Abzocke in Online-Shops
Dass sich die Preise vieler Produkte im Online-Handel schnell ändern, ist kein Geheimnis mehr. Wer zur falschen Tageszeit einkauft, der verschenkt viel Geld. Sparen können dagegen Shopper, die den optimalen Zeitpunkt treffen.
Die Preise variieren nach Zeit und Ort
Bei Tankstellen hat man sich längst daran gewöhnt: Morgens, wenn die Straßen voller Pendler sind, kostet das Benzin einige Cent mehr als später am Tag, wenn sich der Verkehr wieder beruhigt hat. Das ist zumindest der Eindruck, den man als Autofahrer bekommen kann, wenn man hauptsächlich zu den Stoßzeiten unterwegs ist. Tatsächlich ist das Spiel mit den Benzinpreisen wesentlich komplizierter, denn klare Regelmäßigkeiten sind nicht erkennbar. Das macht aus Sicht der Anbieter auch Sinn; denn wäre es tatsächlich so, dass der Kraftstoff immer zu bestimmten Zeiten teuerer oder billiger wird, könnten sich die Kunden darauf einstellen. Hinter den Preisschwankungen steckt ein ausgeklügeltes und bewährtes System, mit dem, da kann man sicher sein, Aral, Shell oder OMV ihre Einnahmen zielsicher optimieren. Die einzelnen Filialen haben auf den
Preis keinerlei Einfluss mehr. Geändert wird durch die Zentrale, und zwar vollautomatisch. All das hält seit einiger Zeit auch im stationären Handel Einzug: Elektronische Preisschilder finden sich inzwischen in zahlreichen Elektronikmärkten und auch im Lebensmittelhandel. Auch hier lassen sich die Preise, wie an der Tankstelle, zentral per Knopfdruck ändern und sogar an die der Online-Konkurrenz oder an die des hauseigenen Onlineshops anpassen. Der Haupttreiber im Bereich der dynamischen Preise ist indes das Internet. Wer schon einmal eine Reise im Web gesucht und Vergleiche angestellt hat, der weiß, wie oft und wie schnell sich die Preise ändern können. Der günstige Flug, auf den man an einem Mittwoch gestoßen ist, findet sich am darauf folgenden Samstag beispielsweise nur noch selten wieder. Überaus flexibel agieren auch Web-Shops wie Zalando, Amazon und Media Markt. Der Bestand eines Produktes sinkt zu schnell? Zeit für eine schnelle Preisänderung nach oben. Die Konkurrenz ist billiger? Runter mit dem Preis. Nicht vergessen werden darf, dass das Web wie kein anderer Marktplatz äußerst transparent ist. Die Preise lassen sich über zahllose WebShops hinweg in Sekundenschnelle miteinander vergleichen. Das wissen natürlich auch die Shops selbst, und viele reagieren auf diese Tatsache mit einer regelmäßigen Anpassung der Sortimentpreise an die der Konkurrenz.
