Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
„Töpfern ist wie ein Tag Urlaub“
Besucher der Keramikwerkstatt Schinnerling erleben die Magie des Tonformens hautnah
Sanfte Hände gleiten über die feucht-glitschige Masse. Tiefe Konzentration. Die Töpferscheibe dreht ihre Runden. „Oh, jetzt eiert es“, sagt Claudia Mischke. Sie ist zum Tag der offenen Töpfereien in die Keramikwerkstatt Mechthild Schinnerling in Zeulenroda gekommen.
„Warte, ich zentriere.“Die Töpfermeisterin Mechthild Schinnerling eilt herbei. Ihre geübten, stets mit Ton befeuchteten Hände greifen ein. Zack, der Tonklumpen sitzt genau in der Mitte. Claudia Mischke zieht vorsichtig den Ton nach oben. „Das ist immer wieder faszinierend, wie aus dem Klumpen Erde plötzlich ein Gefäß wächst“, sagt die Geraerin. Sie kenne Mechthild schon lange. „Wir haben uns auf dem Töpfermarkt in Gera kennengelernt. Sie ist so eine herzliche Person“, sagt Claudia Mischke. „Ein richtiger Herzensmensch“, ergänzt ihre Freundin Annett Wahner, die sich später auch an die Töpferscheibe setzen wird.
Meisterin punktet mit Charme und ihrer Liebe zum Töpfern
Die Keramikwerkstatt atmet geradezu die positiv entspannte Energie aus. Die Gesichter der Menschen wirken entrückt. Keine Zornesfalten. Konzentration auf das Formen mit den Händen. In sich gekehrt, arbeitet Claudia Mischke an ihrer bauchigen Tasse. Sie braucht noch einmal die erfahrenen Hände der Töpferin. „Pass auf, dass es nicht zu dünn wird. Für das Ausbauchen brauchst du noch eine gewisse Tonstärke“, sagt Mechthild Schinnerling. Sie zieht die Tasse nach oben. Den letzten Schliff aber legt sie zurück in die Hände ihrer Besucherin. „Töpfern ist wie ein Tag Urlaub“, sagt die Geraerin. Wieder allseitige Zustimmung der Töpfernden.
Jedes gedrehte Besuchergefäß bekommt ein Zettelchen mit dem Namen. „Die Scherben müssen noch eine Weile trocknen, bevor sie in den Ofen wandern“, erklärt die Töpfermeisterin. Als Scherben bezeichnet man das ungebrannte Töpfergut. Danach werden sie noch mit der für die Töpferei typischen blaugrau gemaserten Glasur versehen.
„Ach, das ist meine Lieblingsfarbe. Die strahlt so viel Ruhe aus“, sagt Annett Wahner aus Gera. Jetzt sitzt sie an der Töpferscheibe. „So, jetzt
gib mal Gas, sodass es richtig schnurrt“, sagt die Töpfermeisterin und meint die Drehzahl der Scheibe. Beim Hochziehen des Tons
braucht es eine gewisse Geschwindigkeit. „Wenn es darauf ankommt, halte ich die Luft an. Dann habe ich eine ruhige Hand“, sagt Mechthild
Schinnerling. Seit 23 Jahren ist sie selbstständig. „Beim Töpfern brauche ich Ruhe und ich bekomme den Kopf frei. Das sagen auch viele Besucher, die zum Töpfern kommen.“An diesem Wochenende werden es gut 200 Besucher sein, die die Töpfermeisterin besuchen und das ein oder andere Teil mit nach Hause nehmen.
Auch die Leiterin des Kinder- und Jugendballetts Kess aus Zeulenroda, Ramona Schneider, schaut gebannt zu, wie aus dem hellen Ton Gefäße wachsen. Jetzt ist sie an der Reihe. Einmal nicht den Ton angeben müssen wie beim Kess-ballett, sondern ganz in das Formen mit den Händen versinken. Ruhe pur.
Nebenan werkeln am Kindertisch gerade nur Erwachsene. Formen Osterschmuck oder Vasen. Einer von ihnen sticht heraus, der einzig männliche, der sich dem Tonformen hingibt. Es ist Paul Riedel aus Berlin. Er hat auch sonst oft Erde an den Händen, denn er ist Gärtner.
Mechthild Schinnerling ist seit 23 Jahren selbstständig
Auch der Verkaufsraum im Garten, in dem sich Tassen, Vasen, Töpfe, Teller stapeln, in mehr als gut besucht. Menschen schieben sich durch die schmale Tür aneinander vorbei. Mathias Schinnerling hat alle Hände voll zu tun beim Einwickeln und Abkassieren. Er erklärt geduldig alle technischen Fragen rund um Tonherkunft, Töpferofen und Glasuren.
Ja, die Preise. Er holt tief Luft. Die seien gestiegen. „Geht nicht anders, weil sich der Preis für die Energie mehr als verdreifacht hat und auch die Rohstoffpreise durch den Krieg explodiert sind“, erklärt Schinnerling. Aber an diesem Tag scheint das für die Töpfereibesucher keine Rolle zu spielen. Nach und nach leeren sich die Regale. Eine Tasse oder Schüssel nach der anderen wandern in die Taschen der Besucher.
Gut so, denn die Kosten dieses Handwerks sind enorm und leben kann davon nur Mechthild Schinnerling. Ihr Mann ist nur mithelfender Ehemann und hat noch ein eigenes hauptberufliches Einkommen. „Anders würde es nicht funktionieren“, sagt Mathias Schinnerling.