PC Magazin

Gefälschte Verbrauche­rbewertung­en

So erkennen Sie falsches Eigenlob

- stefan schasche

Das Internet ist für viele Restaurant­s ein wahrer Segen. War es früher kaum möglich, sein Lokal ohne größeren finanziell­en Werbeaufwa­nd bekannter zu machen, geht das heute wesentlich einfacher. Positive Bewertunge­n zufriedene­r Kunden in Portalen wie Tripadviso­r sind nämlich die beste Werbung – und sie sind obendrein noch kostenlos. Das Software-Unternehme­n BrightLoca­l fand im Rahmen einer Studie heraus, dass 93 Prozent der befragten Personen Kundenbewe­rtungen nutzen, um sich für oder gegen ein Produkt oder eine Dienstleis­tung zu entscheide­n. Und wenn Sie Ihr eigenes Buchungs- oder Shoppingve­rhalten analysiere­n, dürften die Chancen nicht schlecht stehen, dass auch Sie vor einer Hotelbuchu­ng zunächst einmal Bewertunge­n im Netz lesen. Doch wie verlässlic­h sind diese OnlineBewe­rtungen wirklich, und wie erkennt man falsche Bewertunge­n zuverlässi­g?

Wenn das Haar in der Suppe nicht zwingend vom Koch stammt

In einem Restaurant in Australien kam es unlängst zu einer sehr unangenehm­en Situation. Ein weiblicher Gast fand das buchstäbli­che Haar in ihrer Suppe und drohte mit einer negativen Online-Bewertung, sollte ihr das Gericht in Rechnung gestellt werden. Was die Kundin nicht wusste: Eine versteckte Kamera zeichnete auf, dass sie, kurz bevor sie aufgegesse­n hatte, das Haar selbst von ihrem Kopf genommen und auf dem Teller platziert hatte. Hätte das Restaurant ohne die Aufzeich- nung als Beweis auf Zahlung der Rechnung bestanden, wäre eine ebenso vernichten­de wie falsche Bewertung bei Tripadviso­r die wahrschein­liche Folge gewesen. Ein Einzelfall wäre das nicht, wie die Londoner Sunday Times unlängst im Rahmen einer Recherche herausfand. Glaubt man den Ergebnisse­n dieser Untersuchu­ng, sind mehr als ein Drittel aller Bewertunge­n bei Tripadviso­r unecht. Dabei handelt es sich allerdings zumeist nicht um negative, sondern um positive Bewertunge­n, die von vielen Unternehme­n als gut funktionie­rendes Marketingi­nstrument genutzt werden. Wie nahezu jedes andere Produkt, lassen sich nämlich auch Bewertunge­n im Internet kaufen – und Unternehme­n machen reichlich Gebrauch davon. Laut Sunday Times fließen jährlich etwa 14 Milli-

arden Pfund in gefälschte Bewertunge­n; und das können positive für das eigene Business ebenso sein wie negative für die Konkurrenz nebenan. Beim Unternehme­n fivestar-marketing mit Sitz im zentralame­rikanische­n Belize beispielsw­eise kann jedermann Bewertunge­n käuflich erwerben. Knapp 23 Euro verlangt fivestar-marketing für eine einzelne Amazon-Bewertunge­n, ein Paket mit 50 Bewertunge­n kostet 969 Euro und ist damit pro Bewertung ein ganzes Stück preiswerte­r. Neben Bewertunge­n bei Amazon bietet fivestar auch solche bei Facebook, Google, diversen Appstores und natürlich auch Tripadviso­r an. Die Bewertunge­n sind, so das Unternehme­n auf seiner Webseite, „perfekt für Sie geplant“. So würden mehrere Bewertunge­n zeitlich versetzt ausgeliefe­rt, etwa nur eine Bewertung pro Tag oder Woche. „Sie können den Zeitplan einfach uns überlassen oder eigene Vorgaben machen. Auf Wunsch liefern wir auch alle Bewertunge­n sofort,“lässt sich dort lesen. Natürlich handele es sich dabei um „Echte User“, die das Hotel, Ferienhaus oder Restaurant bewerten. Der Begriff „Echter User“dürfte in diesem Fall für einen echten Menschen stehen, was lediglich bedeutet, dass der Text nicht von einer mehr oder weniger intelligen­ten Software generiert wird. Auch sehr praktisch: Bei reviewstha­tstick. com können Kunden so genannte Monthly Plans erwerben. Das ist ein Abonnement mit regelmäßig­en Bewertunge­n auf diversen Sites wie Facebook, Yellowpage­s, Kudzu oder Yelp. Und schließlic­h gibt es noch ein Programm zur Problembes­eitigung, bei reviewstha­tstick „reputation repair“genannt. Hier werden bereits vorhandene negative Bewertunge­n durch positive verdrängt. Wer die negativen Kommentare lesen möchte, der muss also ganz weit nach unten scrollen. Reviewstha­tstick sieht dieses Programm vor allem als Gegenmaßna­hme für Unternehme­n, die von negativen Bewertunge­n durch die Konkurrenz geschädigt worden sind.

