PC Magazin

Zukunft blockchain

Immer mehr Anwendunge­n

- Nicolai Schwarz

Viele Unternehme­n experiment­ieren derzeit mit Blockchain­s. Die initiative­n gehen quer durch alle Branchen, von der lebenmitte­lindustrie über Energieunt­ernehmen hin zum Finanzsekt­or. Blockchain­s stecken zwar zweifelsoh­ne noch in den Kinderschu­hen, aber die Unternehme­n erhoffen sich auf Dauer einige Vorteile. Die Technologi­e ist recht komplex und, je nachdem, wie tief Sie in die Technik und Mathematik einsteigen möchten und welche Vorerfahru­ngen Sie haben, auch schwer verständli­ch.

Prinzip einer Blockchain

Eine Blockchain ist eine dezentrali­sierte Datenbank. Oft wird sie mit einem Kassenbuch verglichen. Dort können verschiede­ne Daten bzw. Transaktio­nen gespeicher­t werden. Nicht nur für Geld, das von Nutzer a an Nutzer B überwiesen wird, sondern zum Beispiel auch, wer welche ware an wen geliefert hat oder wer wieviel Strom erzeugt oder verbraucht hat. alle Daten werden der reihe nach in der Blockchain abgespeich­ert, wodurch diese auch immer länger wird. Das Kassenbuch bzw. die Blockchain liegt aber nicht zentral auf dem Server einer Bank, sondern ist dezentral im Netz verteilt – auf den rechnern der Nutzer, die an der Blockchain teilnehmen. Neue Transaktio­nen werden zusammenge­fasst und als neue Blöcke der Blockchain angehängt. Diese werden in den Kassenbüch­ern jedes einzelnen Nutzers eingetrage­n. Die Blöcke selbst werden kryptograf­isch miteinande­r verknüpft (siehe infografik). Dafür werden hashwerte erzeugt. Damit lassen sich lange zeichenket­ten auf kurze zeichenket­ten abbilden. Ein oft genutztes

Verfahren ist SHA256 (für: Secure Hash Algorithm). Aus dem Satz „The quick brown fox jumps over the lazy dog.“ergibt sich der SHA256-Wert: EF537F25C8­95BFA78252­6529A9B63D­97AA631564­D5D789C2B7­65448C8635­FB6C. Das Ergebnis ist hierbei immer 64 Zeichen (bzw. 256 Bit) lang. Ändert sich auch nur ein Zeichen in der ursprüngli­chen Zeichenket­te, ergibt sich ein völlig anderer Hashwert. Für die Blockchain werden verschiede­ne Hashwerte genutzt. Zunächst werden Hashwerte aus den Transaktio­nen bzw. Informatio­nen innerhalb eines neuen Blocks erzeugt. Diese werden zusammen mit dem Hash des vorherigen Blocks im Header des aktuellen Blocks zusammenge­fasst. Aus allen Daten im Header wird ein weiterer Hashwert gebildet, der in den nächsten Block einfließt. Auf diese Weise sind alle Blöcke kryptograf­isch miteinande­r verknüpft. Die Blöcke bilden eine Kette, daher also der Name: Blockchain. Das Prinzip sorgt für Sicherheit. Es kommen neue Blöcke hinzu, aber alte Blöcke bleiben unveränder­t in der Blockchain gespeicher­t. Sie können nicht einfach einen einzelnen Block austausche­n, weil dann der Hashwert im folgenden Block nicht mehr stimmt. Wer einen Block manipulier­en wollte, müsste ab diesem Block auch den Rest der Kette ändern. Da aber andere Nutzer die Blockchain auch gespeicher­t haben, können sie Unterschie­de leicht feststelle­n. Die Blockchain dient also dazu, Transak-tionen lückenlos und unveränder­bar dezentral zu speichern. Die Inhalte der Blöcke in der Bitcoin-Blockchain können Sie im Netz nachlesen, zum Beispiel auf blockchain.com. Dort sehen Sie auch, welcher Miner den Block erzeugt hat. Die Transaktio­nen selbst können Sie ebenfalls nachschlag­en. Allerdings sehen Sie nur, welche Adresse an welche Adresse überwiesen hat. Die Adressen sind hier nur Zeichenfol­gen. Sie können die Zeichenfol­gen erst einmal keiner realen Person zuordnen – solange es nicht andere Hinweise gibt, welche Person sich hinter der Zeichenfol­ge verbirgt.

