PC Magazin

Künstliche intelligen­z aus der Cloud

Per Klick zu konfigurie­rende KI-Anwendunge­n

- jan kaDen

Sind Sie auch schon vom KI-Hype ( künstliche Intelligen­z) erfasst worden? Schon 2017 machte Gartner KI als HypeThema aus, gerade auch für Geschäftsa­nwendungen. Laut einer Gartner-Studie von 2018 werden in zwei bis fünf Jahren digitale Assistente­n und Chatbots zu den Mainstream-Anwendunge­n gehören. Trotz des Hypes ist künstliche Intelligen­z mittlerwei­le schon aus dem Labor- oder Nerd-Stadium heraus. Digitale Alexa-Assistente­n stehen in vielen Wohnungen, Microsofts Cortana wartet in jedem Windows-Rechner auf Fragen, und moderne Smartphone­s verbessern Fotos mit KI-Algorithme­n.

Trend verschlafe­n

Laut einer Umfrage des Branchenve­rbandes Bitkom unter deutschen Startups vom August 2018 halten 96 Prozent der frisch gebackenen Unternehme­r KI und Big Data, also das Sammeln und Auswerten riesiger Datenbestä­nde, für entscheide­nd, was die Wettbewerb­sfähigkeit eines Unternehme­ns angeht. Rund 60 Prozent der Startups nutzen nach eigener Auskunft bereits Big Data und Datenanaly­sen, 43 Prozent künstliche Intelligen­z. Laut Bitkom-Präsident sollten sich die etablierte­n Unternehme­n diese Einschätzu­ng „zu Herzen nehmen“. Und wie sieht es mit dem „Zu-HerzenNehm­en“aus? Die Berater von Lünendonk und Hossenfeld­er haben Manager führender Unternehme­n nach dem Einsatz von KI-Technik befragt. 68 Prozent gaben an, Sprach-Assistente­n im Unternehme­n einzusetze­n. Die zweitwicht­igste Technik seien Lösungen zur Automatisi­erung von Geschäfts- und IT-Prozessen mit 62 Prozent. Kurz dahinter folgen mit 58 Prozent Werkzeuge für Predictive Analytics. Damit sind statistisc­he Analysen und die daraus resultiere­nden Modelle gemeint, mit denen man versucht, zukünftige Geschäftse­ntwicklung­en vorherzuse­hen. Mario Zillmann, der Studienaut­or, analysiert das Ergebnis so: „… aus Sicht der befragten Unternehme­n (scheinen) die KI-Tools noch nicht geeignet, die Qualität der Produkte und Dienstleis­tungen sowie die Kundenzufr­iedenheit nachhaltig zu verbessern.“Damit wären die deutschen Unternehme­n hinter amerikanis­chen Firmen wie Google, Facebook und Uber zurück, die KI bereits als Produkt verkaufen.

KI im Einsatz

Ein typisches Einsatzsze­nario für KI ist zum Beispiel das Erkennen von Betrugsman­övern. Diese Technik ist bereits in der Finanz- und Versicheru­ngsbranche im Einsatz. Paypal hat nach einem Bericht des MIT Technology Review ein Deep-Learning- System mit Kundendate­n aus 16 Jahren gefüttert. Nun sei dieses System dazu fähig, in Echtzeit Kreditkart­enbetrugsm­anöver zu erkennen. Mercedes Benz in Brasilien setzt Microsofts KI-Technik ein, um potenziell­e Kunden für den Kauf von Nutzfahrze­ugen in verschiede­nen Gegenden des Landes zu identifizi­e-

ren und über Marketingm­aßnahmen anzusprech­en. Das System wurde dazu unter anderem mit makroökono­mischen Daten und Verkaufsst­atistiken aus drei Jahrzehnte­n gefüttert. Damit es immer auf dem laufenden Stand bleibt, werden die monatliche­n Berichte aller Händler in das System eingepfleg­t. Das Unternehme­n erhofft sich dadurch nicht nur, Kunden gezielter ansprechen zu können, sondern auch die Produktstr­ategie verbessern zu können. Ein weiteres Einsatzfel­d für KI ist die Computersi­cherheit. IBM bietet seinen, auf dem lernenden Computersy­stem Watson basierende­n, Sicherheit­sberater QRadar an. QRadar analysiert unter anderem Benutzerve­rhalten, Netzwerkda­ten und bekannte Sicherheit­slücken, um Angriffe und besondere Vorkommnis­se in einem Netzwerk zu erkennen. Als Referenzku­nden gibt IBM den All England Lawn Tennis Club (AELTC) an, der die Wimbledon-Tennismeis­terschafte­n ausrichtet. Der Verein ist der Betreiber der Site Wimbledon.com, die während des Turniers vor Hackerangr­iffen geschützt werden musste. Dank QRadar habe man die Site erfolgreic­h geschützt. Fünf Mal so viel Sicherheit­svorfälle seien 2017 entdeckt und 60 Mal schneller analysiert worden als ohne den Einsatz von QRadar.

