Firmenspiele
„Arbeit ist Arbeit, Spaß ist Spaß“, sagt der Volksmund – und für viele fühlt es sich auch täglich genau danach an. Bereits seit einigen Jahren wird Gamification als Schlüssel, beides zu verbinden, gehandelt.
Definition: Gamification geht weit über das Medium Computer hinaus. Es geht hierbei um das Anreichern von Nichtspielkontexten um Spielelemente.
Gamification ist ein neuer Begriff für teils alte Mechaniken, Elemente aus dem Design von Spielen auf ernsthafte Tätigkeiten anzuwenden, um Anwender zu motivieren (siehe Kasten Definition Gamification). Es gibt bereits einige Anwendungen im privaten Umfeld, die Teile des Konzeptes nutzen, was dem geneigten Benutzer zwar nicht direkt auffällt, wobei man sich aber schon manchmal fragt, warum man diese eine völlig unwichtige App so oft aufruft und so viele Daten hineinfüttert. Gamification ist differenziert zu betrachten. Zum einen zeichnet sie sich natürlich durch die Verwendung gewisser UX-Elemente aus, wie Fortschrittsbalken und Auszeichnungen, zum anderen ist ein Kernelement jedes Spiels, dem Spieler zu vermitteln, warum er tun muss, was er tun muss. Hier hapert es oft bei sogenannten „ernsthaften“Softwareprodukten. Warum sollte man im Business-Bereich überhaupt gamifizieren? Damit verbunden ist selbstredend ein hoher Aufwand, UXDesign, Storyboarding, Datenstrukturen, die nicht zum direkten Zweck beitragen, Datenhaltung und -verarbeitung von in Deutschland streng überwachten Daten. Oder überwiegen die positiven Effekte?
Psychologische Grundlagen
Zunächst aber ein paar kurze Grundlagen. Gamification funktioniert aufgrund von einigen Effekten besonders gut: intrinsischer oder extrinsischer Motivation, des sogenannten Endowed Progress Effect, kognitiver Dissonanz und weil jeder von uns einem der vier Spielertypen nach Bartle angehört ( http://matthewbarr.co.uk/bartle). Intrinsische Motivation beschreibt das Bestreben, etwas aus innerem Antrieb zu tun, wohingegen extrinsische Motivation logischerweise das Gegenteil darstellt und sich auf das Handeln um einer Belohnung willen bezieht. Intrinsische Motivation kann in Gamification durch Anerkennung des Benutzers ausgelöst werden, wohingegen man die extrinsische mit den „klassischen“Belohnungen wie Punkten, Auszeichnungen und Wettbewerb triggern kann. Der sogenannte Endowed Progress Effect beschreibt, wie Menschen durch einen wahrgenommenen Startvorteil motiviert werden: In einem Experiment gab es zwei Testgruppen, welche eine Waschstraße für Autos benutzen sollten. Die eine Gruppe bekam eine leere Bonuskarte mit acht Stempelfeldern, die andere eine Stempelkarte mit zehn Feldern, von denen zwei bereits gestempelt waren. Die erste Gruppe kam mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 20 Prozent zurück, die zweite mit einer Wahrscheinlichkeit von um die 40 Prozent, da sie den Eindruck hatte, einen leichteren Start zu haben. Ein eigentlich negativ behafteter psychologischer Effekt, der eine große Rolle spielen kann, wird kognitive Dissonanz genannt. Hier geht es, kurz gesagt, darum, dass man mit kleineren Belohnungen die Erinnerung schaffen kann, der Benutzer habe etwas aus freien Stücken gemacht, da er im Nachhinein glaubt, die Belohnung war viel zu niedrig, als dass sie als Motivation hätte dienen können. Der Psychologe Richard Bartle hat außerdem eine Kategorisierung plus zugehörigem Test in vier Spielertypen vorgenommen. Dies ist wichtig, um die Zielgruppe zu kennen, auf die man die GamificationElemente ausrichtet. Interessant ist die Verteilung der fast selbsterklärenden Gruppen: Der Socializer macht 80 Prozent der Spieler aus, was den Fokus einer Gamifizierung von Anwendungen deutlich auf das The- ma Communitybildung richten sollte. Die anderen Spielertypen sollen selbstredend auch betrachtet werden, die Verhältnisse sind jedoch klar.
