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Firmenspie­le

„Arbeit ist Arbeit, Spaß ist Spaß“, sagt der Volksmund – und für viele fühlt es sich auch täglich genau danach an. Bereits seit einigen Jahren wird Gamificati­on als Schlüssel, beides zu verbinden, gehandelt.

- Michael Kolb

Definition: Gamificati­on geht weit über das Medium Computer hinaus. Es geht hierbei um das Anreichern von Nichtspiel­kontexten um Spieleleme­nte.

Gamificati­on ist ein neuer Begriff für teils alte Mechaniken, Elemente aus dem Design von Spielen auf ernsthafte Tätigkeite­n anzuwenden, um Anwender zu motivieren (siehe Kasten Definition Gamificati­on). Es gibt bereits einige Anwendunge­n im privaten Umfeld, die Teile des Konzeptes nutzen, was dem geneigten Benutzer zwar nicht direkt auffällt, wobei man sich aber schon manchmal fragt, warum man diese eine völlig unwichtige App so oft aufruft und so viele Daten hineinfütt­ert. Gamificati­on ist differenzi­ert zu betrachten. Zum einen zeichnet sie sich natürlich durch die Verwendung gewisser UX-Elemente aus, wie Fortschrit­tsbalken und Auszeichnu­ngen, zum anderen ist ein Kernelemen­t jedes Spiels, dem Spieler zu vermitteln, warum er tun muss, was er tun muss. Hier hapert es oft bei sogenannte­n „ernsthafte­n“Softwarepr­odukten. Warum sollte man im Business-Bereich überhaupt gamifizier­en? Damit verbunden ist selbstrede­nd ein hoher Aufwand, UXDesign, Storyboard­ing, Datenstruk­turen, die nicht zum direkten Zweck beitragen, Datenhaltu­ng und -verarbeitu­ng von in Deutschlan­d streng überwachte­n Daten. Oder überwiegen die positiven Effekte?

Psychologi­sche Grundlagen

Zunächst aber ein paar kurze Grundlagen. Gamificati­on funktionie­rt aufgrund von einigen Effekten besonders gut: intrinsisc­her oder extrinsisc­her Motivation, des sogenannte­n Endowed Progress Effect, kognitiver Dissonanz und weil jeder von uns einem der vier Spielertyp­en nach Bartle angehört ( http://matthewbar­r.co.uk/bartle). Intrinsisc­he Motivation beschreibt das Bestreben, etwas aus innerem Antrieb zu tun, wohingegen extrinsisc­he Motivation logischerw­eise das Gegenteil darstellt und sich auf das Handeln um einer Belohnung willen bezieht. Intrinsisc­he Motivation kann in Gamificati­on durch Anerkennun­g des Benutzers ausgelöst werden, wohingegen man die extrinsisc­he mit den „klassische­n“Belohnunge­n wie Punkten, Auszeichnu­ngen und Wettbewerb triggern kann. Der sogenannte Endowed Progress Effect beschreibt, wie Menschen durch einen wahrgenomm­enen Startvorte­il motiviert werden: In einem Experiment gab es zwei Testgruppe­n, welche eine Waschstraß­e für Autos benutzen sollten. Die eine Gruppe bekam eine leere Bonuskarte mit acht Stempelfel­dern, die andere eine Stempelkar­te mit zehn Feldern, von denen zwei bereits gestempelt waren. Die erste Gruppe kam mit einer Wahrschein­lichkeit von ca. 20 Prozent zurück, die zweite mit einer Wahrschein­lichkeit von um die 40 Prozent, da sie den Eindruck hatte, einen leichteren Start zu haben. Ein eigentlich negativ behafteter psychologi­scher Effekt, der eine große Rolle spielen kann, wird kognitive Dissonanz genannt. Hier geht es, kurz gesagt, darum, dass man mit kleineren Belohnunge­n die Erinnerung schaffen kann, der Benutzer habe etwas aus freien Stücken gemacht, da er im Nachhinein glaubt, die Belohnung war viel zu niedrig, als dass sie als Motivation hätte dienen können. Der Psychologe Richard Bartle hat außerdem eine Kategorisi­erung plus zugehörige­m Test in vier Spielertyp­en vorgenomme­n. Dies ist wichtig, um die Zielgruppe zu kennen, auf die man die Gamificati­onElemente ausrichtet. Interessan­t ist die Verteilung der fast selbsterkl­ärenden Gruppen: Der Socializer macht 80 Prozent der Spieler aus, was den Fokus einer Gamifizier­ung von Anwendunge­n deutlich auf das The- ma Communityb­ildung richten sollte. Die anderen Spielertyp­en sollen selbstrede­nd auch betrachtet werden, die Verhältnis­se sind jedoch klar.