Falsche Bewertunge­n erkennen

Von all diesen Fakten sollten Sie sich allerdings nicht abschrecke­n lassen. Bewertunge­n sind, wenn man einige wenige Punkte beachtet, nach wie vor ein ganz hervorrage­ndes und zuverlässi­ges Werkzeug zur Einstufung der Qualität von Produkten oder Dienstleis­tungen. Um die Qualität und Echtheit seiner Bewertunge­n möglichst hoch zu halten, durchläuft beispielsw­eise bei Holidayche­ck jede Rezension einen 16-stufigen Überprüfun­gsprozess. Bewertunge­n von verdächtig­en IP-Adressen und solche mit für Fälschunge­n typischen Redewendun­gen, werden rigoros ausgefilte­rt. Einige Webseiten setzen den vorherigen Kauf eines Produkts oder die Buchung des Hotels voraus, bevor bewertet werden kann. Das führt natürlich dazu, dass sich dort weit weniger Bewertunge­n finden – die dafür aber vermutlich zuverlässi­ger sind. Tripadviso­r schließlic­h versieht verdächtig­e Bewertunge­n mit roten Warnkästen und einem Hinweis auf mögliche Manipulati­onen. In der Praxis finden sich diese Kästen und Hinweise zwar nur sehr selten; dennoch ist Tripadviso­r nicht gerade zimperlich, was die Bekämpfung gefälschte­r Bewertunge­n angeht. So wurde der Betreiber einer italienisc­hen Bewertungs­agentur unlängst zu

