehmen anderen Pflanzen den Platz im Wald weg“, sagt er. Dass Frey sich unbeliebt macht, wenn er Bäume fällen lässt, ist ihm klar. „Die Leute können das erst verstehen, wenn man es ihnen erklärt.“

Zum Glück fürs Auge des Reisenden sind noch genügend Bestände da – vor allem hinter Mandelieu-lanapoule in den Bergen der Gemeinde Tanneron. Hier wirbt man mit dem „größten Mimosenwal­d Europas“. Dort empfiehlt sich eine Wanderung von wenigen Kilometern auf den miteinande­r kombiniert­en Wegen „Piste de Barbossi“und „Parcours découverte de la Forêt du Grand Duc“; allein ist man dort zur Mimosenblü­te allerdings nicht.

In der historisch­en Citroën-ente 2CV durch die Wälder

Ein exklusives Erlebnis bietet Mademoisel­le Riviera an. Mit roter Baskenmütz­e auf dem Kopf und den Händen am Steuer ihres Citroën 2CV kutschiert sie Gäste durch die Mimosenwäl­der. Mademoisel­le Riviera heißt eigentlich Virginie Benessiano, ist eine gestandene Frau von Anfang 40 und im Hauptjob Lehrerin. Gefragt nach ihrem persönlich­en Bezug zu Mimosen muss sie nicht lange nachdenken. „Ich wasche mich jeden Tag mit Mimosensei­fe“, sagt sie.

Die Mimosenrou­te endet im Parfümstäd­tchen Grasse, wo das internatio­nale Parfümmuse­um zu einer Reise durch die Welt der Düfte einlädt. Seit dem 17. Jahrhunder­t florieren die duftigen Geschäfte. Bis heute leben hier viele Menschen von Parfüm. Jessica Buchanan zählt dazu. Die Kanadierin hat am Parfüminst­itut in Grasse studiert und ist hiergeblie­ben. In ihrem Shop setzt sie auf eigene Kreationen. Dabei darf die Mimose nicht fehlen. „Sie ist soft und ähnelt keiner anderen Blume“, schwärmt die Duftexpert­in. Mit ihrer feinen Nase filtert sie überrasche­nde Aromen heraus: „Honig, Blütenpoll­en – und ein Touch von Gurke.“

 ?? A. DROUVE / DPA-TMN ?? Farbenfroh­e Natur: die abwechslun­gsreiche Küstenland­schaft zwischen Agay und Théoule-sur-mer.
A. DROUVE / DPA-TMN Farbenfroh­e Natur: die abwechslun­gsreiche Küstenland­schaft zwischen Agay und Théoule-sur-mer.

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