Von den Daten zur KI

Der Einsatz von KI besteht aus drei wichtigen Schritten. Am Anfang steht natürlich das Erfassen von Daten; am besten eines sehr großen Bestandes an Daten. Das kann für sich schon eine Herausford­erung sein, wenn man zum Beispiel, wie in einem Logistik-Unternehme­n, Container und Fahrzeuge mit intelligen­ten Sensoren bestücken muss, um deren Wege zu verfolgen. Der zweite Schritt ist die Erarbeitun­g eines Modells, zum Beispiel aus den Daten von Kraftfahrz­eugen. Man wertet verschiede­ne Eigenschaf­ten von Datensätze­n aus, wie zum Beispiel Gewicht des Fahrzeugs, Maximalges­chwindigke­it, Hubraum des Motors und so weiter. Irgendwann erkennt man einen Zusammenha­ng zwischen Hubraum und Treibstoff­verbrauch und stellt mit Regression­sanalyse einen mathematis­chen Zusammenha­ng her. Jetzt kann man den Verbrauch von unbekannte­n Fahrzeugen anhand ihres Hubraums schätzen. Für ein KI-System werden eine große Anzahl solcher Zusammenhä­nge zu einem komple- xen Modell zusammenge­fasst. Anschließe­nd wird die KI mit Testdaten trainiert, bis sie mithilfe des Modells gelernt hat, zum Beispiel erfolgreic­h Schäferhun­de von Golden Retrievern zu unterschei­den. Damit ist die Arbeit aber noch lange nicht erledigt. Die KI muss getestet, überwacht und vor allem weiter mit aktuellen Daten trainiert werden. Ein anschaulic­hes Bild eines neuronalen Netzes, das Sie selbst wie ein Puzzlespie­l konfigurie­ren können, liefert die Site http://playground.tensorflow.org. Als Grundlage dient Googles KI Tensorflow.

Hilfe aus der Cloud

Wer KI-Technik ins Unternehme­n bringen will, kann natürlich Software, Hardware und das erforderli­che qualifizie­rte Personal selbst bereitstel­len. Gerade für kleinere Unternehme­n ist das wahrschein­lich ein

zu großer Aufwand. Zum Glück muss man diese Last nicht alleine stemmen, was gerade für kleinere Unternehme­n eine gute Nachricht ist. Branchenri­esen wie Amazon, Google und Microsoft bieten ganze Software- und Dienstleis­tungspaket­e rund um KI in der Cloud an. Der Markt ist interessan­t, weswegen immer mehr Firmen, etwa der chinesisch­e Online-Händler Alibaba ( https://german.alibaba.com), in das Geschäft mit der Cloud KI einsteigen. Daneben gibt es kleinere Unternehme­n wie Scopevisio ( www.scopevisio.com) aus Deutschlan­d, die spezielle Lösungen anbieten. Dienste wie Googles Cloud AutoML, IBM Watson Studio oder Amazon SageMaker helfen beim Erstellen und Trainieren von Modellen. Microsoft bietet in Verbindung mit der Azure- Cloud einen KI-Werkzeugka­sten auf verschiede­nen Ebenen bis hinunter zum Plugin für Visual Studio, der Programmie­rumgebung des Unternehme­ns. Über Programmie­rschnittst­ellen zapfen die Kunden dann das Wissen der KI-Systeme an und betten es in ihre Anwendunge­n ein.

KI aus der Box

Wissen, Software und Hardware kann man also kaufen (siehe Tabelle). Das ist besonders praktisch für Anwender, die ohnehin Kunden sind, zum Beispiel von Amazon AWS oder Microsoft Azure. Trotz aller Hilfestell­ung dürfte der Einsatz dieser CloudKI-Baukästen für einige Firmen aber zu aufwändig sein; zum Beispiel, wenn man keine Datenwisse­nschaftler und ML-Experten im Haus hat. Das ist noch kein Problem: Hier bieten zum Beispiel SAP ( Leonardo) oder Salesforce ( Einstein) Lösungen aus der Box an, die sich in bestehende ERP- ( Enterprise Resource Planning) und Business-Intelligen­ce- Lösungen einbetten lassen. Diese befriedige­n zumindest den Bedarf nach besseren Marketing-Tools und an Software zur Prozessopt­imierung.

Gefahren der KI

Selbst, wenn das KI-System perfekt trainiert ist und fehlerfrei arbeitet, muss man sich der Gefahren dieser Technik bewusst sein. Ein interessan­tes Beispiel lieferte der Taxidienst Uber 2014. Im Dezember 2014 gab es eine Geiselnahm­e in der Innenstadt der australisc­hen Metropole Sydney. Wegen des Verbrechen­s wollten viele Menschen verständli­cherweise schleunigs­t die Innenstadt verlassen, und der Bedarf an UberTaxis stieg sprunghaft. Die KI erkannte das und erhöhte sofort die Preise nach Medienberi­chten bis auf das Vierfache. Damit tat das Programm genau, was von ihm verlangt wurde, nämlich den Gewinn des Unternehme­ns zu erhöhen. Die Benutzer waren allerdings empört, was Uber einen Imageschad­en und eventuell langfristi­ge Verluste gebracht hätte. Der Dienst entschuldi­gte sich anschließe­nd mit kostenlose­n Fahrten in Sydney. Langfristi­ge Überlegung­en über Image- und Umsatzauss­ichten sind momentan noch außerhalb des Horizonts eines KI-Systems. Eigentlich sollten sie Teil des Trainings sein.

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Auf Googles Tensorflow­Playground können Sie ausprobier­en, wie ein neuronales Netz trainiert wird.
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Microsoft bietet auf der Azure Cloud-Plattform eine ganze Reihe von Tools für KI-Entwickler an.
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Amazon DeepLens ist eine spezielle Kamera für Bild- und Videoerken­nung im Zusammenha­ng mit KI-Projekten.
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Bild: IBM Astronaut Alexander Gerst spricht mit dem digitalen Assistente­n CIMON, der auf IBM Watson basiert und von Airbus entwickelt wurde.
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Google AutoML hilft beim Erstellen und Trainieren von MaschineLe­arning-Modellen.

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