Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Letzte Mieter greifen zur Selbsthilfe
Die UCI Kinowelt hat sich längst aus Gera verabschiedet und ist aus der Immobilie ausgezogen. Einige Mieter folgten dem Beispiel. Andere harren bis heute aus - und haben dafür ihre Gründe
Als Ende 2020 die UCI Kinowelt ihren Rückzug aus Gera ankündigte, begann ein langsames Mietersterben im Gebäudekomplex in der Reichsstraße. Der Supermarkt verließ das Objekt. Unternehmerin Silke Fröhlich packte ebenfalls zusammen und suchte sich für ihr Brautmodegeschäft einen neuen Standort in der Stadt. Die schleppende Sanierung der großen Immobilie durch den Eigentümer - das Unternehmen VR Real Estate - unter anderem immer wiederkehrende Schäden am Dach des Gebäudes, hatten wohl manche Auszugspläne zusätzlich forciert.
Probleme mit Ansprechpartner
Einige Mieter blieben trotz des größer werdenden Leerstands - und halten bis heute am Standort fest. Zu ihnen gehört der Zahnarzt Christian Fuchs, der dort seit 2011 auf rund 600 Quadratmetern seine Praxis betreibt. „Im Grunde genommen haben wir seit dem Eigentümerwechsel - abgesehen vom Hausmeister - keinen Ansprechpartner mehr“, berichtet Fuchs. Grundsätzlich sei das sehr schade, bedauert der promovierte Mediziner. Denn mit dem vormaligen Besitzer der Immobilie, Unternehmen Goldbeck, hätte alles gut funktioniert und wäre es um vieles einfacher gewesen. Dass mit den geschlossenen Uci-türen ein kleiner Komfort für das Praxisteam und Patienten wegbrach, sieht Christian Fuchs lediglich als Wermutstropfen: Anstatt mal durchs Kino abzukürzen, müsse man nun um das Gebäude herumlaufen. Weniger Kundenbewegung im Haus ziehe mitunter mehr Jugendgangs in den angrenzenden Park nach sich.
Mit Selbsthilfe für Abhilfe
Am meisten ärgert den Zahnarzt die mangelnde Kommunikation, gerade bei größeren Anliegen oder Projekten. Beispielsweise würde Fuchs für die Praxis gern eine Pvanlage auf dem Dach installieren lassen. Vorhaben samt Kostenangebot hatte er an die entsprechende Adresse des Eigentümers geschickt. Zweimal sogar. „Bisher kam nie eine Antwort“, so Christian Fuchs. Seinen Solar-plan hat er vorerst ad acta aufgegeben. Ob Stromabrechnung für die Praxis oder kleine Schäden - er kümmert sich darum. Für schnelle Abhilfe greift er mitunter
zur Selbsthilfe.
An Auszug denkt Christian Fuchs trotzdem nicht: „Die Lage ist einfach toll. Die großen Fensterfronten verwöhnen mit Licht und Ausblick. Zudem steckt viel Herzblut in den Praxisräumen.“Natürlich würde er es begrüßen, wenn wieder neue Mieter einziehen. „Das belebt letztlich den gesamten Komplex.“
Auch Unternehmerin Grit Harthaus beweist einen langen Atem. Seit 2000 bewirtschaftet sie neben der Bowlingbahn ein Restaurant im Haus. „Wir haben unseren Hausmeister, der das Brückenglied zur Verwaltung ist, die jetzt wieder gewechselt haben soll“, erzählt sie. Genaueres wisse sie dazu allerdings nicht, gesteht Harthaus.
Als Wohlfühlen könne man es nicht betrachten, meint die Geschäftsfrau zur Einmietung. Auf dem Weg zum Restaurant gebe es beispielsweise noch ein Stück offene Decke. Dort sei es dunkel. „Ich bewundere unsere Gäste, die da noch kommen. Einladend sieht es nicht aus, wenn noch Reparaturbaustellen offen sind. Überhaupt werde stets nur notdürftig repariert. „Über eine generelle Sanierung muss man gar nicht nachdenken“, versichert Harthaus.
Vor allem die Größe ihrer Mietflächen halte sie von einem Umzug ab. So viele äquivalente Objekte gebe es nicht in der Stadt, außerdem würde das Unmengen an Geld kosten. Deshalb hat sich Grit Harthaus mit den Bedingungen arrangiert und macht am Standort weiter. Neue Mieter, damit das Haus mehr belebt und ins Objekt mehr investiert wird, wünscht sie sich und betont dabei: Die Stadt selbst sei nicht verantwortlich für diesen desaströsen Zustand, wie mancher glaube.
Umzug nicht bereut
Silke Fröhlich als Inhaberin des Hochzeitsstudios, einst im Ucikomplex ein großer Eckladen für Braut- und Abendmode, bereut ihren Aus- beziehungsweise Umzug von der Reichs- in die Humboldtstraße nicht. Insbesondere mit Blick auf die schwierige wirtschaftliche Situation des Einzelhandels ist sie froh, diese Entscheidung getroffen zu haben. Bei der Uci-immobilie ist ihr die gute Zusammenarbeit mit dem Erstbesitzer in Erinnerung geblieben. Mit Übergang an den nächsten Eigentümer sei dies vorbei gewesen. „Da kann man nur hoffen, dass das Haus weiterverkauft wird“, meint sie, berichtet von mangelndem Interesse für Mieterbelange und verrät, dass es nach Auszug ihres Ladens seitens des Eigentümers nie einen richtigen Abschluss gegeben habe.
Im jetzt kleineren Geschäft konzentriert sich die Geschäftsfrau, die gerade 34-jähriges Firmenjubiläum begehen konnte, auf die Brautmode. Nach wie vor kommt ihre Kundschaft vielfach aus dem Umkreis, aus Jena, Schmölln, Zeitz, Zwickau und Eisenach, häufig durch Mundpropaganda. „Ganz gleich, welchen Laden ich habe, Geraer mögen oft ihre eigene Stadt nicht. Sie fahren zum Einkaufen woanders hin, ohne es hier überhaupt zu versuchen. Aber je öfter sie das Geld woanders ausgeben, umso mehr Läden schließen bei uns“, möchte Silke Fröhlich eine Lanze für die Stadt brechen.
Im Grunde genommen haben wir seit dem Eigentümerwechsel abgesehen vom Hausmeister - keinen Ansprechpartner mehr. Christian Fuchs, Zahnarzt und Mieter in der Gewerbeimmobilie