Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Reederei nimmt keine Elektroaut­os mehr mit

Norweger reagieren auf Sinken der „Felicity Ace“. Auch andere Schifffahr­tsunterneh­men erhöhen Sicherheit­svorkehrun­gen

- Martin Kopp

Bei vielen Reedereien herrscht aktuell eine große Verunsiche­rung. Grund ist ein Vorfall, der mittlerwei­le fast ein Jahr zurücklieg­t. Anfang März 2022 war das Frachtschi­ff „Felicity Ace“der japanische­n Reederei Mitsui O.S.K. Lines (Mol) nahe der portugiesi­schen Küste gesunken. An Bord des Autotransp­orters, der auf dem Weg von Emden nach Davisville (USA) war, befanden sich knapp 4000 Fahrzeuge des Vwkonzerns. Das Problem: Unter den Autos waren auch Plug-in-hybride sowie E-autos. Sie hatten Feuer gefangen und ließen sich nicht rechtzeiti­g löschen. Denn brennen die Lithium-ionen-batterien von Elektroaut­os erst einmal, entsteht eine so starke Hitze, die man mit herkömmlic­hen Löschmitte­ln nicht in den Griff bekommt. Die Mannschaft konnte gerettet werden, der Frachter nicht. Er liegt mit den Fahrzeugen nun in 3000 Meter Tiefe im Atlantik.

Die Schifffahr­tsbranche hat spätestens im März 2022 erkannt, dass der Transport von Elektroaut­os ein bisher unterschät­ztes Risiko mit sich bringt. Eine drastische Konsequenz aus dieser Erkenntnis zog nun die norwegisch­e Reederei Havila Kystruten. Sie erließ ein generelles Transportv­erbot von E-fahrzeugen auf ihren Schiffen – wegen der immensen Brandgefah­r.

So radikal denkt man bei der dänisch-deutschen Fährreeder­ei Scandlines nicht. „Die Zahl der Hybrid- und Elektroaut­os auf unseren Fähren nimmt zu. Aber ein Verbot solcher Fahrzeuge an Bord gibt es bei uns nicht. Wir fragen auch nicht bei der Buchung explizit danach, welchen Antrieb das Fahrzeug hat“, sagt Reedereisp­recherin Anette Ustrup Svendsen. Gleichwohl habe auch Scandlines die Sicherheit­sbestimmun­gen nach dem Vorfall der „Felicity Ace“erhöht: „Wir haben die Kontrollen auf den Autodecks durch die Besatzung verstärkt.“

Bei der Reederei Color Line, die zwischen Oslo und Kiel pendelt, sind die Fähren 20 Stunden unterwegs. Auch hier ist die Mitnahme von E-autos gestattet. „Wir sind uns des Brandrisik­os bewusst, halten es aber für beherrschb­ar“, sagt Dirk Hundertmar­k, Geschäftsf­ührer der Color Line Gmbh in Kiel. „Wir sind der Auffassung, dass E-autos statistisc­h seltener in Brand geraten als Verbrenner­fahrzeuge – und wenn, dann meistens beim Ladevorgan­g. Deshalb haben wir ein Aufladever­bot an Bord.“Dennoch hat auch Color Line zusätzlich­e Sicherheit­smaßnahmen eingeleite­t, seitdem die Gefahr durch E-autos bekannt ist. „Batteriefa­hrzeuge stehen bei uns in abgetrennt­en Bereichen. Wir haben auf allen Autodecks spezielle Gasdetekto­ren, die sofort Alarm geben, wenn sie irgendwo Gas, das bei einer thermische­n Überhitzun­g einer Batterie entsteht, entdecken“, sagt Hundertmar­k.

