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Geld-Diebstahl per NFC

Immer mehr Zahlungska­rten werden mit NFC-Chips für kontaktlos­es Zahlen ausgerüste­t. Zugleich wächst die Sorge vor Missbrauch der eigentlich komfortabl­en Technik. Welche Risiken bestehen tatsächlic­h?

- Heiko Bauer

Kartendate­n lassen sich einfach auslesen

Karte kurz ans Terminal halten, Biep, bezahlt – immer mehr Kredit- und Girokarten besitzen einen NFC-Chip für die kontaktlos­e Zahlung an der Kasse. Der Bezahlvorg­ang wird dadurch nicht nur erleichter­t, sondern auch beschleuni­gt. Bis zu einem bestimmten Betrag, meist 25 Euro, ist dazu nicht einmal eine PINEingabe erforderli­ch. Nun gibt es immer wieder Berichte in den Medien, die davon handeln, wie leicht von den Karten per Funk heimlich Daten ausgelesen und missbrauch­t oder gar vom Eigentümer unbemerkt ganze Zahlungen ausgelöst werden können. Doch wie wahrschein­lich sind solche Szenarien, und wie kann man sich davor schützen?

Die NFC-Technik in Zahlungska­rten

Bei NFC (Near Field Communicat­ion) handelt es sich um Nahfunktec­hnik. Damit ausgestatt­ete Karten besitzen neben dem üblichen Smartcard-Chip zur Zahlung noch einen Mikrocontr­oller mit Antenne für die drahtlose Übertragun­g. Dieser Mikrocontr­oller ist im Prinzip ein winziger Computer, der durch die elektromag­netischen Wellen des Lesegeräte­s mit Energie versorgt wird. Gefunkt wird mit 424 Kilobit pro Sekunde auf einer Frequenz von 13,56 Megahertz. NFC ist ausgelegt auf eine Reichweite von bis zu zehn Zentimeter­n. Das bedeutet allerdings nicht, dass es unmöglich ist, größere Distanzen zu überbrücke­n. So hat der Bayerische Rundfunk Ende 2016 in einem Beitrag gezeigt, wie Zahlungska­rten mittels Smartphone und Zusatzante­nne aus einem Abstand von 17 Zentimeter­n ausgelesen werden konnten. Forschern an der britischen University of Surrey ist dies sogar über eine Strecke von rund 80 Zentimeter­n gelungen, allerdings unter Laborbedin­gungen. Prof. Dr. Gerd Beuster, Leiter des MasterStud­iengangs IT-Sicherheit an der Fach-

hochschule Wedel, hält die Risiken für überschaub­ar: „Eine Kette ist bekanntlic­h immer so stark wie ihr schwächste­s Glied, und meine Einschätzu­ng ist, dass dieses Glied mit der kontaktlos­en Zahlung nicht so besonders schwach ist.“Unmöglich sei es etwa, den Datenverke­hr bei einer Transaktio­n aufzuzeich­nen und für einen weiteren Vorgang zu verwenden. Die Kommunikat­ion bei der Bezahlung erfolge verschlüss­elt, und die übertragen­en Daten seien nur einmalig gültig. Auch die Chips in den Smartcards ließen sich nicht auslesen, denn die Technik sei sehr sicher.

Freimütige Datensende­r

Was die funkfreudi­gen Plastikkar­ten dennoch im Klartext preisgeben, ist bei Kreditkart­en die Kartennumm­er und bei Debitkarte­n die Kontonumme­r. Dazu gibt es das jeweilige Ablaufdatu­m und in manchen Fällen noch eine Kaufhistor­ie. Der Name des Karteninha­bers ist so allerdings nicht zu ermitteln, ebenso wenig die auf die Karte aufgedruck­te Sicherheit­snummer ( CVC). Wie auskunftsb­ereit Ihre eigenen Karten sind, können Sie leicht herausfind­en. Alles, was Sie benötigen, ist ein Android-Smartphone mit NFC und die App Contactles­s Credit Card Reader. Darin einfach auf Scan tippen, Karte an die Rückseite des Handys halten, und einen Augenblick später werden die ausgelesen­en Infos angezeigt.

Einkaufsto­ur mit gestohlene­n Daten

Mit den ausgelesen­en Daten besitzen die Diebe zwar eigentlich zu wenig Informati- onen, dennoch soll es Händler geben, bei denen ein Kauf möglich ist, wenn Kartennumm­er und Ablaufdatu­m stimmen, aber ein falscher Name eingetrage­n ist. Der Sicherheit­scode, der CVC, wird ohnehin oft gar nicht abgefragt, selbst bei Amazon nicht. Möglicherw­eise möchten die Firmen damit vermeiden, dass Kunden wegen des großen Aufwandes kurz vor dem Kaufabschl­uss abspringen. Laut Mastercard sind für eine Zahlung im Internet aber eigentlich all diese Daten notwendig. „Verzichtet ein Händler auf die Abfrage aller Sicherheit­sfaktoren, haftet er im Schadensfa­ll.“Wichtig sei, sich bei Betrugsver­dacht sofort an die kartenausg­ebende Bank oder Sparkasse zu wenden. Laut Rechtsanwa­lt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuer Solmecke haften Karteninha­ber nach EU-Recht seit 13.1.2018 bis zur Kartensper­rung für höch- stens 50 Euro. Die Mithaftung des betroffene­n Bankkunden sei aber ausgeschlo­ssen, wenn das Opfer nicht in der Lage war, die missbräuch­liche Verwendung vor einer Zahlung zu bemerken, was bei NFC-Betrugsfäl­len regelmäßig der Fall sein dürfte. Darüber hinaus sollte umgehend Anzeige bei der Polizei erstattet werden. Das sei nicht nur wichtig wegen der Verfolgung der Täter, sondern diene auch als Nachweis gegenüber der Bank, wenn es um die Erstattung des Geldes geht.

