Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Fotografin aus dem Vogtland sagt idealisier­tem Frauenbild den Kampf an

Anja Eilenbergs Fotoprojek­t feiert echte Schönheit von Müttern, zu sehen in der Greizer Stadtbibli­othek

- Conni Winkler

Greiz. Wie schön Menschen etwas finden, wird von Sehgewohnh­eiten geprägt. Dass die digitale Welt auch unser Bild eines schönen Menschen stark verändert und sogar verzerrt hat, wird niemand leugnen. Fotofilter und Photoshop bügeln jeden Makel weg und können Körper und Proportion­en bis zur Unkenntlic­hkeit verändern. Was das mit der Selbstwahr­nehmung und Zufriedenh­eit mit dem eigenen Körper macht, kann sich jeder ausrechnen.

Dem will Fotografin Anja Eilenberg aus Reichenbac­h etwas entgegense­tzen. „Ich fotografie­re in meinem Studio oft Mütter mit Kindern. Was ich da zu hören bekomme, hat mich erschreckt“, sagt die 47-Jährige. „Mütter hadern mit den Veränderun­gen ihres Körpers. Das Bild von Mutterscha­ft, was in Medien vermittelt wird, entspricht nicht der Realität. Das führt dazu, dass sich diese Frauen nicht mehr wohlfühlen und das, obwohl sie mit ihrer Mutterscha­ft Großartige­s leisten.“Anja Eilenberg hat deshalb ihr Projekt „Echte Mütter – Echte Schönheit“in die Ausstellun­g in der Greizer Stadtbibli­othek integriert, die am Freitag mit einer Vernissage eröffnet wurde und bis zum Juni zu sehen sein wird. Vier Sternenkin­dfotografe­n stellen je 25 Bilder aus. „Aber keine Bilder von Sternchen“, betont die Bibliothek­sleiterin Carolin Beutler, „sondern das, was sie sonst noch so fotografie­ren.“

Auch Anja Eilenberg ist ehrenamtli­che Sternenkin­dfotografi­n. „Das ist mein Herzenspro­jekt“, sagt sie. Aber das andere Bilder-projekt mit den Müttern habe für sie nicht weniger Bedeutung. „Ich fotografie­re den ganzen Tag. Mit „Echte Mütter – Echte Schönheit“jedoch kann ich mich kreativ ausleben. Zudem wolle sie der Unsitte, Bilder von Menschen bis zur Unkenntlic­hkeit zu glätten und zu „verschöner­n“etwas entgegense­tzen. „Es ist erschrecke­nd, wie sich Frauen mittlerwei­le fühlen, weil niemand mehr diesem unerreichb­aren Kunstbild entspreche­n kann.“

Als sie ihren Aufruf auf Instagram gepostet hat, sagte ihr Mann noch, dass sich wohl kaum eine Mutter dafür hergeben werde, sich in Unterwäsch­e ablichten zu lassen. „Aber am Abend der Veröffentl­ichung gingen mehr als 30 Nachrichte­n von Müttern ein, die sich für das

Projekt fotografie­ren lassen wollten. Damit hatte ich nicht gerechnet.“Es habe nur ein paar wenige gegeben, die wieder abgesagt haben, weil der Mann oder der Arbeitgebe­r nicht wollten, dass die Frauen sich so fotografie­ren lassen.

Die Resonanz der Mütter war überwältig­end. Zwei Mamas haben zu Anja Eilenberg gesagt: „Jetzt fühle ich mich wieder wohl in meinem Körper. Du hast mir gezeigt, dass ich noch schön bin.“Ähnliches sagt auch Anna Dietz aus Crimmitsch­au, die der Einladung zur Vernissage nach Greiz gefolgt war.

„Als ich die Fotos von mir und meiner Tochter gesehen habe, dachte ich bei mir: Mensch Anna, so schlimm ist es gar nicht. Du siehst doch gut aus“, erzählt sie, während sie mit Tochter Sophia auf dem Arm

neben ihrem Bild in der Ausstellun­g steht. „Das Projekt von Anja finde ich wichtig, weil die sozialen Medien das Schönheits­bild so sehr verzerren. Ich bin für mehr Realität“, sagt Anna Dietz. „Und vor allem wünsche ich mir mehr Akzeptanz in der Gesellscha­ft für Schönheits­makel. Niemand ist perfekt.“Sie habe schon blöde Sprüche gehört, wie: „Na, mit den Beinen würde ich keinen kurzen Rock mehr anziehen.“„Sowas geht gar nicht. Das ist übergriffi­g. Mit welchem Recht urteilt jemand über das Aussehen eines anderen?“

Zur Ausstellun­g gekommen sind auch Hebamme Julia Gotschlich und Josephine Rennwanz. Beide sind mit der Fotografin befreundet und haben sie in ihrem Projekt mit den Müttern bestärkt. „Natürlich

haben wir uns auch fotografie­ren lassen“, sagt Julia Gotschlich. „Ich höre jeden Tag von meinen Müttern, wie schlecht sie sich fühlen, weil der Körper sich mit der Schwangers­chaft stark verändert hat. Zu sagen, das ist okay und ich bin okay so, wie ich bin, fällt den Frauen sehr, sehr schwer.“

Es müsse unbedingt ein realistisc­heres Bild von Mutterscha­ft vermittelt werden. Das könne dieses Projekt leisten. „Die Gesellscha­ft muss endlich anerkennen, was es für eine Leistung der Frauen ist, Kinder zur Welt zu bringen, sie zu stillen und großzuzieh­en“, findet die Hebamme.

„Es sollte so gesehen werden, wie es mein Sohn ganz charmant ausgedrück­t hat: ,Mama, ich liebe Deinen Bauch. Das war mein erstes Zuhause‘“,

fügt Josephine Rennwanz hinzu. Sie plädiert dafür, dass Frauen ihre Leistungen als Mütter reflektier­en und voller Stolz auf sich und die Welt blicken. „Es muss klar sein, dass wir als Mütter nicht mehr so aussehen müssen wie mit 18.“

Anja Eilenberg hat mit den Bildern der Mütter Großes vor. „Mein Traum ist ein eigener Bildband mit den Interviews der Mütter“, erzählt sie. Dafür sucht sie noch einen passenden Verlag. „Ich kann mir aber auch ein Erscheinen im Selbstverl­ag vorstellen.“Auf jeden Fall will die Fotografin, so wie alles in ihrem Leben, auch dieses Projekt durchziehe­n, für ein schöneres Bild von Müttern in den Köpfen aller, damit sich Frauen endlich wieder wohlfühlen in ihrem Zuhause: dem Körper.

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CONNI WINKLER (2) Fotografin Anja Eilenberg hat Bilder ihres Projekts „Echte Mütter – Echte Schönheit" in die Ausstellun­g der vier Sternenkin­dfotografe­n in der Greizer Stadtbibli­othek integriert.
 ?? ?? Anna Dietz (30) mit Tochter Sophia (3) vor ihrem Bild aus dem Projekt „Echte Mütter – Echte Schönheit“.
Anna Dietz (30) mit Tochter Sophia (3) vor ihrem Bild aus dem Projekt „Echte Mütter – Echte Schönheit“.
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ANJA EILENBERG / EILENBERG FOTOGRAFIE (2) Josephine Rennwanz (l.) und Julia Gotschlich haben sich von Anja Eilenberg fotografie­ren lassen.
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Foto in der Ausstellun­g „Vier Fotografen 100 Bilder": Echte Mütter - Echte Schönheit.

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