Europa droht Airlines mit Strafen
Kommission soll künftig gegen staatlich unterstützte Unternehmen vorgehen. Treffen könnte es Linien wie Etihad
nachweisen lassen, drohen den Fluggesellschaften etwa aus Nah- oder Fernost Sanktionen in der EU: von Geldstrafen und Überfluggebühren bis hin zum Entzug von Landerechten. „Mit diesem Instrument kann die EU endlich angemessen auf unfaire Praktiken im Luftverkehr reagieren“, sagt Markus Pieper, federführender Berichterstatter im EU-Parlament, der CDU-Abgeordnete und Luftverkehrsexperte, dieser Zeitung. „Die globalen Wettbewerbsbedingungen sind extrem unterschiedlich.“
Pieper hat den Beschluss vorbereitet, den der zuständige Verkehrsausschuss des Parlaments mit absehbar großer Mehrheit treffen wird. Den Entwurf der Kommission werden die Abgeordneten dann sogar noch verschärfen: „Das Parlament möchte, dass die Kommission schon vor dem Abschluss der Untersuchungen vorläufige Maßnahmen verhängen kann – um Schaden abzuwenden“, sagt Pieper.
Die Erwartungen der Branche an die neuen Regeln, die der EURat noch bestätigen muss, sind hoch. Tatsächlich verlieren die europäischen Fluggesellschaften seit einiger Zeit Marktanteile an Konkurrenten aus Drittstaaten. In Europa drängt etwa die halbstaatliche Turkish Airlines in den Markt: „Sie hat ihre Kapazitäten nach Deutschland zwischen 2006 und 2016 um 116 Prozent ausgebaut“, rechnet Lufthansa vor. Istanbul solle das größte Drehkreuz der Welt werden, betrieben mit Reisenden aus der EU.
Und bei Langstreckenflügen, vor allem nach Asien, sind es die hoch subventionierten Fluggesellschaften der Golfstaaten – Qatar Airways, Etihad und Emirates – die den Europäern seit Jahren Marktanteile abjagen. Zu den Anschubfinanzierungen in Milliardenhöhe oder Eigenkapitalspritzen kommen dort niedrige Löhne und Arbeitsschutzstandards, die aus europäischer Perspektive unzumutbar sind. Europäische Airlines könnten da trotz Effizienzsteigerung oft nicht konkurrieren, sagt der Europaabgeordnete Pieper. „Auch chinesische und russische Airlines sind eher staatswirtschaftlich bestimmt.“
Die europäischen Fluggesellschaften klagen über weitere Nachteile: „Asiatische Großmächte fordern mehr Start- und Landerechte in Deutschland, sind aber nicht bereit, die eigenen Märkte vergleichbar zu öffnen“, heißt es bei der Lufthansa. Dabei wittern nicht nur die Europäer verdeckte staatliche Beihilfen. Seit 2004, das haben US-Airlines vorgerechnet, hätte die Konkurrenz aus den Golfstaaten ungerechtfertigte Subventionen von bis zu 42 Milliarden Dollar (34 Milliarden Euro) erhalten.
Unfaire Praktiken treffen eine Branche schwer, die ohnehin im Umbruch ist: Die Zahl von 240 Fluggesellschaften in Europa ist offenbar zu hoch, um allen eine angemessene Rendite zu ermöglichen. Die Pleite von Air Berlin hat auch viel mit einem unklaren Geschäftsmodell zu tun, das Langstrecken-, Europa- und Ferienflüge kombinieren wollte – aber sie dürfte nicht die letzte sein. Experten sprechen von Überkapazitäten auf dem europäischen Markt, die zu einer weitere Konsolidierung führen.
Aktuell ist die Stimmung nicht ganz so trüb: Lufthansa berichtete soeben einen Rekordgewinn. Und weil die Weltwirtschaft brummt, nimmt auch die Nachfrage im Luftverkehr zu. Obendrein sind die Treibstoffpreise relativ günstig. Zur Abwechslung stecken einige GolfAirlines in Schwierigkeiten: Die an Air Berlin beteiligte Etihad hat zuletzt einen Rekordverlust von 1,9 Milliarden Dollar gemeldet, auch Qatar Airways macht wegen der Blockade seiner arabischen Nachbarn Verluste. Aber so wird es auf Dauer wohl nicht bleiben.
Lufthansa klagt trotz guter Geschäftszahlen: „Deutsche Fluggesellschaften müssen sich unter ungleich schwierigeren Bedingungen behaupten als die staatlichen Airlines vom Golf.“