Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Isabel Allende und die verletzten Kinderseel­en

In ihrem neuen Roman „Der Wind kennt meinen Namen“greift die Bestseller­autorin ein Herzensthe­ma auf

- Sibylle Peine

ihrem neuen Roman greift die Bestseller­autorin ein Herzensthe­ma auf. Sie schreibt über heimatlose Kinder dieser Welt.

Berlin (dpa) – Samuel und Anita wachsen als Kinder in ganz unterschie­dlichen Gesellscha­ften, Ländern und Epochen auf und erleiden dennoch das gleiche traurige Schicksal. Beide werden Opfer von Gewalt, Krieg und Flucht. Ihre Familien werden auseinande­rgerissen und zerstört. Zurück bleiben zwei entwurzelt­e, verletzte Kinderseel­en.

Zwei Geschichte­n scheinbar fern und doch sehr nah

Die beiden Geschichte­n, die Isabel Allende in ihrem neuen Buch „Der Wind kennt meinen Namen“erzählt, stehen stellvertr­etend für viele andere Kinder-tragödien, die fortwähren­d jeden Tag geschehen. Man kann diesen Roman deshalb auch als eine Hommage an die vielen Flüchtling­skinder dieser Welt verstehen, die sich aller Widrigkeit­en zum Trotz durchs Leben kämpfen. Denn Allende wäre ganz sicher nicht Allende, wenn es in ihrer Geschichte nicht auch Hoffnung, Optimismus und Zuversicht gäbe.

Samuel Adler wächst in den 1930er Jahren in einer jüdischen Familie in Wien auf. Als die Ns-judenverfo­lgungen auch in Österreich beginnen, wird der Junge mit einem

Kindertran­sport nach England geschickt und überlebt. Seine Eltern sieht er nie wieder, sie sterben im Holocaust. Die kleine Anita Diaz ist fast blind. Sie lebt in El Salvador, bis die Gewalt dort so eskaliert, dass ihre Mutter mit ihr in die USA flieht. Dort werden beide voneinande­r getrennt. Anita kommt in ein Heim, ihre Mutter aber bleibt spurlos verschwund­en.

Über weite Strecken des Romans scheinen die beiden Geschichte­n

beziehungs­los nebeneinan­der zu stehen. Nachdem Samuel in England angekommen ist und er dort Zugang zu der ihn tröstenden Welt der Musik findet, hören wir nämlich lange Zeit nichts mehr von ihm. Die Autorin verliert ihn fast aus dem Auge. Sie überspannt Raum und Zeit, wechselt von Europa in die USA und nach Zentralame­rika, springt von den 1930ern in die 1980er Jahre und von dort in die unmittelba­re Gegenwart. Und erst dann, also

sehr spät, werden Samuels und Anitas Biografie zusammenge­führt. Da ist Samuel schon ein sehr alter Mann und hat seine Fluchtgesc­hichte längst verdrängt.

Den meisten Raum nimmt Anitas Geschichte ein, wahrschein­lich auch deshalb, weil sie nach den Worten der Autorin eine reale Person zur Vorlage hat. Dem kleinen Mädchen stellt sie eine Helferin zur Seite, Selena, eine Flüchtling­saktivisti­n, die sich zum Ziel gesetzt hat, die verschwund­ene Mutter des kleinen Mädchens aufzuspüre­n. Die patente Latina ist nicht die einzige starke Frau in ihrem Roman. Da gibt es noch Leticia, mit der sich ebenfalls eine Fluchtgesc­hichte rund um das grauenhaft­e, in Deutschlan­d kaum bekannte Massaker von El Mozote in El Salvador verbindet. Die rebellisch­e Südstaaten­schönheit Nadine schließlic­h ist ein überaus schillernd­er Gegenpart zu dem etwas langweilig­en Samuel, ihrem Ehemann.

Wie Samuel bleiben auch die anderen Männer im Roman merkwürdig blass gemäß ihrer Rolle als bloße Komparsen, die Isabel Allende ihnen allenfalls zugedacht hat. Der Staranwalt, den Selena vor allem wegen ihrer erotischen Anziehungs­kraft für ihre Sache einzunehme­n weiß, erscheint dabei ganz besonders stereotyp.

Der Roman weist viele Charakteri­stika auf, wie sie für die inzwischen 81 Jahre alte Bestseller­autorin („Das Geisterhau­s“) typisch sind: Ein starkes überzeugen­des Anliegen, hier der Einsatz für geflüchtet­e Kinder.

Ein eingängige­r, unterhalts­amer Schreibsti­l, der ihr die hohen Auflagen sichert - aber eben auch ein gewisser Hang zu klischeeha­ften, ein bisschen märchenhaf­ten Plots, den ihr Kritiker vorwerfen. Alles in allem ein Buch, das ihre Fans lieben und die anderen wohl eher zur Seite legen werden.

 ?? SERGIO BARRENECHE­A / DPA ?? Die chilenisch­e Schriftste­llerin Isabel Allende, 81 Jahre alt, hat nach „Das Spiel des Rippers“im Jahr 2022 ein weiteres Buch vorgelegt.
SERGIO BARRENECHE­A / DPA Die chilenisch­e Schriftste­llerin Isabel Allende, 81 Jahre alt, hat nach „Das Spiel des Rippers“im Jahr 2022 ein weiteres Buch vorgelegt.

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