Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Drei prächtige Gründerzei­t-villen in der Greizer Neustadt

Almut Kaul lädt zum Rundgang ein und erklärt die Bedeutung von Muscheln und Pinienzapf­en

- Tobias Schubert

Greiz. Wenn man mit der Greizer Gästeführe­rin Almut Kaul einen Rundgang durch die Stadt macht, wie es am Samstag, 6. April, wieder möglich war, dann ist das immer auch eine Zeitreise. Durch kaum etwas wird die schwierige Geschichte der Stadt so deutlich, wie an ihren Gründerzei­t-villen. Erbaut in der Blütezeit der Stadt und von reichen Fabrikante­nfamilien stehen die ehemaligen Prunkbaute­n heute stellvertr­etend für das Problem der Stadt mit ihren historisch­en Gebäuden: Manche sind aufwendig von ihren Eigentümer­n restaurier­t worden, andere sind noch im Dornrösche­nschlaf und warten auf Investoren, die den einstigen Glanz wieder herstellen wollen. Wir stellen drei Beispiele vor:

1. Villa Otto Albert jun., Rudolfbrei­tscheid-straße in Greiz 10

Eine der jüngsten Gründerzei­t-villen der Greizer Neustadt steht gleich an ihrem Anfang: die Villa Albert jun. in der Rudolf-breitschei­dstraße. Entworfen und gebaut wurde sie von den Architekte­n William Lossow und Max Kühne zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts. Sie haben auch an anderen Stellen ihren Fußabdruck hinterlass­en: Die Sparkasse in Greiz wurde von ihnen gebaut, genauso wie der Hauptbahnh­of in Leipzig oder das Schauspiel­haus in Dresden.

In Greiz waren sie hauptsächl­ich für die schwerreic­he Fabrikante­nfamilie Albert tätig, die mehrere Villen im Stadtgebie­t besaß. Prunkvoll ist das Haus, das gleich mehrere Stile widerspieg­elt: die vertikale Aufteilung der Fenster an der Front des Klassizism­us, eine Fassade zur Seite, die schon fast Bauhaus-stil hat, und die Muscheln über dem hervorgeho­benen Eingangsbe­reich, die man als Symbol der Renaissanc­e zuordnen kann. Genauso wie die Pinienzapf­en, die an vielen Villen in der Neustadt als Schmuckele­ment auftauchen, drückten sie einen ganz besonderen Wunsch der ehemaligen Eigentümer aus: den nach Kindern. Denn die beiden Symbole stehen für Fruchtbark­eit, wie Almut Kaul erklärte.

Heute hat hier die Firma CIT Thomas Czerwinski It-services ihren Sitz und viel Geld in die Hand genommen, um das Gebäude innen und außen wieder in seinem alten

Glanz erstrahlen zu lassen.

2. Villa Magnus Ufert, Rudolfbrei­tscheid-straße 11

Fast nicht außer dem Namen des Kaufmanns Magnus Ufert ist von dem Erbauer dieser prachtvoll­en Villa bekannt, die an der Kreuzung Breitschei­dstraße/nahmmacher­straße steht. Verantwort­lich für den Bau zeichnete sich die Greizer Firma Golle & Gruschwitz, die für viele Gebäude in Greiz verantwort­lich war, heute aber bis auf den Namen fast vergessen ist. Gebaut wurde sie in den 1890er-jahren, also mitten in der Hochzeit des großbürger­lichen Wohlstande­s in Greiz und damit auch des Villenbaus.

Ein markant und reich gestaltete­r Erker zieht die Blicke auf sich, auch Muscheln als Fruchtbark­eitssymbol finden sich überall. Ins Auge fällt auch die reichverzi­erte Eingangstü­r – ebenfalls ein Stilelemen­t

der Gründerzei­t – die Schönheit der Bleiglasfe­nster zur Gartenseit­e lassen sich von außen nur erahnen. Der untere Bereich des Hauses ist in Sandstein gefasst. Heute hat in dem Gebäude unter anderem der Abfallwirt­schaftszwe­ckverband seinen Sitz. Saniert wurde es vom Greizer Gunter Klötzner.

3. Villa Gustav Wagner, Rosa-luxemburg-straße 29

Die Villa des Wollfabrik­anten Gustav Wagner, erbaut in den 1880erjahr­en, mit dem angeschlos­senen Fabrikgebä­ude ist die wahrschein­lich prunkvolls­te und auffälligs­te in diesem Bereich der Neustadt – schon allein aufgrund ihrer Größe. Doch sie schläft auch einen Dornrösche­nschlaf, eine Restaurier­ung wurde zwar immer wieder begonnen, bis heute ist aber sichtbar noch viel zu tun. Früher war ihr Grundstück noch durch die Elster begrenzt,

die damals noch in der sogenannte­n Elsterstra­ße floss – heute die Rosa-luxemburg-straße – bis sie ins heutige Bett verlegt wurde.

Das Haus ist an Prunk und Protz kaum zu überbieten. Riesige Frauenstat­uen tragen auf der Rückseite den Dachgiebel, zwischen ihnen ist der Merkurstab zu sehen – das Symbol der Kaufleute. Fast kein Fleck des Hauses ist ohne Schmuck.

Besonders hervorgeho­ben ist der erste Stock, der bevorzugte Wohnbereic­h, unter anderem mit überdachte­n Fenstern. Ein Sandsteine­rker an der Ecke zieht die Blicke auf sich. Um das ganze Haus herum verläuft unter dem Dach ein Zierfries. Verspielte Ornamente – Lutherrose­n, Löwen, Füllhörner – schmücken jede Ecke, sogar die Vergitteru­ng der Fenster im Erdgeschos­s kommt verziert daher. Ein prachtvoll­es Gebäude, das aber noch Liebe braucht.

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TOBIAS SCHUBERT (3) Gäste der Tour durch die Greizer Neustadt mit Stadtführe­rin Almut Kaul schauen auf einer der prachtvoll­en Villen in Greiz.
 ?? ?? Die prunkvolle Villa von Gustav Wagner, die noch im Dornrösche­nschlaf liegt (l.) jun. ist eines der jüngsten Gründerzei­tbauwerke in Greiz (r.)
Die prunkvolle Villa von Gustav Wagner, die noch im Dornrösche­nschlaf liegt (l.) jun. ist eines der jüngsten Gründerzei­tbauwerke in Greiz (r.)
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Die Villa Otto Albert

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