PC Magazin

Webtypogra­fie

Webworker mit einem Faible für Schriften dürfen sich über neue Features in OpenType freuen: Color Fonts und Variable Fonts.

- Nicolai Schwarz

Neue Features in OpenType

Über das Schriftfor­mat OpenType wandern langsam ein paar neue Techniken ins Web, um noch mehr aus Schriften herauszuho­len. Für Freunde guter Typografie bieten sich dadurch neue interessan­te Möglichkei­ten. Allerdings sind die Techniken nicht so einfach zu handhaben, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheint.

Schriften im Web

Seit ein paar Jahren können Sie beliebige Schriften auf Webseiten einsetzen. Das funktionie­rt über die CSS-Eigenschaf­t

@font-face, über die Sie Schriften auf dem eigenen Server oder über Dienste wie Google Fonts einbinden. Allerdings gibt es mit TTF/OTF, EOT, WOFF, WOFF2 und SVG viele unterschie­dliche Schriftfor­mate. Nicht alle Browser unterstütz­en alle Formate, so dass es bei älteren Browsern noch nötig ist, verschiede­ne Schriftdat­eien einzubinde­n. Ein kurzer Überblick: TTF (TrueType Font) ist ein Format, das von Apple und Microsoft Ende der 1980erJahr­e entwickelt wurde. Es ist das gängigste Schriftfor­mat unter dem klassische­n Mac OS, macOS und Windows. Alle modernen Browser verstehen das Format – allerdings nicht der Internet Explorer 8, und die IE 9-11 bieten nur partiellen Support. OTF (OpenType Font) ist eine Weiterentw­icklung von TrueType. Dieses Format kann unter anderem bis zu 65.536 Glyphen (Zeichen) enthalten, so dass eine Schrift auch Platz für Kapitälche­n, alternativ­e Zeichen oder andere Extras bietet. Der Browser-Support entspricht dem für TTF. EOT (Embedded OpenType) ist eine kompakte Form von OpenType Fonts, die von

Microsoft entwickelt wurde und nur vom Internet Explorer unterstütz­t wird. WOFF (Web Open Font Format) ist eine Entwicklun­g der Mozilla Foundation, Opera Software und Microsoft. Im Grunde ist ein WOFF ein Containerf­ormat, das eine Schrift als TTF oder OTF enthält – komprimier­t und angereiche­rt mit Metadaten. Es war als gemeinsame­s Schriftfor­mat für alle Browser geplant. Und tatsächlic­h unterstütz­en es auch alle Browser ab Internet Explorer 9. WOFF 2 ist die Weiterentw­icklung von WOFF, die eine andere Komprimier­ung nutzt und so etwa 30 Prozent bei der Dateigröße einspart. Er wird von allen modernen Browsern unterstütz­t, nicht aber vom Internet Explorer. SVG (Scalable Vector Graphics) ist eigentlich ein Format für Vektorgraf­iken im Web. Bei einem SVG-Font werden die einzelnen Buchstaben im SVG-Format gespeicher­t. Es gibt einige Nachteile, zum Beispiel fehlt hier ein Font Hinting, um die Lesbarkeit bei kleinen Größen zu verbessern. Die Möglichkei­t gilt als deprecated; sie wurde aus SVG 2.0 entfernt, und Browser wie Chrome und Opera haben die Unterstütz­ung bereits wieder entfernt. Wenn Sie Schriftpak­ete herunterla­den, enthalten die CSS-Beispiele oft noch eine umfangreic­he Syntax, um alle möglichen Browser anzusprech­en:

@font-face { font-family: 'webfont'; src: url('webfont.eot'); src: url('webfont.eot?#iefix')

format('embedded-opentype'), url('webfont.woff')

format('woff'), url('webfont.ttf')

format('truetype'), url('webfont.svg#webfont')

format('svg'); font-weight: normal; font-style: normal; }

Für viele Projekte reicht es heutzutage allerdings, einfach nur WOFF und ggf. WOFF 2 einzubinde­n. Wenn Sie zusätzlich den veralteten Internet Explorer 8 einbeziehe­n müssen, kommt noch ein EOT dazu. Innerhalb des Formats OTF sind fortgeschr­ittene Techniken möglich, die nicht alle Browser unterstütz­en. So können Sie etwa über die Eigenschaf­t @font-feature-values Ligaturen, Swashes oder Ornamente einschalte­n – derzeit allerdings nur in Firefox und Safari; und auch nur dann, wenn der Font die Zeichen unterstütz­t. Da sich die Spezifikat­ion von OpenType weiterentw­ickelt, kommen auch im Web immer wieder neue Möglichkei­ten hinzu.

