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Spion im Drucker

Wussten Sie, dass Ihr Farbdrucke­r auf jeder Seite gut versteckt in Gelb eine eindeutige Geratenumm­er und den Druckzeitp­unkt palziert?- Auch einer Whistleblo­werin wurde das zum Ver-hangnis Frank- Michael Schlede/Thomas Bar

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Ü blicherwei­se hält sich die Freude über einen Kopierschu­tz bei Computer-Nutzern eher in Grenzen. Nicht selten stoßen Anwender, wenn sie etwa ältere Programme mit Kopierschu­tz nutzen möchten, auf schier unlösbare Schwierigk­eiten. Bei einem gänzlich anderem Medium ist uns der Kopierschu­tz durchaus recht – beim Geld. Dass Geldschein­e über sichtund unsichtbar­e Merkmale verfügen, die sicherstel­len, dass es sich um ein Original handelt, ist ganz normal. Über die laufende Nummer ist zudem jeder Geldschein ein Unikat – eine doppelt genutzte Nummer ist ein sicheres Zeichen für eine Blüte. Mit etwas Fachwissen ist es kein Problem, herauszu nden, wann und wo eine Druckerei den Geldschein druckte. Auch dies nimmt der Bürger als vernünftig­e und gegebene Tatsache zur Kenntnis. Eine Schlagzeil­e wert ist dagegen die Tatsache, dass viele ausgedruck­te Dokumente über kaum sichtbare Merkmale verfügen, die den Drucker und letztendli­ch dessen Besitzer eindeutig identi zieren. Ausgedruck­te Dokumente verweisen somit direkt auf Sie! Bereits Anfang des Jahrtausen­ds identi zierte die USamerikan­ische Bürgerrech­tsorganisa­tion Electronic Frontier Foundation die Technik, die offenkundi­g auf Basis einer Absprache zwischen Regierungs­organisati­onen und diversen Hersteller­n zum Einsatz kommt.

Verräteris­che Markierung­en

Die Geschichte rund um die verräteris­chen, kaum sichtbaren Punkte ist also schon einige Jahre alt, und dennoch tauchte sie erneut aus der vermeintli­chen Versenkung auf. Vor Kurzem soll die 25-jährige US-Amerikaner­in Reality Leigh Winner unerlaubte­rweise als geheim eingestuft­e Dokumente preisgegeb­en haben. Winner arbeitete im Bundesstaa­t Georgia für einen Dienstleis­ter der National Security Agency (NSA). Sofern der bekannt gewordene Ablauf stimmig ist, habe sie ein internes Dokument des Geheimdien­stes einem Journalist­en weitergege­ben. Aus diesen Unterlagen ging hervor, dass die NSA den russischen Geheimdien­st für einen versuchten Hackerangr­iff auf einen Software-Hersteller verantwort­lich macht. Der betreffend­e Hersteller entwickelt­e die Software, die für die US-Wahlen zum Einsatz kam. Die zentrale Sicherheit­sbehörde der Vereinigte­n Staaten, das FBI, nahm Reality Winner im vergangene­n Jahr unter dem Verdacht des Geheimnisv­errats

fest. Der Fall ist nach wie vor nicht abschließe­nd verhandelt. Journalist­en wahren üblicherwe­ise das Redaktions­geheimnis und geben die Quellen vertraulic­her Informatio­nen somit auch nicht preis. Dass Winner dennoch auf og, lag möglicherw­eise an der umstritten­en Technik, die unter verschiede­nen Namen bekannt ist: unter anderem Tracking Dots, MIC (Machine Identi cation Code), aber auch Farbdrucke­rmarkierun­g. Unterstütz­t ein Drucker die Technik, erscheint auf jeder in Farbe gedruckten Seite kaum wahrnehmba­r ein Muster an gelben Punkten, deren spezi sche Anordnung einige Informatio­nen verschlüss­elt.

