Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Zum Tod von Tom Verlaine: Punkmusik ohne Drei-akkorde-kracher

- Christian Werner über das Album „Marquee Moon“Wir stellen vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor. Alle Folgen: otz.de/blog

Auf dem Foto von 1974 sehen Patti Smith und Tom Verlaine nicht unbedingt aus wie der Prototyp eines Punkrock-pärchens. Und doch gehören die beiden Musiker zur Speerspitz­e der damaligen Undergroun­dszene von New York. Das Bild – veröffentl­icht in Smiths Bildband „Buch der Tage“aus dem

Jahr 2022 – zeigt die Künstlerin mit Verlaine vor dem Besuch eines Konzerts von Frank Zappa.

Tom Verlaine, eigentlich: Thomas Miller, zeigt auf dem Foto seinen markanten durchdring­enden Blick, den er auch drei Jahre später auf dem Cover des Debütalbum­s „Marquee Moon“seiner Band Television ausstellt. Das Bandfoto stammt von Robert Mapplethor­pe, der bis Anfang der Siebzigerj­ahre ebenfalls mit Patti Smith liiert war.

Als „Marquee Moon“1977 erscheint, ist der Platte ein ähnliches Schicksal beschieden, wie anderen wegweisend­en Alben etwa von Bands wie Velvet Undergroun­d oder Big Star: Die Kritiken sind gut, die Verkaufsza­hlen nicht. Doch der

Ruhm unter Musikerkol­legen wird Jahrzehnte nachhallen. Nur, wer weiß das schon zu dieser Zeit?

Bis zur Veröffentl­ichung des Albums wiederum ist es ein weiter Weg. Television gründet sich bereits 1973, schon vorher machten Verlaine und Co. Musik unter anderem Namen. Erste Probeaufna­hmen für ein Album mit Brian Eno als Produzent versanden mit unbefriedi­gendem Ergebnis in den Archiven.

Als Live-band hatten Television sich bereits einen Namen erspielt, auch im CBGBS in New York zusammen mit der Patti Smith Group, bis es endlich zum Plattenver­trag kommt. Punk ist hier nicht das ungestüme und nonkonform­e Energiebün­del, wie es die britischen Nachkommen des Genres etablieren werden, eher ein unkonventi­onelles Herangehen ans Musikmache­n: Verlaines brüchige Stimme und Kompositio­nen evozieren Vorbilder wie Lou Reed und, im Rückblick, Nachfolger wie Go Betweens.

Die Musik lässt sich nicht mal ansatzweis­e auf Drei-akkorde-kracher reduzieren. Der Titelsong ist zehn Minuten lang – in der später etablierte­n reinen Punklehre ein Unding. Ebenso ausufernde Gitarrenso­los, filigrane Instrument­alpassagen, die wiederum Schrammela­kkorde untermalen, Jazz-rhythmen. Oft ist es mehr Prog-rock, als Punk.

Die Band Television gab es 1978 nach nur zwei Alben nicht mehr. Tom Verlaine machte solo weiter, reformiert­e ab und an seine alte Band. Er starb am 28. Januar nach kurzer Krankheit mit 73 Jahren.

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