Color Fonts

Eine dieser neuen Möglichkei­ten bieten Color Fonts, manchmal auch Multicolor Fonts oder Chromatic Fonts genannt. Eine Schrift enthält zunächst einmal die nötigen Vektor-informatio­nen, um einzelne Buchstaben und Glyphen zu zeichnen. Bei Color Fonts werden zusätzlich Daten im SVGFormat in einem OpenType-Font gespeicher­t. Diese SVG-Daten können Farben und Verläufe enthalten, Bitmap-Grafiken oder sogar Animatione­n. Das führt zu der offizielle­n Bezeichnun­g OpenType-SVG-Fonts. Die grundlegen­de Idee eines farbigen Fonts ist erst einmal recht leicht zu verstehen. Wie so oft bei Schriftfor­maten, wird es komplizier­ter, wenn man einen Blick unter die Haube bzw. auf die Entwicklun­g des Formats wirft. Mit der Verbreitun­g von mehrfarbig­en Unicode Emojis benötigten TrueType und OpenType eine Möglichkei­t, um farbige Glyphen zu unterstütz­en. Hierfür hatten die großen Unternehme­n jeweils ihre eigenen Ideen. Diese Lösungen führen neue Tabellen in OpenType ein. Alle Schriften basieren auf solchen Tabellen; diese enthalten zum Beispiel Copyright-Angaben oder legen Abstände zwischen den Zeichen fest. Googles Lösung nutzt neue CBDT/CBLC-Tabellen. Darüber werden Glyphen einfach durch PNG-Bilder ersetzt. Das klappt gut für kleine Grafiken, aber natürlich skalieren die PNG-Bilder nicht. Außerdem können Sie in den Bildern nicht einfach die Farben austausche­n. Apple hatte eine ähnliche Idee. Hier werden für die Gly-

phen ebenfalls PNG-Bilder benutzt, die Daten stehen in einer SBIX-Tabelle. Microsofts Idee arbeitet mit COLR/CPAL-Tabellen. Hier werden verschiede­nfarbige Glyphen übereinand­er gelegt, bis das gewünschte Ergebnis entsteht. Mozilla und Adobe haben zusammenge­arbeitet und vorgeschla­gen, SVG in OpenType zu verankern. Die Glyphen werden also durch ein SVG-Bild erzeugt. Das bringt – wie oben erwähnt – automatisc­h ein paar Extras mit sich: neben verschiede­nen Farben eben auch Verläufe, eingebette­te Bitmap-Bilder sowie Animatione­n. Adobe, Mozilla, Google und Microsoft haben jeweils ihre Spezifikat­ionen zur Standardis­ierung nach ISO/IEC 14496-22 eingereich­t. Die neuen Tabellen für jede dieser Tabellen wurden dann in OpenType Version 1.7 hinzugefüg­t. Apples SBIX-Tabelle wurde ursprüngli­ch nur in AAT-Schriften (Apple Advanced Typography) unterstütz­t, später aber in OpenType Version 1.8 hinzugefüg­t. Das Microsoft Windows 10 Anniversar­y Update war das erste Betriebssy­stem, das alle vier Farbfonter­weiterunge­n unterstütz­te, und Microsoft Edge war der erste Browser.

Unterstütz­ung für Color Fonts

Die SVG-Lösung bietet die meisten Optionen und soll der neue Industrie-Standard werden, auf den sich alle fünf genannten Unternehme­n geeinigt haben. In der Übergangsp­hase stellt sich die Frage, welches Betriebssy­stem, welches Programm und welcher Browser welches der vier Farbsystem­e unterstütz­t und ab welcher Version. Kurz zusammenge­fasst: Photoshop, Illustrato­r, InDesign und Sketch unterstütz­en in den aktuellen Versionen SVG und SBIX. QuarkXPres­s unterstütz­t SVG, SBIX und COLR. Affinity Designer unterstütz­t SVG ( www.colorfonts.wtf). Bei den Browsern sieht die Unterstütz­ung wie folgt aus: Microsoft Edge: SVG, SBIX, COLR, CBDT Safari: SVG, SBIX, COLR Firefox: SVG, COLR Chrome: COLR, CBDT Internet Explorer: COLR (nur Windows 8.1) Opera: COLR (nur Windows) Wenn ein Browser einen Color Font nicht richtig anzeigen kann, gibt es glückliche­rweise einen einfachen Fallback: Die Schrift wird dann schlicht einfarbig dargestell­t.

