Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Auf dem Weg zum großen Wurf
Was sich Selina Thiem für die Kegel-wm vornimmt. Ben Koschinsky und Marie Gärtig stehen vor ihren ersten internationalen Meisterschaften
Selina Thiem trägt ein Trikot des SKK Raindorf. Hat sie den Verein gewechselt? Die 19-Jährige lacht und klärt auf: „Nach den Champions Leaguespielen haben wir mit den Raindorfern gefeiert und die Trikots getauscht – und das zieh ich ab und an beim Training an.“Selina Thiem war mit dem SV Pöllwitz bis ins Finale der Kegel-königsklasse gekommen. Raindorf hatte sich nach einer Halbfinalniederlage gegen Zerbst den dritten Platz gesichert. Gute Gründe zum Feiern.
Als Selina Thiem beim Training in dieser Woche eine 183er Bahn hinlegte, meinte sie mit einem Schmunzeln: „Das wird jetzt mein Glückstrikot“, und traut sich gar nicht, das Ergebnis nach 30 Wurf auf die vier Sätze im Classic-kegeln 120 Wurf hochzurechnen. „Oh ja, das wäre ein stolzes Ergebnis“, sagt sie. Exakt 732 Holz.
Das zur Theorie. In der Praxis hat Selina Thiem ihre persönliche Bestleistung auf 643 Holz geschraubt, erzielt in Backa Topola im Champions League-halbfinale gegen Istra Porec. Selina Thiem mischt schon bei den Frauen mit, wurde im ersten Jahr beim SV Pöllwitz mit dem Verein Europapokalsieger, Zweiter der Champions League und Bundesligadritter – in der nächsten Saison geht es im Nbcpokal international auf die Bahn.
Inzwischen hat sie auch kürzere Wege zum Training und den Bundesliga-heimspielen. Aufgewachsen in Langewiesen bei Ilmenau, als Keglerin ausgebildet bei Jan Koschinsky in Auma, wohnt sie jetzt in Gera, macht dort eine Ausbildung. „Der Wechsel nach Pöllwitz hat sich ausgezahlt, das zeigen meine konstanten Leistungen“, sagt sie und streicht heraus: „Gerade die internationalen Starts, die bringen einen weiter. Das Fluidum motiviert und man kann schauen, wie es die anderen machen – viel lernen.“Kein Wunder, dass Selina Thiem wieder für die U23-weltmeisterschaften Ende Mai in Brezno nominiert wurde. Schon 2022 zählte sie, noch in der U18 startberechtigt, zur U23-wm-mannschaft, die mit 3650 Holz Weltrekord spielte und damit die Goldmedaille holte.
Wahl-geraerin Selina Thiem gewann 2022 Wm-gold im Team
Und so würde sich die Frage nach dem Ziel bei der WM in der Slowakei fast erübrigen. „Wir sind zwar nicht mehr die gleiche Mannschaft wie im letzten Jahr, doch um eine Medaille wollen wir schon spielen.“2019 war es, als sie beim damaligen U14-weltpokal erstmals international aufhorchen ließ. Gold in der
Kombination, im Tandem und Bronze im Einzelwettbewerb holte. Der U14-weltpokal wurde gestrichen, an seine Stelle trat die U14europameisterschaft, die auch in Brezno ausgespielt wird.
Mit Ben Koschinsky vom SV Blau-weiß Auma und Marie Gärtig vom SV 1872 Langenwetzendorf sind auch zwei Ostthüringer vom DKBC nominiert worden. „Ich bin schon aufgeregt, sehr sogar“, sagt
Ben Koschinsky und ist froh, dass er mit dem deutschen U14-meister Felix Schmidt aus Warmensteinach in den Paar- und den Tandemwettkampf gehen kann.
„Wir sind Freunde und Felix ist echt cool, der macht sich keinen Kopf und wird mich schon in die Spur bringen“, sagt der 14-Jährige und lacht. Übertreiben macht anschaulich, heißt es. Ben Koschinsky muss sich wahrlich nicht verstecken,
seine Bestleistung steht bei 618 Holz, im Vorjahr hatte er nur knapp die Nominierung verpasst.
In diesem Jahr konnte keiner an ihm vorbei. Dreimal die Woche trainiert er auf der Bahn in Auma, der Papa ist der Trainer. „Er nimmt es sehr genau mit mir, das ist auch gut so.“Seinen Auslauf holt sich der Zeulenrodaer bei den Fußballern des SV Blau-weiß Auma in der Abwehr. „Das macht mir Spaß. Hauptsache, das Spielgerät ist rund.“Da, wo er ist, spielt die Musik – im Wortsinn. Beim 1. Triebeser Fanfarenzug spielt er die Flachtrommel. Ein Lieblingsstück hat er nicht, aber ein sportliches Vorbild nennt er gern: Vilmos Zavarko, der Serbe hält mit 771 Holz den Weltrekord.
Wohin die Reise geht, das weiß Marie Gärtig noch nicht so genau, wie Ben Koschinsky das erste Mal bei einer internationalen Meisterschaft dabei.
„Das war für mich eine Überraschung, dass ich für die EM nominiert wurde“, gibt sie zu und freut sich natürlich um so mehr. Schon dreimal spielte sie bei Deutschen Meisterschaften, platzierte sich im Vorderfeld, überzeugte bei Ländervergleichen, ihre Bestleistung liegt bei 600 Holz. Die verantwortlichen Trainer sind auf die Keglerin vom TSV 1872 Langenwetzendorf aufmerksam geworden, luden sie zu Auswahl-lehrgängen ein – und nominierten die 13-Jährige für die Titelkämpfe.
Seit fünf Jahren kegelt sie, war zuvor im Turnverein, kam bei einem Vereinssportfest mit dem Kegeln in Berührung und fand ihren Sport, ihr Ehrgeiz war geweckt.
Mario Noll, Silke Rietze und Landestrainer Ben Koschinsky sind ihre Trainer. „Ich möchte in Brezno gut ins Turnier hineinkommen, meine Leistung bringen und dann lasse ich mich überraschen, wie alles wird“, sagt sie und stellt sich mit Ben Koschinsky in Em-einkleidung zum Foto.