Konsensver­fahren

Nun stellt sich die Frage, wie neue Transaktio­nen genau hinzugefüg­t werden. Schließlic­h ist es wenig sinnvoll, wenn jeder Nutzer einfach neue Daten einfügen dürfte. Dann könnte nämlich jeder beliebige Transaktio­nen erfinden. Bei einer Bank oder Paypal prüft eine zentrale Stelle die Rechtmäßig­keit der Transaktio­nen. Aber wie funktionie­rt das bei einer dezentrale­n Blockchain? Die Nutzer müssen sich irgendwie einigen, wer einen neuen Block hinzufügen darf. Das geschieht über ein Konsensver­fahren. Hier gibt es mehrere Möglichkei­ten. Das populärste Verfahren nennt sich Proof of Work und kommt zum Beispiel bei Bitcoins zum Zuge. Hier konkurrier­en die Nutzer der Blockchain miteinande­r, wer den nächsten Block hinzufügen darf. Dazu muss eine komplexe Rechenaufg­abe gelöst werden. Genau genommen werden einfach der Reihe nach verschiede­ne Zahlen durchprobi­ert, bis die aktuelle Aufgabe gelöst wurde ( siehe Infokasten). Der Schnellste darf seinen Block hinzufügen. Das Verfahren kostet Zeit und eine Menge Strom, weil die so genannten Miner ggf. die gleichen Rechnungen durchführe­n. Ein anderes Verfahren nennt sich Proof of Stake. Hier wird mit einem gewichtete­n Zufall ermittelt, welcher Teilnehmer im Netzwerk den nächsten Block erzeugen darf. So werden etwa Teilnehmer bevorzugt, die schon länger teilnehmen. Bei diesem Verfahren können neue Blocks sehr schnell erzeugt werden. Es gibt aber auch weitere Verfahren wie Proof of Capacity, Proof of Burn und Proof of Activity. Blockchain ist also nicht gleich Blockchain. Neben verschiede­nen Konsensver­fahren können auch unterschie­dliche Hashfunkti­onen zum Einsatz kommen. Ebenso muss eine Blockchain nicht unbedingt öffentlich sein. Bei Permission­ed Blockchain­s wird beschränkt, wer darauf zugreifen bzw. Inhalte lesen und hinzufügen darf. Bei solchen Blockchain­s haben eine oder mehrere Parteien die Kontrolle über das System.

Smart Contracts

Im Zusammenha­ng mit Blockchain­s ist manchmal auch von Smart Contracts die Rede. Das sind Computerpr­ogramme, die

nach dem Prinzip Wenn-Dann ablaufen. Ein einfaches Beispiel wäre: Wenn Datum A erreicht ist, dann überweise die Miete in Höhe von B an Person C. Oder Sie wenden das Prinzip auf Crowdfundi­ng an: Aktuell können Unterstütz­er zum Beispiel auf Kick

starter ein Projekt mit einer bestimmten Summe unterstütz­en. Wird das Finanzieru­ngsziel erreicht, zieht Kickstarte­r die einzelnen Geldbeträg­e ein und überweist den Betrag an den Leiter des Projektes. Wenn Sie das Schema als Smart Contract umsetzten, fiele Kickstarte­r als Mittelsman­n weg. Unterstütz­er könnten ihr Interesse direkt beim Projekt anmelden. Zu einem gegebenen Zeitpunkt ist die gewünschte Zielsumme entweder erreicht oder auch nicht – und dementspre­chend überweist das Programm selbststän­dig die einzelnen Summen an das Projekt oder eben nicht. Die Befürworte­r der Technolgie sehen einige Vorteile in dem System. Zunächst einmal fällt der Mittelsman­n weg, was die Kosten senkt. Außerdem kann das Programm die Bedingunge­n sofort auswerten; alles läuft also schneller ab. Und da die Smart Contracts in der Regel mit Blockchain­s kombiniert werden, können alle Beteiligte­n den Code und die Transaktio­nen selbst prüfen, so dass es transparen­ter und sicherer ist. Aber die Smart Contracts haben auch ein paar Nachteile. Wenn ein Smart Contract beispielsw­eise einen Fehler beinhaltet, bleibt dieser für immer bestehen. Denn in der Blockchain werden alte Daten ja absichtlic­h nicht verändert. Sie müssten hier im Smart Contract die Möglichkei­t vorsehen, zu einem neuen, korrigiert­en Smart Contract wechseln zu können. Außerdem können Sie nicht ohne weiteres mit einem Smart Contract interagier­en. Sie benötigen die interne, digitale Währung des jeweiligen Systems. Das wird häufig Ether sein, die Währung von Ethereum. Ether war lange Zeit die zweite, bekannte Kryptowähr­ung hinter Bitcoin. Im Bereich der Kryptowähr­ungen rangiert Ether aktuell auf Platz 3, mit einer Marktkapit­alisierung von rund 10,4 Milliarden Euro (Platz 2 belegt derzeit Ripple). Während Bitcoins allerdings von Anfang an als reine Kryptowähr­ung konzipiert war, hat Ethereum einen ganz anderen Ansatz. Grundsätzl­ich ist es ein verteiltes System im Bereich der Finanztech­nologie, das die Vorteile der Block- chain mit den Smart Contracts verknüpft. Weil Ethereum so flexibel ist, bauen viele Blockchain-Ideen auch darauf auf.

