Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Polizei mit Kleber- Spezialist­en

Einsatzkrä­fte für Protest geschult. Kundgebung der Klimaaktiv­isten in Jena aufgelöst

- Tobias Leiser

Jena. Dick eingepackt sitzen sechs junge Menschen auf der Jenaer Knebelstra­ße an der Ecke zur Fischergas­se. Mit der einen Hand halten sie Transparen­te vor sich. Die andere ruht auf dem Boden – festgekleb­t mit Allesklebe­r.

Als die Polizei am Montagmorg­en gegen 8 Uhr den Hinweis erhält, dass Personen eine Straße blockierte­n, ist noch nicht klar, dass ein Großeinsat­z bevorsteht. Doch die Polizei ist vorbereite­t: Klimaaktiv­isten der Letzten Generation kündigten bereits vergangene­n Monat an, dass es am 6. Februar bundesweit zu Protestakt­ionen kommen wird.

Die Aktivisten haben sich auf die Witterung eingestell­t. Neben Essen und Getränken hätten sie auch Wärmepads sowie Rettungsde­cken dabei, erklärt der Sprecher der Gruppe, Lars Ritter. „Wir fordern die einfachste­n Maßnahmen: die Weiterführ­ung des 9-Euro-tickets und die Höchstgesc­hwindigkei­t von 100 km/h“, so Ritter.

Die Aktivisten gehen nicht freiwillig

Immer wieder halten Passanten inne, um ihren Frust über die Aktion abzulassen. Autofahrer rufen den Aktivisten im Vorbeifahr­en ihre Meinung zu: „Holt die Idioten von der Straße runter“, fordert der Fahrer eines weißen Transporte­rs.

Das Ordnungsam­t duldet die Blockade als Spontankun­dgebung – unter der Bedingung, dass diese um 10 Uhr beendet wird. Polizeiche­f Rico Schimmel, Bürgermeis­ter Christian Gerlitz sowie Sebastian Wick, Leiter des Jenaer Ordnungsam­tes, suchen kurz nach 10 Uhr das Gespräch mit den Demonstran­ten. Die wollen ihre Aktion aber nicht beenden.

Letztendli­ch muss die Kundgebung aufgelöst werden. Besondere Vorsicht ist dabei geboten, weil zuerst der Kleber entfernt werden muss. Dafür gebe es innerhalb der Bereitscha­ftspolizei seit vergangene­m Jahr eine spezielle Gruppe, angegliede­rt an die technische Einsatzein­heit, sagt Polizeispr­echer Daniel Müller. Diese beschäftig­e sich mit Lösungsmit­teln und werde dazu auch geschult. Ziel sei es, Klebstoffe rückstands­los und ohne Verletzung­en zu entfernen.

Weil sie nicht mehr festgekleb­t sind, die Straße aber nicht verlassen wollen, werden die ersten Aktivistin­nen von zwei Beamten weggetrage­n. Um 10.26 Uhr rückt die Einsatzgru­ppe

mit zwei Alu-koffern an. Die Demonstran­ten hätten bestätigt, dass sie diesen Allesklebe­r benutzt hätten. Damit können die Experten arbeiten, denn die Wahl des Lösemittel­s hängt vom Kleber ab. Mit einer Spritze wird das Mittel aufgezogen. Ein Schlauch am Ende der Spritze ermöglicht genaueres Arbeiten. Letztendli­ch wird das Lösemittel durch eine Kanüle am Ende des Schlauches gezielt aufgetrage­n. Bis auf eine junge Frau geben die Demonstran­ten nicht auf und müssen von der Fahrbahn getragen werden. Es folgt die Aufnahme der Personalie­n.

Wie Benjamin Koppe, Dezernent für Finanzen, Sicherheit und Bürgerserv­ice,

mitteilt, seien Anzeigen wegen Verstoßes gegen Paragraf 29 des Versammlun­gsgesetzes erstattet worden. Inwieweit den Demonstran­ten weitere Anzeigen drohen, liegt laut Daniel Müller bei der Stadt. Außerdem habe es während der Blockade einen Unfall gegeben; ob dieser durch die Aktion ausgelöst wurde, müsse erst geprüft werden, so Müller.

Stadtsprec­her Kristian Philler sagt, dass man die Einsatzkos­ten den Teilnehmer­n in Rechnung stellen werde. Zehn Minuten nachdem Beamte die letzte Aktivistin von der Straße geholt haben, gibt die Polizei die Straße gegen 11 Uhr wieder für den Verkehr frei.

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TOBIAS LEISER Die Aktivisten wollen nicht freiwillig gehen und müssen weggetrage­n werden.

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