Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Greiz wird international bekannt
Artikel zur Jugendstilarchitektur erscheint zweisprachig in europaweit veröffentlichtem Magazin
Greiz. Ein bisschen Gänsehaut hatte Jaqueline Bräunlich schon, als sie die neue Ausgabe des internationalen Jugendstilmagazins „Coup De Fouet“erstmals in den Händen hielt. Denn ein Hauptartikel des Magazins beschäftigt sich mit der Greizer Jugendstilarchitektur.
„Greiz hat ein vollständiges Jugendstil-quartier, das es in dieser Ausprägung in Thüringen nicht noch einmal gibt“, sagt Jaqueline Bräunlich von der Tourist-information Greiz. Sie betreut das Jugendstil-projekt der Stadt.
Weil es 1902 zu einem verheerendem Brand in Greiz kam, bei dem viele Gebäude im Zentrum der Stadt zerstört wurden, musste neu aufgebaut werden. Platz für ein ganzes Quartier im Stile der „neuen Kunst“, „Art nouveau“, wie der Jugendstil im Französischen genannt wird, war da und die Greizer Industriellen hatten die finanziellen Mittel dafür. „Es entstand binnen kurzer Zeit, von 1903 bis 1907, ein zusammenhängendes Geviert aus zeitgemäßen Wohn- und Geschäftshäusern mit engen Lichthöfen. Das Jugendstilquartier wird durch sogenannte ,Durchgangshäuser’ geprägt, das heißt, dass ihre Fassaden in beiden Straßen weitestgehend übereinstimmen. Zur Schmuckfassade in Richtung Marktstraße gibt es eine Pendantfassade in Richtung Thomasstraße“, berichtet Stadtplanerin Katja Lux. Bräunlich und Lux arbeiten gemeinsam an einer Publikation zur Greizer Jugendstilarchitektur in Buchform. „Seit einem Jahr arbeiten wir daran“, so Bräunlich. Beide wühlen sich durch die originalen Bauakten und Archive, vergleichen, wälzen Fachliteratur und fertigen Fotos von Details und Jugendstilhäusern für die Publikation an.
„Anfangs sollten es 64 Seiten werden. Das Ziel haben wir schon lange überschritten. Es läuft wohl auf weit mehr als 100 Seiten hinaus“, verrät Bräunlich. Beide brennen für den Jugendstil in Greiz. Eine Herzensangelegenheit sei das.
Umso mehr freue es sie, dass die Greizer Jugendstilarchitektur in dem renommierten zweisprachigen Magazin „Coup De Fouet“einen so großen Platz einnehmen durfte. Geschrieben
hat den Artikel Jaqueline Bräunlich. Anschließend wurde er ins Spanische und Englische übersetzt.
Schutz des Jugendstilerbes
Erstmals erschien die renommierte Jugendstil-zeitschrift „Coup De Fouet“2003, die von der Art Nouveau European Route herausgegeben wird. Seit dem Jahr 2000 besteht diese gemeinnützige Vereinigung von Kommunalverwaltungen und Interessengemeinschaften mit Sitz in Barcelona. Diese widmet sich dem weltweiten Schutz des Jugendstilerbes. Doch wie kam es zu einer Zusammenarbeit mit Greiz?
Die Stadt verschrieb sich der Vermarktung dieser architektonischen Besonderheiten. Einer Einladung von „Phare“, einem finanziellen Förderprogramm der EU, zur Veranstaltung „Ecos ouverture Partenariat“in Budapest folgend, konnte die Stadt erste Kontakte knüpfen. Kurze Zeit später wurde Greiz zur Gründung der „Ruta del Modernisme“nach Barcelona eingeladen und Greiz wurde in den Reigen des schützenswerten Jugendstilerbes aufgenommen. Auf dem Boulevard Passeig de Gracia in Barcelona, vor dem Haus Nr. 41 – einem Gebäude des namhaften Architekten Antoni
Gaudi – wurde ein messingfarbenes Medaillon in den Bürgersteig eingelassen. Inmitten von namhaften Städten wie Brüssel, Paris, Glasgow oder Wien ist Greiz verewigt.
Seit dem Frühjahr 2020 forscht Jaqueline Bräunlich gemeinsam mit Katja Lux zum „Jugendstilprojekt der Stadt Greiz“und sie haben so manche Überraschung zutage gefördert. „Zum Beispiel die, dass der renommierte Leipziger Architekt Paul Lange (1853-1932) auch in Greiz tätig war. Zu seinen bekanntesten
Bauwerken zählt das Messeund Geschäftshaus der ehemaligen Firma Riquet & Co. AG in der Leipziger Innenstadt, erbaut 1908/09. Es gilt als eines der bedeutendsten Bauwerke des Jugendstils in Leipzig“, sagt Katja Lux.
Im Juni 2024 soll das Buch zum Greizer Jugendstil veröffentlicht werden. Bekannte und unbekannte Jugendstilperlen werden darin vertreten sein. Auch die Lebenswerke namhafter Greizer Architekten sollen gewürdigt werden.