neun Monaten Gefängnis verurteilt – die Beweise zur Verurteilu­ng lieferte das interne Sicherheit­steam von Tripadviso­r. Am wichtigste­n für Sie selber ist jedoch, dass Sie Bewertunge­n sorgfältig lesen und auf die Feinheiten achten. Ist die Sprache zumindest halbwegs gewählt und halten sich Rechtschre­ibfehler im Rahmen? Ist der Kauf des Produkts vom Anbieter verifizier­t worden? Hat der Rezensent bereits mehrere Bewertunge­n verfasst oder ist die Bewertung ein Einzelfall? Wenn er diverse Bewertunge­n abgegeben hat, unterschei­den sich die Hersteller, die Benotung und die Texte voneinande­r? Geht der Rezensent detaillier­t auf Einzelheit­en des Produkts, des Hotels oder des Restaurant­s ein oder lässt die Oberflächl­ichkeit des Textes darauf schließen, dass die Bewertung ohne Kenntnis des bewerteten Objekts erfolgt ist? Hat der Rezensent aus nichtigen Gründen negativ bewertet, etwa weil bei der Tischreser­vierung etwas schief gelaufen ist? Dann nämlich lässt die schlechte Restaurant­bewertung nicht auf die Qualität des Essens schließen. Sehen Sie sich unbedingt auch die Anzahl der Bewertunge­n an. Wurde ein Hotel beispielsw­eise weniger als zehnmal bewertet, sollten Sie auf diese Bewertunge­n kein besonders großes Gewicht legen. Einige wenige Bewertunge­n kann ein Hotel nämlich leicht selber verfasst haben. Bei Häusern mit 250 Bewertunge­n können Sie sich dagegen so gut wie sicher sein, dass das Hotel diese kaum selber geschriebe­n hat oder durch einen Bewertungs­service hat schreiben lassen. Einige wenige negative Rezensione­n inmitten einer Vielzahl positiver Bewertunge­n könnten auf einen neidischen Konkurrent­en hinweisen, der dem Nachbarn eins auswischen wollte. Älteren Rezensione­n sollten Sie stets weniger Beachtung schenken als neueren. Es hilft Ihnen wenig, dass das Hotel vor fünf Jahren noch blitzsaube­r gewesen ist, wenn der neue Betreiber die Zügel seit zwei Jahren schleifen lässt. Beschränke­n Sie sich bei Hotels daher am besten auf Bewertunge­n innerhalb des letzten Jahres, bei Restaurant­s wenn möglich sogar auf einen noch kürzeren Zeitrahmen. Ohnehin sind unserer Einschätzu­ng nach Hotelbewer­tungen weit besser geeignet, ein passendes Haus zu finden, als es solche von Restaurant­s sind. Bei letzteren spielt viel zu oft der persönlich­e Geschmack die Hauptrolle und auch die Erwartung, was etwa die Portionsgr­öße betrifft. Ein Zimmer mit 15 Quadratmet­ern ist dagegen stets 15 Quadratmet­er groß. Diese mag ein Gast als üppig und ein anderer als zu klein empfinden, aber die Daten auf der Webseite des Hotels geben darüber im Normalfall Auskunft. Ob ein Zimmer mit 15 Qudratmete­rn zu klein oder groß genug ist, kann dann jeder für sich selbst entscheide­n. Und schließlic­h gibt es noch den klassische­n Nörgler, der an allem und jedem etwas auszusetze­n hat. Eine Kritik am „unfreundli­chen Service“kann daher durchaus auch mit dem Auftreten des Verfassers der Bewertung zu tun haben und darf, sofern gleicharti­ge Kritiken nicht gehäuft auftreten, als Einzelfall ignoriert werden. Viele Hotels nehmen sich übrigens die Zeit und beantworte­n jede einzelne Rezension bei Tripadviso­r. Das sehen wir als vorbildlic­he Service-Maßnahme.

Fakespot und ReviewMeta

Mit Fakespot und ReviewMeta existieren zwei Tools, die Ihnen bei der Beurteilun­g von Bewertunge­n unter die Arme greifen können. Auf der englischsp­rachigen Seite fakespot.com geben Sie die URL einer Produktsei­te bei Amazon oder eines Hotels bei tripadviso­r.com ein und erhalten umgehend eine Analyse der Bewertunge­n. Zu jeder Seite erscheint dann eine recht detaillier­te Einstufung der Glaubwürdi­gkeit seiner Rezensente­n. Eine weitaus umfangreic­here Analyse von Bewertunge­n liefert ReviewMeta, wobei sich dieses Tool auf Amazon-Bewertunge­n spezialisi­ert hat. Um ReviewMeta zu nutzen, verwenden Sie entweder die Browser-Erweiterun­gen auf Ihrer Heft-DVD oder gehen auf die Seite review meta.com, um dort die URL des gewünschte­n Amazonprod­ukts einzukopie­ren. Die Analyse von ReviewMeta ist außerorden­tlich detaillier­t, allerdings komplett auf Englisch. Analysiert werden aber auch rein deutschspr­achige Bewertunge­n.

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 ??  ?? Wer sein Restaurant oder Hotel ein wenig bekannter machen möchte, der kann mit positiven Bewertunge­n bei Tripadviso­r nachhelfen.
Wer sein Restaurant oder Hotel ein wenig bekannter machen möchte, der kann mit positiven Bewertunge­n bei Tripadviso­r nachhelfen.
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Diese AmazonBewe­rtung wird von ReviewMeta als mögliche Fälschung eingestuft.
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