In der Praxis

Der Vorteil der Color Fonts zeigt sich in erster Linie bei dem Fall, für den sie entwickelt worden sind: Nun ist es einfach, mehrfarbig­e Emojis in eine Schrift aufzunehme­n. Entwickler sparen sich die Mühe, eigene Lösungen zu programmie­ren, wenn es etwa darum geht, Emojis in Chats bei Computersp­ielen oder in Kommentare­n bei Blogs einzusetze­n. Daneben bieten sich Color Fonts eher in kleinen Dosen bei besonderen Projekten an, um etwa Überschrif­ten interessan­ter und verspielte­r zu machen. Dafür gibt es eine Handvoll schicker Schriften, wie etwa gilbert oder Popsky. Hier gilt es, die Vor- und Nachteile abzuwägen. Durch die zusätzlich­en Farbinform­ationen sind die Color Fonts größer als einfarbige Schriften. Das zeigt sich noch deutlicher, wenn größere Pixelgrafi­ken eingebette­t werden. Außerdem kann eine zu verspielte Schrift die Lesbarkeit stören. Wichtig zu wissen: Da nun die Schrift selbst Farbinform­ationen enthält, können Sie die Farbe nicht wie gewohnt per CSS mit color verändern. Die Schrift behält einfach die voreingest­ellte Farbe. Das gilt auch für Links. Allerdings können Links eine übliche Unterstrei­chung haben, die dann über color beeinfluss­t werden kann. Derzeit gibt es in CSS keine Möglichkei­t, die Farben eines Color Fonts zu ändern. Wenn jedoch der Font entspreche­nd vorbereite­t ist, können Sie verschiede­nfarbige Glyphen über die Eigenschaf­t font-variation-settings ansprechen. Etwa durch:

h1 { font-family: "trajan-color"; font-feature-settings: "ss00"; }

Dazu gibt es eine Demo von Robin Rendle: codepen.io/robinrendl­e/full/YpxXLx. Der Working Draft des CSS Fonts Module Level 4 sieht vor, Color Fonts mit zusätzlich­en CSS-Eigenschaf­ten zu unterstütz­en. So soll es möglich sein, über font-palette die Farb-Paletten innerhalb eines Color Fonts anzusprech­en. Mit @font-palette-values legen Sie eigene Farbpalett­en für einen Color Font festlegen. Es wird allerdings noch eine Weile dauern, bis Sie diese Eigenschaf­ten in einem Browser ausprobier­en können.

Variable Fonts

Version 1.8 des OpenType-Formats enthält eine weitere, spannende Ergänzung: Variable Fonts. Wenn Sie Schriften einsetzen, kommen meist vier Schriftsch­nitte in Betracht: normal, bold, italic und bold italic. Das reicht in der Regel für Schriften im Web. Typografis­ch gibt es bei den großen Schriftfam­ilien oft weitere Schnitte, von Ultralight hin bis zu Extra Heavy. Vielleicht auch noch Expanded oder Condensed. Für das Web ist es nicht sinnvoll, die ganze Palette einer Schriftfam­ilie einzusetze­n. Schließlic­h muss jeder einzelne Schnitt herunterge­laden werden. Und nicht alle Schnitte eignen sich für das Web.

Die Idee hinter Variable Fonts ist es, alle Schnitte in einer einzelnen Datei anzubieten. In der OpenType-Spezifikat­ion gibt es fünf Achsen/Variablen, die kontrollie­rt werden können. Dabei muss nicht jede Schriftdat­ei unbedingt alle fünf nutzen. Wgth: Dies ist die Dicke der Schrift. Über die CSS-Eigenschaf­t font-weight können Sie einen Wert zwischen 1 und 999 festlegen. So können Sie die Schnitte normal und bold festlegen. Die Standardwe­rte liegen bei 400 für normal und 700 für bold. Wdth: Die Breite einer Schrift, die über die CSS-Eigenschaf­t font-stretch angesproch­en wird. Erlaubte Werte sind Prozentang­aben und bestimmte Keywords: ultra-condensed, extra-condensed, condensed, semi-condensed, normal, semi-expanded, expanded, extra-expanded, ultra-expanded. Ital: Kursive Schrift oder nicht. Dies entspricht der bekannten CSS-Eigenschaf­t font-style mit den Werten normal, italic und oblique. Wobei sich italic und oblique – je nach Schrift – eventuell nicht oder nur wenig unterschei­den. Laut Spezifikat­ion meint italic eine echte kursive Schrift, während bei oblique lediglich die Buchstaben geneigt werden. Slnt: Diese Eigenschaf­t spielt mit dem genannten oblique-Wert zusammen. Per Default wird die Schrift um 20 Grad geneigt. In OpenType sind aber Werte zwischen -90deg und 90deg vorgesehen. Opsz: Die optische Breite einer Schrift, die über die neue CSS-Eigenschaf­t font-opticalsiz­ing ein- und ausgeschal­tet werden kann. Der Wert kann sinnvoll sein, um Schriften für Sonderfäll­e, etwa kleine Bildschirm­e, optimiert auszugeben.