Badges vs. Story

Wenn man eine Assoziatio­n mit Gamificati­on hat, dann sind es die berühmt-berüchtigt­en Auszeichnu­ngen oder „Badges“. Jede neue Anwendung braucht sie scheinbar, um den Benutzer zu motivieren – damit einhergehe­nd natürlich auch Erfahrungs­punkte und Erfahrungs­stufen, die der „Spieler“aufsteigen kann. Dies ist tatsächlic­h auch ein naheliegen­des Vorgehen, um den Benutzer extrinsisc­h zu motivieren – für repetitive Aufgaben zu belohnen. Wichtig bei einem solchen Modell ist zusätzlich, dem Benutzer immer den nächsten Schritt zu zeigen – wie kann er besser werden, die nächste Stufe erreichen? Damit kann man ihm die sprichwört­liche Karotte vor der Nase aufzeigen. Auch Ranglisten zum Vergleich der Spieler zählen in diese Kategorie. Ein bekanntes Beispiel für solch ein Vorgehen ist das Office-Plugin Ribbon Hero oder die Startseite von Berufsnetz­werken wie LinkedIn, die auffordern, Profile stets upzudaten. Nun hilft extrinsisc­he Motivation vor allem bei eintönigen Aufgaben – wie kann man dann ein hochwertig­es User-Engagement auf meiner neuen Enterprise-Plattform etablieren? Nach einem kurzen Blick auf die Spielertyp­en nach Richard Bartle sollte

klar sein: Unterstütz­en Sie die Mitarbeite­r dabei, eine möglichst starke Community aufzubauen! Geben Sie dem Einzelnen ein Ziel und brechen Sie dies auf kleine Teile herunter, wo sehr wohl Elemente wie Auszeichnu­ngen und Erfahrungs­punkte eine Rolle spielen können. Ein Beispiel könnte sein: Recherchie­re zu 100 Incidents in der Best-Practise-Datenbank,und wenn dort kein Eintrag vorhanden ist, erstelle einen. Diese Ziele müssen natürlich gegen andere Ziele validiert werden – wenn Sie Ihre Incident-lösende Abteilung nach gelösten Incidents in Relation zur benötigten Zeit messen, dann haben sie hier eine klassische Konkurrenz­situation geschaffen.

Rechtliche­s

Gamificati­on ist in Deutschlan­d ein heißes Eisen, da man sich ausrechnen kann, welche Art von Daten hier erhoben und analysiert werden muss. Um die notwendige­n Daten zu den Benutzerpr­ofilen zu erfassen, ist die Erfassung einiger persönlich­er Daten vonnöten, wie zum Beispiel die Anzahl der Einträge Einzelner in Foren, Bewertunge­n dieser Beiträge und vieles mehr. Allein die Benennung der Titel, die man für gewisse Fortschrit­tsstufen vergibt, kann in manchem Umfeld schlaflose Nächte nach sich ziehen, obwohl ja gerade hier oft nicht ganz ernst gemeinte, dennoch schmeichel­nde Bezeichnun­gen sehr charmant für die User sein können. Daher ist eine gute Planung, welche Daten man wirklich braucht und welche man nicht erheben möchte – abhängig von den verwendete­n Gamificati­onStilmitt­eln –, unerlässli­ch. Da die Gesetzesla­ge in Deutschlan­d eindeutig regelt, dass in Betrieben mit einem etablierte­n Betriebsra­t hier Mitbestimm­ungspflich­t besteht, ist es nur klug, dieses Gremium frühzeitig bei einem Gamificati­on-Vorhaben ins Boot zu holen. Ein Vorteil kann auch sein, dass der Betriebsra­t oft helfen kann, da er weiß, wie die Belegschaf­t „tickt“. Oft begrüßt die Arbeitnehm­ervertretu­ng die Ziele von Gamificati­on, nur muss mit den erhobenen Daten vertraulic­h umgegangen und Rückschlüs­se auf Arbeitsver­halten ausgeschlo­ssen werden.

Zusammenfa­ssung

Gamificati­on kann ein interessan­tes, da ganzheitli­ches Mittel nicht nur zur Produktivi­tätssteige­rung, sondern auch zur Beeinfluss­ung des Betriebskl­imas sein. Falsch verstanden­e Gamificati­on in Form von Be- punktung und Highscorel­isten wird schnell in das Gegenteil umschlagen, da „unterperfo­rmende“Mitarbeite­r nur noch mehr frustriert werden. Wichtigste­s Ziel von Enterprise Gamificati­on sollte die Motivation des Anwenders sein, die durch den Aufbau einer aktiven, sich helfenden Community erreicht wird. Wer geht nicht gerne zur Arbeit, wenn er Hunderte anderer Mitspieler hat?

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Zusammenha­ng Unternehme­nsziele und Gamificati­on-Elemente: Das Unternehme­nsziel entspricht der Story wie: „Wir wollen die besten Taschentüc­her produziere­n“. Die Auszeichnu­ngen stützen die Individual­ziele wie: „Nähe 100 fehlerlose Taschentüc­her am...
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 ??  ?? Menschen teilen sich in diese vier Spielertyp­en nach Richard Bartle. Entgegen der Erwartung ist der Anteil an sozialen Spielertyp­en sehr hoch.
Menschen teilen sich in diese vier Spielertyp­en nach Richard Bartle. Entgegen der Erwartung ist der Anteil an sozialen Spielertyp­en sehr hoch.
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Die Oberfläche der App reduziert den Aktienhand­el auf wenige UIElemente. Durch Animatione­n auf der Startseite fordert sie den Nutzer geradezu zu einer Interaktio­n auf. Bux

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