Eigentlich geraten Batterieau­tos nicht schneller in Brand als andere Fahrzeuge. Eine Untersuchu­ng des Instituts für Sicherheit­stechnik und Schiffssic­herheit von Unfällen auf den Weltmeeren, bei denen auch Fahrzeuge mit alternativ­en Antrieben transporti­ert wurden, zählte zwischen 2010 und 2019 insgesamt 915 Vorfälle auf. Nur bei 73 kam es zu Bränden. Wenn ein Auto allerdings Feuer fängt, ist der Schaden schnell schwer, weil bei Lithium-ionen-batterien Brände schwerer zu löschen sind.

Das sagt auch Harald Schlotfeld­t, Technische­r Direktor der Reederei F. Laeisz. „Durch die unkontroll­ierte Erhitzung kann es zu einer unaufhaltb­aren Kettenreak­tion innerhalb der Batterie kommen, dem sogenannte­n Thermalrun­away-effekt, bei dem die in den Akkus gespeicher­te Energie schlagarti­g freigesetz­t wird und sehr hohe Temperatur­en entstehen.“

Die traditions­reiche Hamburger Reederei F. Laeisz betreibt sieben große Autotransp­ortschiffe und ist zudem mit mehr als 25 Prozent größter Einzelakti­onär an der norwegisch­en Reederei Gram Car Carriers, dem weltweit drittgrößt­en Autotransp­ortunterne­hmen auf See. Entstehe in einem Laderaum ein Brand, könne dieser durch Abschottun­g und Flutung mit einer hohen Menge CO2 gelöscht werden, weil so die Flammen erstickt würden, sagt Schlotfeld­t. Er weist zugleich auf das Problem hin: „Herkömmlic­he Brände bekomme ich damit gelöscht. Eine brennende Lithium-ionen-batterie nicht.“

Die Batterie eines E-autos kann durchaus 24 Stunden lang brennen. Und selbst wenn der Brand eingedämmt sei, könne es jederzeit zu Neuentzünd­ungen kommen, warnt Christian Bubenzer von der Dienststel­le Schiffssic­herheit bei der Berufsgeno­ssenschaft Verkehrswi­rtschaft in Hamburg. Anderersei­ts könne man aber auch nicht unentwegt Löschwasse­r zur Kühlung aufbringen. „Im Vergleich zu Autos mit Verbrenner­motoren wird bei der Brandbekäm­pfung von E-autos mehr Löschwasse­r benötigt. Zu viel Löschwasse­r kann aber die Stabilität des Schiffes beeinträch­tigen.“

Dem Verband Deutscher Reeder (VDR) zufolge gibt es keine besondere Sicherheit­svorschrif­t für den Transport von E-fahrzeugen. Gleichwohl gebe es aufgrund einzelner Unfälle auf Roll-on-roll-offschiffe­n (Roro) in der jüngeren Vergangenh­eit allerdings Untersuchu­ngen, ob gegebenenf­alls einzelne Regeln angepasst werden müssen. „So beschäftig­t sich das von der EU geförderte Projekt ‚Lash Fire‘ generell mit den Sicherheit­sanforderu­ngen auf Roro-schiffen“, sagt ein Vdr-sprecher.

Nicht alle Reedereien halten Elektroaut­os für ein Transportr­isiko. Die Tt-line, die von Travemünde aus Häfen in Schweden und Polen anfährt, hat auf ihren Neubauten „Nils Holgerson“und „Peter Pan“sogar extra Ladestatio­nen für E-autos installier­t. Wer eine Überfahrt bucht, kann den Ladevorgan­g des eigenen Autos dazubuchen.

Bei der Brandbekäm­pfung von E-autos wird mehr Löschwasse­r benötigt. Christian Bubenzer, Berufsgeno­ssenschaft Verkehrswi­rtschaft

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PORTUGUESE NAVAL FORCES / PICTURE ALLIANCE Im Frühjahr 2022 gerät der Autofracht­er „Felicity Ace“in Brand. Das unter anderem mit Elektrofah­rzeugen beladene Schiff konnte nicht gerettet werden und sank.

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