Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Greiz ist ein Paradies für Mieter

Während in den Metropolen Deutschlan­ds die Menschen unter den hohen Mietpreise­n ächzen, hat die frühere Residenzst­adt so manches für Mieter zu bieten

- Sabine Maria Schoeneich

Greiz. Die Nachrichte­n sind voll von Hiobsbotsc­haften für Mieter. Nicht nur, dass Wohnraum immer knapper wird, auch die Preise auf dem Wohnungsma­rkt scheinen ins Unermessli­che zu steigen. Die Politiker sprechen vom „angespannt­en Wohnungsma­rkt“, ohne wirkliche Ideen und praktikabl­e Vorschläge, Wohnen für die Menschen wieder bezahlbar zu machen.

Greiz scheint da auf der Landkarte eine Ausnahme zu sein. Hier kämpft man eher mit Leerstand und rollt potenziell­en Mietern den roten Teppich aus. Ein Grund dafür sind sicherlich die vielen Wohnungsba­ugenossens­chaften, die zu DDR Zeiten entstanden sind und die Philosophi­e des bezahlbare­n Wohnens, dass sich fast wie Eigentum anfühlt, immer noch bewahren. Eine davon ist die Wohnungsba­ugenossens­chaft Textil. 720 Wohnungen werden dort verwaltet. Davon stehen zur Zeit 176 leer.

Wohnungen ohne Fahrstuhl sind kaum noch zu vermieten

Um die Wohnungen an den Mann und die Frau zu bringen, wird trotz der hohen Baupreise saniert. Wohnungen, die im vierten Stock ohne Fahrstuhl sind, sind trotz, dass sie etwas weniger kosten als die unten gelegenen Wohnungen, kaum noch zu vermieten. So hat man begonnen, in der Dr. Otto-nuschke-straße die Aufzüge nachzurüst­en. Auch in der Schmidtstr­aße wird gerade im Rahmen der energetisc­hen Sanierung nachgerüst­et. „Das Thema Fahrstuhl wird die Genossensc­haft auch noch einige Jahre beschäftig­en“, erklärt Kati Stein, die hauptamtli­che Vorständin der Wohnungsba­ugenossens­chaft Textil. „Auch um langjährig­e Mieter, die älter werden, zu halten“, ergänzt sie. Denn die Genossensc­haftsmitgl­ieder aus Ddr-zeiten bleiben oft ein Leben lang in ihrer Wohnung.

Neue Mieter können bei Sanierung mitreden

Dieser Historie geschuldet ist der Altersdurc­hschnitt der Mitglieder bei 66 Jahren. Die neuen, jungen Genossensc­haftsmitgl­ieder müssen sich allerdings durch Flexibilit­ät auf dem Arbeitsmar­kt behaupten, sodass sie häufiger die Wohnungen wechseln als alteingese­ssene Mieter. Wird eine Wohnung leer, wird mit der Komplett-sanierung gewartet, bis ein neuer Mieter da ist, denn der darf zum Teil mitbestimm­en,

wie seine zukünftige Wohnung aussehen wird. Dafür gibt es extra eine kleine Ausstellun­g im Keller des Verwaltung­sgebäudes der Wohnungsba­ugenossens­chaft Textil. Auch eine Auswahl an Fußbodenbe­lag ist für den künftigen Mieter verfügbar. Die neuen Türen werden dann entspreche­nd dem gewähltem Design ausgesucht und eingebaut.

Im Schnitt kostet in Greiz eine komplett sanierte Ddr-plattenwoh­nung sechs Euro pro Quadratmet­er. In Rellingen einer kleinen eigenständ­igen Gemeinde in

Schleswig-holstein, gleich hinter Hamburg, liegt der Quadratmet­erpreis einer vergleichb­aren Wohnung im Schnitt bei 13 Euro. Einfachere Wohnungen mit geringerem Standard liegen ebenfalls doppelt so hoch.

Wohnt man in Greiz in einer teilweise sanierten Ddr-neubauwohn­ung, bezahlt man fünf Euro, in Rellingen bereits elf Euro. Im gehobenen Segment nähern sich die Preise an. Im Schnitt liegt da in Rellingen der Quadratmet­erpreis bei 15 bis 16 Euro. Der bald fertig gestellte Neubau

nach neuesten energetisc­hen Vorgaben in der Goethestra­ße in Greiz soll für zwölf Euro pro Quadratmet­er vermietet werden. „Eigentlich müssten wir, den hohen Baukosten geschuldet, 15 Euro pro Quadratmet­er nehmen, aber wir folgen dem genossensc­haftlichen Gedanken und haben uns entschiede­n nur zwölf Euro festzulege­n“, so Kati Stein. Fasst man das Ganze zusammen, so liegt die Durchschni­ttsmiete in Greiz, laut offizielle­n Mietspiege­l, bei 5,16 Euro. In Rellingen bei 14,19 Euro, also fast dreimal so hoch.

Ist der entspannte Wohnungsma­rkt eine Chance für die Stadt?

Zwischen 70.000 bis 140.000 Euro werden im Jahr als Gewinn erwirtscha­ftet. Dieser bildet die Rücklage, die es der Genossensc­haft ermöglicht, den Bestand weiter zu sanieren und über Rückbau, Bauland für neue Wohnungen nach neuestem Standard zu errichten. So ziehen Bauprojekt­e, wie in der Goethestra­ße, vereinzelt den ein oder anderen nach Greiz. Dass aber der entspannte Wohnungsma­rkt in Greiz eine Chance für die Stadt ist, im größeren Stil Einwohner zu gewinnen, ist im Moment fraglich. „Dafür fehlen leider die lukrativen Arbeitsplä­tze in Greiz“, bedauert Kati Stein.

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Die Genossensc­haft hat eine kleine Kollektion von Boden- und Wandfliese­n im Keller des Verwaltung­sgebäudes aufgebaut.
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SABINE MARIA SCHOENEICH (2) Kati Stein, hauptamtli­che Vorständin der Wohnungsge­nossenscha­ft Textil.

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