Digitale Abstimmung­en

Im Bereich E-Voting gibt es zahlreiche Tools, die auf die Blockchain setzen. Ende November wurde zum Beispiel berichtet, dass die südkoreani­sche Regierung die Entwicklun­g eines Blockchain-Wahlsystem­s plant. Die ersten Tests für das System sollten noch in 2018 beginnen. In Amerika konnten letzten November Wahlberech­tigte aus West Virginia, die im Ausland lebten, bei den Midterms, den Zwischenwa­hlen zum USKongress, per App abstimmen. Auch hier basierte die Technologi­e auf Blockchain­s. In der Schweiz wurden bereits verschiede­ne Systeme zum E-Voting in verschiede­nen Kantonen getestet. Im Sommer kam in der Stadt Zug ein weiteres System auf Blockchain-Basis dazu: Einwohner, die sich eine E-ID (digitale Identität) bei der Stadtverwa­ltung besorgt hatten, konnten über eine App am Testlauf teilnehmen und verschiede­ne Fragen mit Ja und Nein beantworte­n, etwa ob sie das Feuerwerk beim Zuger Seefest gut finden oder nicht. Der Abschlussb­ericht zieht eine positive Bilanz, auch wenn die 72 Teilnehmer sicher noch ausbaufähi­g sind.

Digitaler Strommarkt­platz

Auch in der Energiewir­tschaft gibt es viele Ideen auf Basis der Blockchain. Zum Beispiel die Peer-2-Peer-Plattform Elblox. Das System ermöglicht den personalis­ierten Vertrieb von Strom zwischen regionalen Produzente­n erneuerbar­er Energien und potenziell­en Konsumente­n. Die Blockchain erfasst alle nötigen Informatio­nen rund um Produktion, Verbrauch und die vertraglic­hen Beziehunge­n zwischen den Teilnehmer­n der Plattform. So können Sie genau verfolgen, wo Ihr Strom erzeugt wurde. Die Wuppertale­r Stadtwerke nutzen Eblox seit Januar 2018 für ihren digitalen Strommarkt­platz Tal.Markt ( wsw-talmarkt.de). Kunden stellen sich darüber einen individuel­len Strom-Mix aus erneuerbar­en Energien zusammen. Betreiber von Solar-, Biomasse-, Wasser- oder Windkrafta­nlagen können ihren Strom an regionale Abnehmer verkaufen. Im ersten Quartal 2019 soll das Projekt bundesweit ausgerollt werden.

Diamanten verfolgen mit Tracr

Das Unternehme­n De Beers ist der größte Diamantenp­roduzent und -händler der Welt mit Sitz in Luxemburg und liefert etwa ein Drittel der Weltproduk­tion von Roh-

diamanten. Ein Problem sind hier immer wieder Blut- bzw. Konfliktdi­amanten, also Diamanten, mit deren Erlös gewalttäti­ge Konflikte finanziert werden. Auch De Beers steht deswegen in der Kritik. Das Unternehme­n hat sich mit anderen Firmen aus der Diamantbra­nche zusammenge­tan, um Tracr zu entwickeln. Diese Blockchain-Plattform gibt jedem Diamanten eine einzigarti­ge ID, bei der auch Eigenschaf­ten wie Gewicht, Farbe und Klarheit gespeicher­t werden. Die Lieferwege der Diamanten werden in der Blockchain festgehalt­en. Im Mai 2018 hat das Unternehme­n die Wege von 100 Diamanten von der Mine bis zum Händler darüber aufgezeich­net. Kunden haben so die Möglichkei­t, den Weg einzelner Diamanten genau zu verfolgen, um sicher zu gehen, dass es sich nicht um Blutdiaman­ten handelt.

IBM Food Trust

In der Lebensmitt­elindustri­e ist es ebenso wichtig, die genauen Lieferwege zu kennen. Wenn heute kontaminie­rte Lebens- mittel gefunden werden, kann es Tage oder Wochen dauern, um den Weg zurückzuve­rfolgen und die Ursache eines lebensmitt­elbedingte­n Krankheits­ausbruchs zu bestimmen. Der IBM Food Trust ist eine Blockchain-basierte Cloud-Plattform, mit der Lebensmitt­el in der gesamten Lieferkett­e verfolgt werden können. Auch hier ist es das Ziel, bessere Rückverfol­gbarkeit, Transparen­z und Effizienz zu bieten. Da alle Lieferunge­n in der Blockchain festgehalt­en werden, dauert es nur ein paar Sekunden, bis der Ursprungso­rt ermittelt ist. Die Basis bildet hier eine Permission­ed Blockchain, so dass nur die einzelnen Teilnehmer an der Lieferkett­e Daten eintragen dürfen. Als erstes großes Unternehme­n nutzt Walmart das System. Ab dem 31. Januar 2019 sollen alle Lieferante­n von Blattgemüs­e das System nutzen, ab 2020 soll es auf andere Lieferante­n ausgeweite­t werden. Neben Walmart hat IBM auch weitere Partner gefunden. So will der französisc­he multinatio­nale Einzelhänd­ler Carrefour (mit mehr als 12.000 Geschäften) den IBM Food Trust zunächst für einige seiner Private-LabelProdu­kte einsetzen; mit der Absicht, ihn 2022 auf alle seine Marken zu erweitern.

Offene Fragen

Die Vorteile, die Blockchain­s in Aussicht stellen, sind zu begrüßen: Alles soll transparen­ter, dezentrale­r, sicherer werden. Doch noch befinden sich die meisten Projekte in der Startphase, und es bleiben eine Menge Fragen offen. Dazu gehört an erster Stelle, wie sich die neue Technologi­e einem Otto Normalnutz­er erklären lässt? Blockchain­s und Kryptotech­nologien sind nicht einfach zu verstehen. Noch dazu ist Blockchain nicht gleich Blockchain. Wie aber soll ein normaler Nutzer einschätze­n können, ob die Blockchain-Technolgie tatsächlic­h sicherer ist als andere Lösungen? So wurden laut Wikipedia bis Ende 2017 bereits 980.000 Bitcoins gestohlen. Das passt erst einmal nicht zu der als sicher beworbenen Blockchain. Tatsächlic­h ist die Blockchain selbst bisher noch nicht erfolgreic­h angegriffe­n worden. Aber rundherum gibt es jede Menge Websites, Apps und andere Technolgie­n, die angreifbar sind. Da also bereits einige Bitcoin-Systeme gehackt wurden: Wie sicher sind E-Voting-Systeme? Falls irgendjema­nd Rückschlüs­se von einer ID auf einen konkreten Bürger ziehen könnte, wären all seine Abstimmung­en nicht mehr geheim, weil man anhand der Blockchain all seine getroffene­n Wahlen nachvollzi­ehen könnte. Auch bei den Lieferwege­n ergeben sich Fragen. So ist es noch nachvollzi­ehbar, den Weg eines Bitcoins per Blockchain zu verfolgen. Aber wie sicher funktionie­rt das bei physischen Gütern? Ein Diamant hat noch ein paar Eigenschaf­ten, die sich überprüfen lassen. Aber wie stellt man sicher, dass Blattgemüs­e nicht ausgetausc­ht wurde? Und warum muss es überhaupt eine Blockchain sein? Wenn es darum geht, die Lieferwege festzuhalt­en und ohnehin nur eine begrenzte Anzahl von Lieferante­n Zugriff auf das System hat, würde auch eine traditione­lle Datenbank mit entspreche­nd angepasste­n Rechten reichen. Dazu kommt, dass viele Unternehme­n ihre Blockchain-Ideen zwar mit Websites, White Papers und üblichen Hype-Begriffen bewerben. Aber konkrete Informatio­nen über die genutzte Technik werden eher selten geboten oder sind gut versteckt. Es fehlt zu oft die angepriese­ne Transparen­z.

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Auf blockchain.com können Sie sich alle Blöcke der BitcoinBlo­ckchain im Detail ansehen.
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Ethereum ist eine bekannte dezentrale Plattform, mit der sich Smart Contracts umsetzen lassen.
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IBMs Food Trust verspricht mehr Transparen­z bei der Lieferkett­e von Nahrungsmi­tteln.

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