Jetzt werde ich Youtube-Star
Einen guten Film zu drehen ist das eine – das andere ist es jedoch, seine Werke bei Youtube so zu präsentieren, dass sie eine große Zuschauerschaft und Fangemeinde finden. So überlisten Sie den Youtube-Algorithmus.
Tipps für Einsteiger
Als der Computer-Bastler David Murray 2007 sein erstes Video bei Youtube hochlud, wollte er damit eigentlich nur Kunden anlocken. Er reparierte in seiner Freizeit iBooks und hoffte, die Videos würden ihm helfen, diese zu verkaufen. Das klappte nicht – dafür wurden seine Videos Jahre später überraschend populär. So beliebt, dass der Familienvater seinen YoutubeKanal schließlich zu seinem Beruf machen konnte. Heute ist er online als der 8 Bit Guy bekannt, hat über 640.000 Abonnenten und begeistert mit Reparaturanleitungen und Videos über die Geschichte von Commodore und anderen Heimcomputern Hunderttausende von Zuschauern.
Erfolg – aber wie?
Youtube – das ist doch einfach! Reisevideos, Kochen, Buchtipps, Elektronik, Lebenshilfe oder Modelleisenbahnen, hier kann jeder zum Video-Star werden, oder? Natürlich ist ein Youtube-Kanal schnell erstellt, aber auf einer Plattform, in der pro Minute 300 Stunden Video hochgeladen werden, hat der wirkliche Kampf, der um die Aufmerksamkeit der Zuschauer, damit erst begonnen. Wichtig für jeden, der Videos produziert und damit auf Youtube sein Publikum finden will, ist daher, sich einige simple Fragen
zu stellen, die leider viel zu oft vergessen werden: • Was will ich eigentlich? • Wen möchte ich eigentlich erreichen? • Wie viel Aufwand kann und möchte ich betreiben? • Wo soll mein Kanal in einem Jahr stehen?
Die richtige Nische finden
Zielgruppen-Analyse klingt nach Marketing, ist aber auch für uns als Produzenten wichtig. Denn Publikum erreichen wir nur, wenn wir wissen, wer überhaupt zuschauen könnte. David, der 8 Bit Guy, hat es geschafft, seine Nische zu finden. Er ist kompetent in seinem Bereich und schafft es, anschaulich und unterhaltsam zu erklären. Seine Videos begeistern sowohl nostalgische Zuschauer, die sich an ihre eigene Computerjugend erinnern, wie auch RetroFans und Bastler. Dabei ist er kein hipper Youtube-Star, Comedian oder Mode-Guru und wird solche Zuschauer auch kaum erreichen. Muss er auch nicht, denn mit seiner Leidenschaft für ein Thema hat er es geschafft, Menschen mit den gleichen Interessen zu Zuschauern zu machen. Das ist seine Zielgruppe. Es lohnt sich, Zeit zu investieren, um thematisch ähnliche Kanäle zu studieren. Was gefällt einem dort, und was könnte man anders machen? Ein kritischer Blick auf die eigene Produktion ist unerlässlich, um sich einzuschätzen.
Erfolg mit sozialer Interaktion
Der deutsche Youtuber Tavin ärgerte sich, dass er für sein Hobby Origami online keine wirklich guten Anleitungen fand. Also begann er 2008, selbst Videos zu produzieren, inzwischen unterhält er international sein Publikum mit über 73.000 Abonnenten. Sein Kollege Jo Nakashima erreicht mit jedem Origami-Video sogar über 1,2 Millionen Zuschauer. Youtube ist ein Social Network, und Zuschauer wollen Nahbarkeit. Während Tavin das Ganze als sporadisches Hobby betreibt, folgt Nakashima einem strengen Rhythmus mit zwei Videos pro Monat und ist neben Youtube auch auf Instagram, Twitter und Facebook zu finden. Er veranstaltet Gewinnspiele, er geht auf Zuschauerfragen ein, beantwortet Kommentare und dreht Videos mit anderen Origami-Youtubern. Denn Youtube ist ein soziales Netzwerk. Hier hat nur derjenige Erfolg, der sich auf diese soziale Komponente und die Interaktion mit dem Publikum einlässt. Das kostet Zeit und bei unhöflichen Kommentatoren auch mal Nerven, aber es ermöglicht auch, sich eine eigene Zuschauerschaft, eine Community, aufzubauen, die viel engagierter und eher bereit ist, die Videos weiterzugeben und so neue Zuschauer zu gewinnen. Deswegen lohnt sich der Aufwand, sein Publikum zu pflegen und darauf zu achten, dass positive Kommentare gewürdigt und beleidigende entfernt werden.