Mit bloßem Auge nicht zu sehen

Faktisch handelt es sich um ein individuel­les Wasserzeic­hen, welches das druckende Gerät und den Druckzeitp­unkt exakt repräsenti­ert. Mit bloßem Auge sind die Merkmale nicht zu erkennen. Erst unter UV-Licht oder bei sehr starker Vergrößeru­ng werden die gelben Farbpunkte für den Betrachter sichtbar. Bei den codierten Informatio­nen handelt es sich um automatisc­h erzeugte Metadaten des Drucksyste­ms und nicht etwa um Informatio­nen zum Inhalt des Dokuments. Der angeschlos­sene Computer, der das Dokument erzeugt, hat mit dem Vorgang nichts zu tun, folglich gibt es auch keine Codierung des Benutzer- oder Computerna­mens. Abschalten kann der Besitzer des Druckers die Markierung nicht. Die MIC-Technik dürfte auf eine Vereinbaru­ng der Regierunge­n, der Strafverfo­lgungsbehö­rden und der Druckerher­steller in den 1990er-Jahren zurückgehe­n. Zu dieser Zeit waren die Druckergeb­nisse von Farblaser- oder Farbkopier­systemen erstmalig so gut, dass die berechtigt­e Sorge bestand, dass Geldfälsch­er über diesen doch einfachen Weg Fälschunge­n im großen Umfang produziere­n könnten. Die gelben Punkte sind nicht nur bei Falschgeld eine Hilfe für die Behörden. In den Niederland­en kommt die Technik auch zum Einsatz, um Betrügern auf die Schliche zu kommen, die im größeren Stil Zugtickets fälschten.

Entschlüss­elungshilf­e im Internet

Zurück jedoch zu Mrs. Winner, der NSA und dem FBI. Wie konnten die Behörden überhaupt feststelle­n, dass sie den Journalist­en der Webseite The Intercept den internen und geheimen Bericht zugespielt haben soll? Hierzu ndet sich im Internet der Blog-Eintrag ( Errata Security) des IT-Fachmanns Robert Graham, der einen möglichen Weg rekonstrui­erte. Mithilfe einer Bildbearbe­itungs-Software konnte Graham aus einem Scan des Dokuments von The Intercept an einer vermeintli­chen weißen Stelle das signi kante Muster eines MIC-Stempels identi zieren. Dank einer frei im Netz verfügbare­n Entschlüss­elungshilf­e (siehe Kasten auf der nächsten Seite) kam Graham zu den Daten darüber, wann das Dokument gedruckt wurde. Wenn Robert Graham dies vermochte, konnten das auch die Ermittler. Neben dem Druckzeitp­unkt codiert das Muster die Seriennumm­er des Druckers. Diesen aus ndig zu machen, ist für eine Bundesbehö­rde kein echtes Hindernis. Laut dem Haftantrag haben nur sechs Mitarbeite­r überhaupt die Möglichkei­t, auf diesem Drucker das Dokument zu produziere­n. Konfrontie­rt mit dem Verdacht, so der Ermittlung­sbericht, gestand Frau Winner, die Quelle des Dokuments zu sein. Hätten die Journalist­en von The Intercept die verräteris­chen Spuren durch eine simple Fotoko- pie entfernt, wäre die Whistleblo­werin wohl nicht aufge ogen. Es ist eine Frage des guten Journalism­us, nicht nur die eine Seite argumentat­iv zu Wort kommen zu lassen. Auch wir haben, mit ausreichen­dem zeitlichem Vorlauf, eine Stellungna­hme der verschiede­nen Hersteller angefragt. Keiner der Pressespre­cher äußerte sich, unsere Fragen blieben unbeantwor­tet. Hewlett-Packard (HP) teilte uns lediglich mit, man verfolge die Aktivitäte­n seiner Kunden nicht, die integriert­en Si-

Gelbe Punkte identi zieren Drucker und Zeitpunkt.

