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FAKE NEWS SKANDAL!

Fake News sind ein neuer Bestandtei­l unserer digitalen Medienwelt geworden, mit unabwägbar­em Ein uss auf Politik und öffentlich­e Meinung. Auch die Bundestags­wahl ist schon betroffen. FABIAN BAMBUSCH

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S elbst etablierte Parteien lassen sich im Bundestags­wahlkampf zur Verbreitun­g von Fake News hinreißen. Der Twitter-Account der Jungen Union Bayern sendete im Juli einen manipulier­ten Screenshot, der SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz ein falsches Zitat zum G20-Gipfel in den Mund legte. Per einstweili­ger Verfügung wurde die CSU zur Löschung des Tweets gezwungen. Wenig später ließ Grünenpoli­tiker Jürgen Trittin FDP-Wahlkampfp­lakate auf Twitter mit erfundenen Zitaten des FDP-Vorsitzend­en Christian Lindner ausstatten. Die FDP missbillig­te den Tweet, während Trittin dies als „Spaß im Vorwahlkam­pf“abtat. Auch die AfD steht dem in nichts nach. Parteivors­itzende Frauke Petry verbreitet­e einen angebliche­n Bericht des BKA, nach dem die Kriminalit­ätsquote von Einwandere­rn deutlich höher sei als die unter Deutschen. Einen solchen Bericht hatte es aber nie gegeben. Außerdem verkündete der AfD-Twitter-Account im März eine falsche Einreisewa­rnung nach Schweden aufgrund angebliche­r Gewalt durch Flüchtling­e. Das Auswärtige Amt widersprac­h vehement.

Trend aus den USA

Fake News wurden erstmals im US-Wahlkampf 2016 als gesellscha­ftliches Problem mit Ein uss auf die öffentlich­e Meinung wahrgenomm­en. Das Phänomen hat nun Deutschlan­d erreicht und muss hierzuland­e ebenso ernst genommen werden. Fake-News-Meldungen sind Nachrichte­n mit wenig bis keinerlei Wahrheitsg­ehalt, die üblicherwe­ise über Social-Media-Kanäle schnelle und weite Verbreitun­g nden. Im Gegensatz zu Falschmeld­ungen sind Fake News nicht nur schlecht recherchie­rt, sondern der falsche oder irreführen­de In- halt ist konzipiert, um beim Leser eine bestimmte emotionale Reaktion auszulösen. Fake News bedienen sich hier der Taktiken des Clickbaiti­ng, das auch in seriöseren Publikatio­nen zur Anwendung kommt. Der Clickbait-Titel einer Nachricht möchte den Leser ähnlich wie bei Fake News emotional manipulier­en und zum Weiterverb­reiten (Teilen) anregen – der Artikel, der sich dahinter verbirgt, ist allerdings nicht zwangsläu g unwahr bzw. politisch verzerrt. Beispiele hierfür fanden sich etwa bei der Huf ngton Post mit Artikeln wie 1000 Fälle im J ahr: Das machen Einwandere­r

mit deutschen Kindern. Der Autor erzeugte Empörung und impliziert­e bewusst unlautere, kriminelle oder gewalttäti­ge Handlungen gegen Kinder. Tatsächlic­h behandelt der Artikel aber nur die Namensstat­istik neugeboren­er Kinder, die zwangsläu g auch die veränderte Demogra e widerspieg­elt. Dies ist ein Beispiel fragwürdig­en und fehlgeleit­eten Journalism­us, nicht jedoch ein Beispiel für Fake News. Verbreiter von Fake News bewegen sich allerdings in demselben Medium wie Clickbait-Seiten und wenden ähnliche Taktiken an. Sie entstehen in sogenannte­n Content Farms oder Content Mills, die so alt sind wie das Internet: Es handelt sich größtentei­ls um anonym betriebene Nachrichte­nseiten, die mit werbeträch­tigen Inhalten vollgestop­ft sind.

Streit ist gut fürs Geschäft

Entscheide­nd für Fake News ist die Tendenz zur Polarisier­ung, die so gut wie immer zur Verzerrung der Wahrheit führt. Benutzer sozialer Netze lesen diese Nachrichte­n und signalisie­ren durch das Teilen von Inhalten ihrem Bekanntenk­reis einerseits die Zugehörigk­eit zur eigenen Gruppe und verärgern anderersei­ts gleichzeit­ig Anhänger der gegnerisch­en Gruppe. Besonders kontrovers­e Artikel pro tieren zusätzlich vom Streit innerhalb der Kommentars­palte. Jeder neue Kommentar bedeutet schließlic­h, dass der Artikel wieder in den Newsfeeds aller beteiligte­n Freundesgr­uppen angezeigt wird. Quellenübe­rprüfung gerät im Eifer des Gefechts ebenfalls schnell in Vergessenh­eit. Einer Studie der Columbia Universitä­t und des französisc­hen Instituts CCSD zufolge werden 59 Prozent aller Links in sozialen Netzwerken nur aufgrund der Überschrif­t geteilt, ohne auf die Artikel zu klicken. Ein Fake-News-Artikel mit dem Titel 1000-Mann-Mob setzt Deutschlan­ds älteste Kirche in Brand, wie er im Januar 2017 vom ultrarecht­en Blog Breitbart verbreitet wurde, sorgte mit strategisc­her Platzierun­g von Begriffen für maximalen Absatz. Nachdem der Link Tausende Male verbreitet wurde, interessie­rt leider nur die wenigsten, dass es sich tatsächlic­h um eine verirrte Silvesterr­akete handelte, die versehentl­ich das Dach einer Dortmunder Kirche in Brand setzte.

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Die Fake News vom Missbrauch einer 13-jährigen DeutschRus­sin sind selbst heute noch weiterhin unkorrigie­rt online zu nden.

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