Die wichtigste Regel ist, dass es leider keinerlei Regeln gibt
Eins vorweg: Es ist natürlich völlig legal und verstößt gegen keinerlei Vorschriften, wenn ein Onlinehändler seine Preise ändert – ganz egal, wie oft und in welcher Grö- ßenordnung. Für den Käufer ist es dennoch oft schwer nachvollziehbar, warum ein Produkt von einer Minute auf die andere teurer wird. Die meisten Autofahrer nutzen inzwischen eine der praktischen Apps, die bei der Suche nach dem günstigsten Benzinpreis in der Gegend behilflich sind. Nach Angaben des Kartellamts sind die hohen Schwankungen bei Kraftstoffpreisen in Ferienzei- ten übrigens nahezu verschwunden; dafür sind die sich täglich wiederholenden Preisanpassungen während eines Tages weit stärker ausgeprägt als früher. Das könnte eine Reaktion auf die Verwendung der Benzinpreis-Apps und Webseiten sein, weil sich die dort angegebenen Preise nicht in Echtzeit aktualisieren. Und wie sieht es im Online-Handel aus? Gibt es dort eventuell auch höhere Preise vor Weihnachten und niedrigere zu bestimmten Tageszeiten? Zunächst einmal sind die Onlineshops unterschiedlich und nur schwer vergleichbar. So hat die Verbraucherzentrale Brandenburg im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung herausgefunden, dass sich die Preise bei vielen Onlineshops sehr häufig, bei anderen seltener und bei wieder anderen so gut
40 Prozent aller Preise Etwa werden in Internet-Shops generell dynamisch verändert. Dr. Kirsti Dautzenberg, Marktwächter-Teamleiterin, VZ Brandenburg
wie gar nicht ändern. Die Onlineapotheke Sanicare schießt den Vogel ab: Im beobachteten Testzeitraum von 34 Tagen wurde bei 87 Prozent der beobachteten Produkte der Preis mindestens einmal geändert, bei Mediamarkt bei 65 Prozent, bei Zalando bei 49 und bei Alternate bei 44 Prozent der Produkte. Am anderen Ende der Skala liegt die Shop-Apotheke mit null Prozent. In den Webshops von Hornbach (elf Prozent) sowie Obi (17 Prozent) ändert sich preislich auch vergleichsweise wenig, was möglicherweise mit dem Produktangebot zu tun hat. Motorsägen und Rasendünger sind keine zeitkritischen Modeaccessoires wie das Portfolio von Zalando. Und sie sind auch keine HighTech-Geräte mit kurzer Halbwertzeit wie all das, was Alternate unter die Leute bringt. Weiterhin vermutet Dr. Kirsti Dautzenberg von der Verbraucherzentrale Brandenburg, dass kleinere Shops generell weniger dynamisches Pricing betreiben als große, da dieses natürlich Kosten und einen technischen Aufwand verursacht. Wir haben bei diversen Online-Anbietern angefragt und uns nach den Gründen für die stetigen Preisschwankungen erkundigt. Wesentlichen Einfluß auf die bei Zalando angegebenen Preise haben die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller. Zudem bestimmen Faktoren wie etwa die Verfügbarkeit und Nachfrage die Preisgestaltung im jeweiligen Zalando-Shop. Hierzu zählt auch, welcher Artikel wann wie stark reduziert wird. Sollte Zalando ein Produkt nicht mehr vorrätig haben, dann kann ein anderer Anbieter aus dem Zalando-Partner-Programm einspringen und das Produkt anbieten. Dieses Partner-Programm ist Zalandos Marktplatzmodell, bei dem Händler ihre Logistikprozesse an Zalando anbinden können. Die Partner sind in ihrer Preisgestaltung komplett frei, sodass sich deren Preis von Zalandos unterscheiden kann. Was Zalando nach eigenen Angaben nicht macht, ist, die Preise anhand des Endgerätes zu ändern, mit dem ein Kunde bei Zalando einkauft. Die Verbraucherzentrale fand heraus, dass Preisveränderungen bei Mediamarkt zumeist Abends gegen 18:45 Uhr vorgenommen werden. Mediamarkt hat diese Zeit zwar nicht bestätigt, setzt nach Angaben einer Unternehmenssprecherin notwendige Preisanpassungen online wie stationär aber außerhalb der Ladenöffnungszeiten der Märkte um. Die Angaben widersprechen sich zeitlich zwar ein wenig, lassen aber erkennen, dass Preisanpassungen bei Mediamarkt in der Regel zu selben Zeiten gegen Abend vorgenommen werden. Als Multichannel-Händler will Mediamarkt seinen Kunden, so eine Sprecherin des Unternehmens, sowohl in den „stationären Märkten als auch im Onlineshop jeden Tag marktgerechte und wettbewerbsfähige Verkaufspreise bieten.“Die Pricing-Logik orientiere sich dabei grundsätzlich am Marktumfeld. Das heißt, das Unternehmen prüft täglich bei allen maßgeblichen Online- und Offline-Wettbewerbern, ob die Preise bezogen auf das Preis-Leistungsverhältnis wettbewerbsfähig sind und passt sie an. Das dürfte dann auch für die Preise in den Märkten vor Ort gelten, die sich wie erwähnt über elektronische Preisschilder ändern lassen.