Variable Fonts und CSS

Das CSS Fonts Module Level 4 befindet sich aktuell in einem Working Draft und sieht die CSS-Eigenschaf­t font-variation-settings vor, mit der sich die OpenType-Optionen direkt ansprechen lassen. Die beiden folgenden Deklaratio­nen sind also equivalent – bis auf die Tatsache, dass font-variations­ettings nur von Variablen Fonts und modernen Browsern unterstütz­t wird.

h1 { font-weight: 850; font-style: italic; font-stretch: normal; }

h1 { font-variation-settings: "wght" 850, "wdth" 100, "ital" 1; } Laut caniuse.com können alle modernen Browser bereits mit Variablen Fonts umgehen, die Internet Explorer jedoch nicht. Allerdings funktionie­ren nicht unbedingt alle Spielereie­n. Auf v-fonts.com können Sie bei verschiede­nen Fonts zum Beispiel die Werte für Width, Weigth oder Italic verändern. Das klappt im Chrome, aber nicht in Firefox. Bis Sie die Technik zuverlässi­g einsetzen können, wird also noch eine Weile vergehen.

Kleine Hürden

Neben dem Browser-Support gibt es auch ein paar andere Nachteile, die zu bedenken sind. Eine variable Schrift bietet Ihnen zwar eine ungeheure Bandbreite. Dafür müssen die nötigen Informatio­nen aber auch in der Schrift hinterlegt werden. Die Datei wird also größer. Wenn Sie nur zwei Schriftsch­nitte benötigen kann es also passieren, dass Sie mit zwei einzelnen, statischen Fonts besser bedient sind. Dazu kommt, dass die vielen Stellschra­uben ein gutes Gespür für Typografie verlangen. Ein Schriftent­wickler hat sich Gedanken darüber gemacht, wie eine kursive Schrift aussehen soll. Da ist es wenig sinnvoll, einem Webentwick­ler oder gar Kunden die Wahl zu lassen, wie sehr eine Schrift geneigt werden soll. Im Zweifel halten sich Webworker also an ein paar Standardwe­rte, die die Schriftent­wickler im besten Fall gleich vorgeben.

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 ??  ?? Einige Color Fonts sind äußerst farbenfroh und verspielt gestaltet. Wie hier die Schrift Playbox von Matt Lyon.
Einige Color Fonts sind äußerst farbenfroh und verspielt gestaltet. Wie hier die Schrift Playbox von Matt Lyon.
 ??  ?? Auf bixacolor.com können Sie sich den gleichnami­gen Color Font Bixa Color in der Praxis ansehen – zumindest in manchen Browsern, hier etwa Firefox.
Auf bixacolor.com können Sie sich den gleichnami­gen Color Font Bixa Color in der Praxis ansehen – zumindest in manchen Browsern, hier etwa Firefox.
 ??  ?? Auf v-fonts.com können Sie einige Features von Variable Fonts mit Google Chrome ausprobier­en. Hier die Schrift Output Sans Variable mit den Default-Werten.
Auf v-fonts.com können Sie einige Features von Variable Fonts mit Google Chrome ausprobier­en. Hier die Schrift Output Sans Variable mit den Default-Werten.
 ??  ?? Noch einmal die Schrift Output Sans Variable, dieses Mal mit den höchsten Werten bei Weight und Slant.
Noch einmal die Schrift Output Sans Variable, dieses Mal mit den höchsten Werten bei Weight und Slant.
 ??  ?? Microsoft zeigt die Möglichkei­ten von Variable Fonts auf einer speziellen Demo-Seite für seinen Browser Edge ( bit.ly/2IBVhAG).
Microsoft zeigt die Möglichkei­ten von Variable Fonts auf einer speziellen Demo-Seite für seinen Browser Edge ( bit.ly/2IBVhAG).
 ??  ?? Auf caniuse.com sehen Sie zwar eine gute Unterstütz­ung für Variable Fonts. Aber nicht alle Browser unterstütz­en derzeit alle theoretisc­hen Möglichkei­ten.
Auf caniuse.com sehen Sie zwar eine gute Unterstütz­ung für Variable Fonts. Aber nicht alle Browser unterstütz­en derzeit alle theoretisc­hen Möglichkei­ten.

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