Pasewalker Zeitung

Die standhafte Johanna von Bismarck stammte aus Pommern

- Von Martin Stolzenau

Die starke Frau an der Seite des überragend­en Staatsmann­es wurde vor 200 Jahren geboren. Bismarck selbst nannte sie seinen „Anker an der guten Seite des Ufers“.

NEUBRANDEN­BURG – Otto von Bismarck gehört zu jenen Persönlich­keiten der deutschen Geschichte, die auch heute noch in der breiten Öffentlich­keit bekannt sind. Überall gibt es BismarckDe­nkmäler und -Straßen. Dazu existieren viele Publikatio­nen, die sein Wirken differenzi­ert untersuche­n. Er wird als Staatsmann von weltpoliti­scher Bedeutung und Gewaltmens­ch, Schlüsselg­estalt deutscher Geschichte und Eiserner Kanzler bezeichnet, der die Reichseini­gung ebenso rigoros realisiert­e wie den Kulturkamp­f gegen den Katholizis­mus, die Sozialiste­ngesetze und das Sozialvers­icherungsg­esetz. Als Pragmatike­r, der den Parlamenta­rismus im Inneren als Mittel zum Zweck benutzte, bewährte sich Bismarck nach außen als Schiedsric­hter Europas. Er neutralisi­erte die Großmächte durch ein komplizier­tes Bündnissys­tem und forderte weitsichti­g die dauerhafte Verständig­ung mit Russland, ehe Kaiser Wilhelm II. alle Erfolge Bismarcks zur Friedenser­haltung zunichtema­chte.

Der am 1. April 1815 geborene Staatsmann hatte mehr als 40 Jahre lang eine starke Frau an seiner Seite. Bismarck nannte sie immer wieder seinen „Anker an der guten Seite des Ufers“. Sie hieß Johanna Friederike Charlotte Dorothea

Eleonore von Puttkamer. Im Unterschie­d zum gewaltigen Literaturu­mfang über Bismarck gibt es neben vereinzelt­e Erwähnunge­n im Zusammenha­ng mit ihm nur wenige Bücher, die die Rolle der Johanna von Bismarck untersuche­n. Darin werden Einblicke in ihre pietistisc­h geprägte Herkunft, ihre Entwicklun­g zur Kanzlergat­tin, ihren Alltag, die gemeinsame­n Aufenthalt­e in Pommern und in ihre Bedeutung an seiner Seite gewährt.

Tochter aus gutem Hause wurde pietistisc­h erzogen

Johanna von Puttkamer wurde am 11. April 1824 in Reinfeld geboren. Der Ort, der 1527 erstmals schriftlic­h erwähnt wurde und später an die Adelsfamil­ie von Glasenapp kam, f iel 1839 an Luitgard von Puttkamer, eine geborene von Glasenapp. Das war die Mutter von Johanna. Reinfeld (heute das polnische Barnowiec) gehörte bis 1945 zum pommersche­n Landkreis Rummelsbur­g und zum Regierungs­bezirk Köslin. Der Vater Johannas, Heinrich von Puttkamer, war ein kirchlichk­onservativ­er Landjunker, der einem Uradelsges­chlecht aus Hinterpomm­ern entstammte, das mehrere Güter in Pommern besaß, sehr verzweigt war und viele hohe Staatsbeam­te, Minister und Generäle hervorbrac­hte.

Erzogen wurde Johanna von Puttkamer als einzige Tochter auf Gut Alt Kolziglow nahe Reinfeld ganz „im Zeichen der Bibel“und streng pietistisc­h. Da war der f lotte Bismarck mit einem eher etwas ausschweif­enden Lebenswand­el

zunächst kein Thema. Der junge Mann, der ab 1839 die Familiengü­ter in Pommern in die Gewinnzone wirtschaft­ete, kam in Kontakt zum Pietistenk­reis um Moritz von Blanckenbu­rg und Heinrich von Puttkamer. Das Ehepaar Blanckenbu­rg arrangiert­e 1846 für seine pietistisc­hen Freunde eine Harzreise. Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer kamen sich dort näher. Der Junker auf Freiersfüß­en ließ den Sekt fließen und gab sich weltmännis­ch. Man besuchte die mittelalte­rliche Märchenbur­g Falkenstei­n, genoss das Selketal und weilte im Alexisbad im Herzogtum von Anhalt-Bernburg. Die Harzreise war im Sinne der Eheanbahnu­ng ein voller Erfolg.

Nach der Heimkehr nahm Bismarck seinen berühmten Werbebrief an den Vater Johannas in Angriff. Er gab sich in gewählten Worten als reuiger Sünder, der auf dem Weg der Besserung sei und für Johanna das Beste wolle. Das überzeugte den skeptische­n Vater Puttkamer, im Juli 1847 fand die Hochzeit statt. Bismarck schrieb an seinen Bruder: „Ich glaube ein großes und nicht mehr erhofftes Glück gemacht zu haben, indem ich ganz kaltblütig gesprochen eine Frau von seltenem Geist und seltenem Adel der Gesinnung heiratete, dabei liebenswür­dig wie ich nie ein Frauenzimm­er gekannt habe.“Ein Jahr später kam mit Marie das erste von drei Kindern des Ehepaares zur Welt.

Bismarck machte Karriere, wurde Abgeordnet­er, Botschafte­r, Minister und schließlic­h Ministerpr­äsident und Vertrauter des Preußenkön­igs Wilhelm I., dem er schließlic­h die Kaiserkron­e verschafft­e. Der Aufsteiger war rastlos tätig, lebte recht ungesund, genoss nur selten sein Eheglück und war dann bei Ehefrau Johanna in besten Händen. Bismarck erwarb 1867 das Gut Varzin (heute Warcino) bei Reinfeld, wo das Paar viele Sommer und Winter verbrachte.

Über alle Jahrzehnte hinweg war es Johanna, die Bismarck pflegte, tröstete und aufbaute. Der Kanzler wusste um ihre Bedeutung für sich und schrieb viele Briefe von allen Aufenthalt­en in der Fremde, die weitgehend überliefer­t sind. Als Johanna, die er in einem Brief „Anker an der guten Seite des Ufers“nannte, am 27. November 1894 bei einem Aufenthalt in Varzin starb, war das für ihren Mann wie ein Erdrutsch. Er ließ das Varziner Gartenhaus, den Lieblingsp­latz der Verstorben­en, in eine Grabkapell­e umbauen und bestattete sie dort. Erst später wurde ihr Leichnam ins Bismarck-Mausoleum in Friedrichs­ruh östlich von Hamburg überführt.

Andrea Hopp: Im Schatten des Staatsmann­s. Johanna, Marie und Marguerite von Bismarck als adelige Akteurinne­n (1824–1945), Paderborn 2022 (Otto-von-Bismarck-Stiftung, Wissenscha­ftliche Reihe); Gabriele Hoffmann: Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer. Die Geschichte einer großen Liebe. Insel Verlag Berlin, 2014. Anke Weidinger: Mein Anker an der guten Seite des Lebens: Das Leben der Johanna von Bismarck. SCM Hänssler, 2010.

Buchtipps:

 ?? FOTO: RICHARD CARSTENSEN ?? Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer als junge Eheleute
FOTO: RICHARD CARSTENSEN Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer als junge Eheleute
 ?? FOTO: W. KERN ?? Eine Aufforderu­ng ging an den Radfahrerv­erein von Neubranden­burg.
FOTO: W. KERN Eine Aufforderu­ng ging an den Radfahrerv­erein von Neubranden­burg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany