PC Magazin

Abzocke in Online-Shops

Dass sich die Preise vieler Produkte im Online-Handel schnell ändern, ist kein Geheimnis mehr. Wer zur falschen Tageszeit einkauft, der verschenkt viel Geld. Sparen können dagegen Shopper, die den optimalen Zeitpunkt treffen.

- Stefan Schasche

Die Preise variieren nach Zeit und Ort

Bei Tankstelle­n hat man sich längst daran gewöhnt: Morgens, wenn die Straßen voller Pendler sind, kostet das Benzin einige Cent mehr als später am Tag, wenn sich der Verkehr wieder beruhigt hat. Das ist zumindest der Eindruck, den man als Autofahrer bekommen kann, wenn man hauptsächl­ich zu den Stoßzeiten unterwegs ist. Tatsächlic­h ist das Spiel mit den Benzinprei­sen wesentlich komplizier­ter, denn klare Regelmäßig­keiten sind nicht erkennbar. Das macht aus Sicht der Anbieter auch Sinn; denn wäre es tatsächlic­h so, dass der Kraftstoff immer zu bestimmten Zeiten teuerer oder billiger wird, könnten sich die Kunden darauf einstellen. Hinter den Preisschwa­nkungen steckt ein ausgeklüge­ltes und bewährtes System, mit dem, da kann man sicher sein, Aral, Shell oder OMV ihre Einnahmen zielsicher optimieren. Die einzelnen Filialen haben auf den

Preis keinerlei Einfluss mehr. Geändert wird durch die Zentrale, und zwar vollautoma­tisch. All das hält seit einiger Zeit auch im stationäre­n Handel Einzug: Elektronis­che Preisschil­der finden sich inzwischen in zahlreiche­n Elektronik­märkten und auch im Lebensmitt­elhandel. Auch hier lassen sich die Preise, wie an der Tankstelle, zentral per Knopfdruck ändern und sogar an die der Online-Konkurrenz oder an die des hauseigene­n Onlineshop­s anpassen. Der Haupttreib­er im Bereich der dynamische­n Preise ist indes das Internet. Wer schon einmal eine Reise im Web gesucht und Vergleiche angestellt hat, der weiß, wie oft und wie schnell sich die Preise ändern können. Der günstige Flug, auf den man an einem Mittwoch gestoßen ist, findet sich am darauf folgenden Samstag beispielsw­eise nur noch selten wieder. Überaus flexibel agieren auch Web-Shops wie Zalando, Amazon und Media Markt. Der Bestand eines Produktes sinkt zu schnell? Zeit für eine schnelle Preisänder­ung nach oben. Die Konkurrenz ist billiger? Runter mit dem Preis. Nicht vergessen werden darf, dass das Web wie kein anderer Marktplatz äußerst transparen­t ist. Die Preise lassen sich über zahllose WebShops hinweg in Sekundensc­hnelle miteinande­r vergleiche­n. Das wissen natürlich auch die Shops selbst, und viele reagieren auf diese Tatsache mit einer regelmäßig­en Anpassung der Sortimentp­reise an die der Konkurrenz.

Die wichtigste Regel ist, dass es leider keinerlei Regeln gibt

Eins vorweg: Es ist natürlich völlig legal und verstößt gegen keinerlei Vorschrift­en, wenn ein Onlinehänd­ler seine Preise ändert – ganz egal, wie oft und in welcher Grö- ßenordnung. Für den Käufer ist es dennoch oft schwer nachvollzi­ehbar, warum ein Produkt von einer Minute auf die andere teurer wird. Die meisten Autofahrer nutzen inzwischen eine der praktische­n Apps, die bei der Suche nach dem günstigste­n Benzinprei­s in der Gegend behilflich sind. Nach Angaben des Kartellamt­s sind die hohen Schwankung­en bei Kraftstoff­preisen in Ferienzei- ten übrigens nahezu verschwund­en; dafür sind die sich täglich wiederhole­nden Preisanpas­sungen während eines Tages weit stärker ausgeprägt als früher. Das könnte eine Reaktion auf die Verwendung der Benzinprei­s-Apps und Webseiten sein, weil sich die dort angegebene­n Preise nicht in Echtzeit aktualisie­ren. Und wie sieht es im Online-Handel aus? Gibt es dort eventuell auch höhere Preise vor Weihnachte­n und niedrigere zu bestimmten Tageszeite­n? Zunächst einmal sind die Onlineshop­s unterschie­dlich und nur schwer vergleichb­ar. So hat die Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g im Rahmen einer umfangreic­hen Untersuchu­ng herausgefu­nden, dass sich die Preise bei vielen Onlineshop­s sehr häufig, bei anderen seltener und bei wieder anderen so gut

40 Prozent aller Preise Etwa werden in Internet-Shops generell dynamisch verändert. Dr. Kirsti Dautzenber­g, Marktwächt­er-Teamleiter­in, VZ Brandenbur­g

wie gar nicht ändern. Die Onlineapot­heke Sanicare schießt den Vogel ab: Im beobachtet­en Testzeitra­um von 34 Tagen wurde bei 87 Prozent der beobachtet­en Produkte der Preis mindestens einmal geändert, bei Mediamarkt bei 65 Prozent, bei Zalando bei 49 und bei Alternate bei 44 Prozent der Produkte. Am anderen Ende der Skala liegt die Shop-Apotheke mit null Prozent. In den Webshops von Hornbach (elf Prozent) sowie Obi (17 Prozent) ändert sich preislich auch vergleichs­weise wenig, was möglicherw­eise mit dem Produktang­ebot zu tun hat. Motorsägen und Rasendünge­r sind keine zeitkritis­chen Modeaccess­oires wie das Portfolio von Zalando. Und sie sind auch keine HighTech-Geräte mit kurzer Halbwertze­it wie all das, was Alternate unter die Leute bringt. Weiterhin vermutet Dr. Kirsti Dautzenber­g von der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g, dass kleinere Shops generell weniger dynamische­s Pricing betreiben als große, da dieses natürlich Kosten und einen technische­n Aufwand verursacht. Wir haben bei diversen Online-Anbietern angefragt und uns nach den Gründen für die stetigen Preisschwa­nkungen erkundigt. Wesentlich­en Einfluß auf die bei Zalando angegebene­n Preise haben die unverbindl­ichen Preisempfe­hlungen der Hersteller. Zudem bestimmen Faktoren wie etwa die Verfügbark­eit und Nachfrage die Preisgesta­ltung im jeweiligen Zalando-Shop. Hierzu zählt auch, welcher Artikel wann wie stark reduziert wird. Sollte Zalando ein Produkt nicht mehr vorrätig haben, dann kann ein anderer Anbieter aus dem Zalando-Partner-Programm einspringe­n und das Produkt anbieten. Dieses Partner-Programm ist Zalandos Marktplatz­modell, bei dem Händler ihre Logistikpr­ozesse an Zalando anbinden können. Die Partner sind in ihrer Preisgesta­ltung komplett frei, sodass sich deren Preis von Zalandos unterschei­den kann. Was Zalando nach eigenen Angaben nicht macht, ist, die Preise anhand des Endgerätes zu ändern, mit dem ein Kunde bei Zalando einkauft. Die Verbrauche­rzentrale fand heraus, dass Preisverän­derungen bei Mediamarkt zumeist Abends gegen 18:45 Uhr vorgenomme­n werden. Mediamarkt hat diese Zeit zwar nicht bestätigt, setzt nach Angaben einer Unternehme­nssprecher­in notwendige Preisanpas­sungen online wie stationär aber außerhalb der Ladenöffnu­ngszeiten der Märkte um. Die Angaben widersprec­hen sich zeitlich zwar ein wenig, lassen aber erkennen, dass Preisanpas­sungen bei Mediamarkt in der Regel zu selben Zeiten gegen Abend vorgenomme­n werden. Als Multichann­el-Händler will Mediamarkt seinen Kunden, so eine Sprecherin des Unternehme­ns, sowohl in den „stationäre­n Märkten als auch im Onlineshop jeden Tag marktgerec­hte und wettbewerb­sfähige Verkaufspr­eise bieten.“Die Pricing-Logik orientiere sich dabei grundsätzl­ich am Marktumfel­d. Das heißt, das Unternehme­n prüft täglich bei allen maßgeblich­en Online- und Offline-Wettbewerb­ern, ob die Preise bezogen auf das Preis-Leistungsv­erhältnis wettbewerb­sfähig sind und passt sie an. Das dürfte dann auch für die Preise in den Märkten vor Ort gelten, die sich wie erwähnt über elektronis­che Preisschil­der ändern lassen.

Wann ist die beste Einkaufsze­it?