Im tiefen Tal des Algorithmus
Am Beispiel vom 8 Bit Guy und Nakashima sehen wir aber auch den wichtigsten Weg zum Erfolg auf Youtube, und der heißt: Sich dem Algorithmus anpassen! Natürlich hilft es, mal von einer großen Seite verlinkt oder empfohlen zu werden, doch die meisten Zuschauer und Fans finden sich direkt über Youtube selbst. Und die optimieren konstant die Empfehlungs-Algorithmen, die dafür verantwortlich sind, wie gut ein Video in einer Suche gefunden und wie und an welchen Stellen es Zuschauern als Empfehlung angezeigt wird. Wer Videos über eine Segelregatta macht, möchte natürlich, dass sein Video neben anderen Segelvideos erscheint. Ob das geschieht, hängt davon ab, wie You- tubes Algorithmus den Kanal beurteilt. Wie wertvoll ein Video ist, hängt dabei nicht nur von der Qualität, sondern von vielen Faktoren ab. Produziert der Kanal regelmäßig Videos? Und wie viel „Watchtime“erzeugt er? Werden die Videos nur angeklickt oder tatsächlich durchgeschaut? Verleiten die Videos den Zuschauer dazu, noch andere Videos zu gucken, oder verlässt er die Seite danach? Je regelmäßiger ein Kanal Videos online stellt, desto besser ist sein Stand bei Youtube. Wer seltener als alle zwei Wochen produziert, hat weniger Chancen auf eine gute Einstufung als ein Kanal, der ein bis zwei Videos die Woche rausbringt. Zuschauer sind Gewohnheitstiere. Wenn sie wissen, dass immer donnerstags um 15 Uhr ein neues Video erscheint, kommen sie häufiger wieder. Ebenfalls zu beachten: Einige Themen bestraft der Algorithmus als ungeeignet für Kinder und Jugendliche. KISysteme versuchen, alle Inhalte zu bewerten, was dazu führen kann, dass ein Video weniger Zuschauer bekommt. Wie das genau funktioniert, verrät Youtube nicht, und es bleibt nur das Ausprobieren.
Videomacher sind Zeitungsjungen
Wer es schafft, sich dem Algorithmus zu fügen, dem bleibt die letzte große Hürde: Jedes einzelne Video muss Woche für Woche neu verkauft werden. Nicht jeder, der den Kanal abonniert, schaut zwingend jedes Video. Zuschauer entscheiden innerhalb von Bruchteilen von Sekunden, ob sie ein Video aufrufen – machen das Vorschaubild und die Überschrift nicht sofort neugierig und klar, worum es geht, hat es keine Chance. Es lohnt, für jedes Video zu überlegen: Welcher Titel ist der beste, mit welchen Suchbegriffen ist es am besten beschrieben, welches Bild verdeutlicht das Thema und ist vor allem auch in Briefmarkengröße noch so interessant, dass das Auge daran hängen bleibt. Ein Bild mag in 1.080 x 720 Pixeln fantastisch aussehen, verkleinert bleibt oft nur Pixelmatsch. Über 60 Prozent aller Videoaufrufe auf Youtube finden heute per Smartphone statt. Youtuber stecken deswegen oft mehrere Stunden in die Auswahl von Überschrift und Vorschaubild. Erfolg auf Youtube kommt nur in seltenen Fällen über Nacht. Treue Zuschauer wollen gewonnen werden, und das wird Monate, manchmal Jahre dauern. Wer aber regelmäßig produziert, sein Publikum kennt und bereit ist, mit ihm zu interagieren, wer die notwendige Arbeit in Überschrift und Thumbnails steckt, hat drei der wichtigsten Hürden schon genommen. whs