Badges vs. Story
Wenn man eine Assoziation mit Gamification hat, dann sind es die berühmt-berüchtigten Auszeichnungen oder „Badges“. Jede neue Anwendung braucht sie scheinbar, um den Benutzer zu motivieren – damit einhergehend natürlich auch Erfahrungspunkte und Erfahrungsstufen, die der „Spieler“aufsteigen kann. Dies ist tatsächlich auch ein naheliegendes Vorgehen, um den Benutzer extrinsisch zu motivieren – für repetitive Aufgaben zu belohnen. Wichtig bei einem solchen Modell ist zusätzlich, dem Benutzer immer den nächsten Schritt zu zeigen – wie kann er besser werden, die nächste Stufe erreichen? Damit kann man ihm die sprichwörtliche Karotte vor der Nase aufzeigen. Auch Ranglisten zum Vergleich der Spieler zählen in diese Kategorie. Ein bekanntes Beispiel für solch ein Vorgehen ist das Office-Plugin Ribbon Hero oder die Startseite von Berufsnetzwerken wie LinkedIn, die auffordern, Profile stets upzudaten. Nun hilft extrinsische Motivation vor allem bei eintönigen Aufgaben – wie kann man dann ein hochwertiges User-Engagement auf meiner neuen Enterprise-Plattform etablieren? Nach einem kurzen Blick auf die Spielertypen nach Richard Bartle sollte
klar sein: Unterstützen Sie die Mitarbeiter dabei, eine möglichst starke Community aufzubauen! Geben Sie dem Einzelnen ein Ziel und brechen Sie dies auf kleine Teile herunter, wo sehr wohl Elemente wie Auszeichnungen und Erfahrungspunkte eine Rolle spielen können. Ein Beispiel könnte sein: Recherchiere zu 100 Incidents in der Best-Practise-Datenbank,und wenn dort kein Eintrag vorhanden ist, erstelle einen. Diese Ziele müssen natürlich gegen andere Ziele validiert werden – wenn Sie Ihre Incident-lösende Abteilung nach gelösten Incidents in Relation zur benötigten Zeit messen, dann haben sie hier eine klassische Konkurrenzsituation geschaffen.
Rechtliches
Gamification ist in Deutschland ein heißes Eisen, da man sich ausrechnen kann, welche Art von Daten hier erhoben und analysiert werden muss. Um die notwendigen Daten zu den Benutzerprofilen zu erfassen, ist die Erfassung einiger persönlicher Daten vonnöten, wie zum Beispiel die Anzahl der Einträge Einzelner in Foren, Bewertungen dieser Beiträge und vieles mehr. Allein die Benennung der Titel, die man für gewisse Fortschrittsstufen vergibt, kann in manchem Umfeld schlaflose Nächte nach sich ziehen, obwohl ja gerade hier oft nicht ganz ernst gemeinte, dennoch schmeichelnde Bezeichnungen sehr charmant für die User sein können. Daher ist eine gute Planung, welche Daten man wirklich braucht und welche man nicht erheben möchte – abhängig von den verwendeten GamificationStilmitteln –, unerlässlich. Da die Gesetzeslage in Deutschland eindeutig regelt, dass in Betrieben mit einem etablierten Betriebsrat hier Mitbestimmungspflicht besteht, ist es nur klug, dieses Gremium frühzeitig bei einem Gamification-Vorhaben ins Boot zu holen. Ein Vorteil kann auch sein, dass der Betriebsrat oft helfen kann, da er weiß, wie die Belegschaft „tickt“. Oft begrüßt die Arbeitnehmervertretung die Ziele von Gamification, nur muss mit den erhobenen Daten vertraulich umgegangen und Rückschlüsse auf Arbeitsverhalten ausgeschlossen werden.
Zusammenfassung
Gamification kann ein interessantes, da ganzheitliches Mittel nicht nur zur Produktivitätssteigerung, sondern auch zur Beeinflussung des Betriebsklimas sein. Falsch verstandene Gamification in Form von Be- punktung und Highscorelisten wird schnell in das Gegenteil umschlagen, da „unterperformende“Mitarbeiter nur noch mehr frustriert werden. Wichtigstes Ziel von Enterprise Gamification sollte die Motivation des Anwenders sein, die durch den Aufbau einer aktiven, sich helfenden Community erreicht wird. Wer geht nicht gerne zur Arbeit, wenn er Hunderte anderer Mitspieler hat?
whs