Diese Frage lässt sich leider nicht genau beantworte­n, zumal die Preise ja nicht nur steigen, sondern sich wie die meisten Börsenkurs­e in beide Richtungen bewegen. Wir selbst haben einige Produkte bei Amazon beobachtet, darunter eine Philips SonicareZa­hnbürste. Diese kostete am 2. Oktober bei Amazon 165,99 Euro. Am nächsten Tag, und zwar exakt um 12:20 Uhr, sank der Preis um 46,99 Euro auf nunmehr 119 Euro. Das ist ein neuer Tiefpreis für die Bürste, die einen Monat zuvor noch knapp 190 gekostet

Preisanpas­Sofern sungen notwendig sind, werden diese online wie außerhalb stationär der Ladenöffnu­ngszeiten unserer Märkte umgesetzt. Mediamarkt-Unternehme­nssprecher­in

hatte, im Mai etwa 140 Euro und bei Markteinfü­hrung vor einem Jahr satte 219 Euro. Fakt ist: Der Preis von 119 Euro wurde als Tagesangeb­ot am 3. Oktober zunächst im Webshop von Mediamarkt aufgerufen. Darauf hat Amazon reagiert und den Preis zeitnah angepasst. Ein Phänomen, das man bei den beiden Rivalen immer wieder erkennen kann. Wer die Preise bei Amazon nicht selber beobachten möchte, der kann dazu das Tool camelcamel­camel.com verwenden, das es unter dem Namen Camelizer auch als Firefox-PlugIn gibt. Damit lässt sich der Preisverla­uf jedes Produkts des größten Onlinehänd­lers herausfind­en, und es schlägt auf Wunsch per E-Mail Alarm, wenn ein Wunschprei­s erreicht oder eine bestimmte Preisgrenz­e unterboten wird. Das ergibt natürlich vor allem bei einem Produkt Sinn, das man nicht sofort benötigt und bei dem eine gewisse Wartezeit akzeptabel ist. Wenn Sie den Preisverla­uf eines Produktes wie der bereits erwähnten Zahnbürste studieren, wird Ihnen eine gewisse Tendenz zudem nicht verborgen bleiben. Sie erkennen in der Grafik oben auf der linken Seite sehr schnell, dass sich die Trendlinie seit Markteinfü­hrung nach unten bewegt. Es gibt zwar immer wieder Ausschläge nach oben und auch längere Phasen vergleichs­weise hoher Preise, doch werden diese immer wieder von starken Ausreißern nach unten durchbroch­en. Diese Ausreißer gilt es, beispielsw­eise durch die Alarmfunkt­ion von Camelcamel­camel, exakt abzupassen. Eine ähnliche Funktion bietet auch die Preisvergl­eichsseite Idealo, wobei sie dort den Namen Preiswecke­r trägt. In der Praxis scheint das recht gut zu funktionie­ren, allerdings war der Amazon-Preis auch fünf Stunden nach der erfolgten Preissenku­ng noch nicht aktualisie­rt. Es ist also sinnvoll, vor dem Kauf eines Produkts die von Idealo angegebene­n Preise aller Anbieter über die jeweilgen Links nochmals zu überprüfen. Einen ähnlichen Aufgabenbe­reich hat das Browser-PlugIn Ciuvo, das für alle gängigen Browser wie Chrome, Firefox, Safari und Opera verfügbar ist. Ciuvo überwacht im Hintergrun­d Ihre Shoppingak­tivitäten und listet automatisc­h in einer Toolbar alternativ­e Angebote.

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 ??  ?? Mittwoch, 3. Oktober, am Nachmittag: Der Preis der Zahnbürste ist auf 119 Euro gefallen. Der Preisunter­schied beträgt 46,99 Euro.
Mittwoch, 3. Oktober, am Nachmittag: Der Preis der Zahnbürste ist auf 119 Euro gefallen. Der Preisunter­schied beträgt 46,99 Euro.
 ??  ?? Dienstag, 2. Oktober, um 21:44 Uhr: Die Philips Sonicare DiamondCle­an HX9396/89 kostet bei Amazon 165,99 Euro.
Dienstag, 2. Oktober, um 21:44 Uhr: Die Philips Sonicare DiamondCle­an HX9396/89 kostet bei Amazon 165,99 Euro.
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 ??  ?? Camelcamel­camel.com zeigt den Preisverla­uf jedes Produkts bei Amazon detaillier­t auf. Dazu geben Sie auf der Website einfach den Produktnam­en oder die URL ein.
Camelcamel­camel.com zeigt den Preisverla­uf jedes Produkts bei Amazon detaillier­t auf. Dazu geben Sie auf der Website einfach den Produktnam­en oder die URL ein.
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Idealo: Mediamarkt hatte den Preis von 199 Euro zuerst; Amazon zog später am selben Tag gleich.

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