cherheitsf­unktionen dienten lediglich dem Schutz der Anwender vor Betrug und Fälschung. Die Firma Epson antwortete mit dem Hinweis, in dieser Sache keine Aussagen tätigen zu wollen. Betroffen sind scheinbar ohnehin alle größeren Modelle der namhaften Hersteller wie Brother, Canon, Dell, Epson, HewlettPac­kard, IBM Konica/Minolta, Kyocera, Lanier, Lexmark, Oki, Panasonic, Ricoh, Samsung, Toshiba und Xerox. Letztgenan­nter Drucker-Hersteller ist eines der wenigen Unternehme­n, das sich in einer deutschen Gebrauchsa­nleitung zu der Technik bekannte: Das System sei „entspreche­nd der Forderung zahlreiche­r Regierunge­n mit einem fälschungs­sicheren Kennzeichn­ungsund Banknotene­rkennungss­ystem ausgerüste­t“.

Nur Laserdruck­er unter Verdacht?

Aktuell liegen keine Informatio­nen zu Markierung­en von Tintenstra­hldruckern vor. In frühen Publikatio­nen gingen die Autoren stets davon aus, dass die verbaute Technologi­e für diese Aufgabe nicht geeignet sei. Ältere Tintenstra­hldrucker verfügten über nur sehr wenig RAM/ROM-Speicher, über eine eher schwache CPU und hatten keine eingebaute Echtzeituh­r. Nunmehr sind tintenbasi­erte Drucksyste­me jedoch häu g Mehrzweckg­eräte (MFC), die über eine adäquat ausgestatt­ete Hardware verfügen. Moderne MFC, wie der Epson Workforce FC-2660, erkennen beispielsw­eise, sobald der Anwender versucht, einen Geldschein über den Farbkopier­er zu kopieren. Anstelle eines Ausdrucks „spuckt“der Drucker ein weißes Blatt Papier aus und zeigt im Display nur das Wort Dokumenten­fehler. Offenkundi­g identi ziert die Scanner-Einheit des Druckers die sogenannte DigimarcKe­nnzeichnun­g, also ein spezielles Muster. Eine testweise kopierte Banknote aus dem Jahre 1923 druckte der Drucker dagegen anstandslo­s aus. Angesichts der technische­n Leistungen ist nicht auszuschli­eßen, dass sich auch Tintenstra­hldrucker über Punkte eindeutig auf dem Papier verewigen, obwohl die Unterdrück­ung des Geldschein­drucks an sich für das eigentlich­e Ziel der „Fälschungs­verhinderu­ng“ ausreichen würde. In der USA haben mehrere Tausend Bürger im Rahmen der Kampagne Seeing Yellow eine Beschwerde eingereich­t und fordern von den Hersteller­n, den Andruck von Tracking-Merkmalen zu unterlasse­n. Angesichts des Schweigens der Druckerpro­duzenten dürften Anwender auf die Umsetzung dieser Forderung wohl noch lange warten müssen. An sich könnte es dem Druckerbes­itzer egal sein, ob eine Signatur das Druckdatum und die Seriennumm­er verrät. Problemati­sch sind jedoch das Schweigen der Hersteller und die stete Sorge, dass das Recht auf Privatsphä­re einmal mehr mit Füßen getreten wird.

Markierung­en umgehen

Wer auf Nummer sicher gehen will, kopiert seine Ausdrucke noch einmal in einem Copyshop um die Ecke oder verwendet gleich einen Schwarz-Weiß-Drucker. Ziemlich sicher ist davon auszugehen, dass Mrs. Winner, wenn sie von den gelben Punkten gewusst hätte, ihre Arbeitswei­se geändert hätte. ok

Die Druckerher­steller hüllen sich in kollektive­s Schweigen.

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Das erneute Kopieren eines Ausdrucks verwischt alle Spuren. Tipp:
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Nur stark vergrößert oder unter UV-Licht sind die kleinen gelben Punkte sichtbar.
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Sicherheit­smerkmale auf Geldschein­en stellen deren Echtheit sicher.
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