Wann ist die beste Einkaufszeit?
Diese Frage lässt sich leider nicht genau beantworten, zumal die Preise ja nicht nur steigen, sondern sich wie die meisten Börsenkurse in beide Richtungen bewegen. Wir selbst haben einige Produkte bei Amazon beobachtet, darunter eine Philips SonicareZahnbürste. Diese kostete am 2. Oktober bei Amazon 165,99 Euro. Am nächsten Tag, und zwar exakt um 12:20 Uhr, sank der Preis um 46,99 Euro auf nunmehr 119 Euro. Das ist ein neuer Tiefpreis für die Bürste, die einen Monat zuvor noch knapp 190 gekostet
PreisanpasSofern sungen notwendig sind, werden diese online wie außerhalb stationär der Ladenöffnungszeiten unserer Märkte umgesetzt. Mediamarkt-Unternehmenssprecherin
hatte, im Mai etwa 140 Euro und bei Markteinführung vor einem Jahr satte 219 Euro. Fakt ist: Der Preis von 119 Euro wurde als Tagesangebot am 3. Oktober zunächst im Webshop von Mediamarkt aufgerufen. Darauf hat Amazon reagiert und den Preis zeitnah angepasst. Ein Phänomen, das man bei den beiden Rivalen immer wieder erkennen kann. Wer die Preise bei Amazon nicht selber beobachten möchte, der kann dazu das Tool camelcamelcamel.com verwenden, das es unter dem Namen Camelizer auch als Firefox-PlugIn gibt. Damit lässt sich der Preisverlauf jedes Produkts des größten Onlinehändlers herausfinden, und es schlägt auf Wunsch per E-Mail Alarm, wenn ein Wunschpreis erreicht oder eine bestimmte Preisgrenze unterboten wird. Das ergibt natürlich vor allem bei einem Produkt Sinn, das man nicht sofort benötigt und bei dem eine gewisse Wartezeit akzeptabel ist. Wenn Sie den Preisverlauf eines Produktes wie der bereits erwähnten Zahnbürste studieren, wird Ihnen eine gewisse Tendenz zudem nicht verborgen bleiben. Sie erkennen in der Grafik oben auf der linken Seite sehr schnell, dass sich die Trendlinie seit Markteinführung nach unten bewegt. Es gibt zwar immer wieder Ausschläge nach oben und auch längere Phasen vergleichsweise hoher Preise, doch werden diese immer wieder von starken Ausreißern nach unten durchbrochen. Diese Ausreißer gilt es, beispielsweise durch die Alarmfunktion von Camelcamelcamel, exakt abzupassen. Eine ähnliche Funktion bietet auch die Preisvergleichsseite Idealo, wobei sie dort den Namen Preiswecker trägt. In der Praxis scheint das recht gut zu funktionieren, allerdings war der Amazon-Preis auch fünf Stunden nach der erfolgten Preissenkung noch nicht aktualisiert. Es ist also sinnvoll, vor dem Kauf eines Produkts die von Idealo angegebenen Preise aller Anbieter über die jeweilgen Links nochmals zu überprüfen. Einen ähnlichen Aufgabenbereich hat das Browser-PlugIn Ciuvo, das für alle gängigen Browser wie Chrome, Firefox, Safari und Opera verfügbar ist. Ciuvo überwacht im Hintergrund Ihre Shoppingaktivitäten und listet automatisch in einer Toolbar alternative Angebote.