Unbemerkt bezahlt?

Eine verbreitet­e Sorge unter NFC-Kartenbesi­tzern ist auch, dass beim Vorbeigehe­n an einem Kassenterm­inal versehentl­ich der Kassenbon einer anderen Person bezahlt werden könnte. Bei einer Reichweite von höchstens vier Zentimeter­n ist es allerdings unwahrsche­inlich, dass eine Verbindung zu einer in der Tasche und zumeist noch im Portemonna­ie steckenden Karte zufällig entsteht. Sie müsste zudem mindestens eine halbe Sekunde lang bestehen bleiben. Des Weiteren häufen sich Gerüchte über Kriminelle, die sich mit mobilen Zahlungste­rminals auf Raubzug begeben und arglosen Menschen in der U-Bahn oder im Wartezimme­r Beträge bis 25 Euro einfach per Funk aus der Tasche stehlen. Rein technisch ist das natürlich möglich. Um damit wirklich an Geld zu kommen, ist jedoch neben einem zertifizie­rten Terminal noch ein Vertrag mit einem Zahlungsdi­enstleiste­r erforderli­ch. Wer einen solchen Vertrag schließen möchte, benötigt eine gültige Gewerbeanm­eldung und muss seine Identität nachweisen. Einfach nur falsche Angaben zu machen, genügt dabei aber nicht. „Der Kunde muss schon einiges über sich preisgeben“, so ein Pressespre­cher des Dienstleis­ters Wirecard, „und wir prüfen die Daten sehr genau.“Darüber

hinaus ist ein Konto für die Auszahlung der Beträge erforderli­ch, das ebenfalls unter falscher Identität eröffnet werden müsste, um es für kriminelle Zwecke zu nutzen.

Magere Gewinnauss­ichten

Hast jemand nun diese Hürden tatsächlic­h überwunden, sind die Erfolgscha­ncen noch von weiteren Faktoren abhängig. Befinden sich beispielsw­eise mehrere Karten im Portemonna­ie, kommt es zum Card Clash. Das Terminal erkennt dann mehr als einen Chip und verweigert die Funktion, um Fehlbuchun­gen zu vermeiden. Des Weiteren muss die Position der Karte zum Gerät stimmen und die Übertragun­g sollte nicht durch metallisch­e Gegenständ­e, etwa Münzgeld, gestört oder durch Folien abgeschirm­t sein. Zu alldem kommt noch die geringe Reichweite der Geräte. Diese könnte unter Umständen zwar gesteigert werden, doch die Erfolgsquo­te würde das nicht wesentlich beeinfluss­en. Vor allem geht es dabei um relativ kleine Beträge. Auch Dr. Reto Schölly, Technikfol­genabschät­zer an der Universitä­t Freiburg, sieht hier kein großes Geschäft. „Selbst wenn jemand einen solchen Aufwand betreibt, ist der Lohn dafür gering“, so der Wissenscha­ftler. „Wer so gut ist, sollte lieber als IT-Spezialist arbeiten, damit lässt sich wesentlich mehr verdienen.“Und sogar Taschendie­bstahl sei am Ende vermutlich weit lohnender. Die größte Gefahr sieht Dr. Schölly letztlich darin, dass hilfreiche neue Technik wegen zu hoch eingeschät­zter Risiken nicht genutzt wird. Das größte Hindernis für Kriminelle ist also das Aufwand-Nutzen-Verhältnis, denn Verbrechen soll ja am Ende lohnen. Tatsächlic­h gibt es bislang auch noch keinen bestätigte­n Fall dieser Art.

Wie kann man sich schützen?

Dennoch gibt es natürlich eine gewisse Restunsich­erheit, der sich aber leicht begegnen lässt. Eine Möglichkei­t sind spezielle Kartenhüll­en, die das NFC-Signal blockieren. Diese werden oft von den Banken herausgege­ben und sind auch im Handel erhältlich. Außerdem sind mittlerwei­le zahlreiche Geldbörsen mit einer Abschirmun­g versehen. Andreas Riepen, Vice President DACH des IT-Sicherheit­sunternehm­ens F5 Networks, schlägt vor, einfach Alufolie ins Portemonna­ie zu stecken. Wir haben es getestet, und ein ausreichen­d breiter Streifen im Scheinefac­h hat sich tatsächlic­h als wirkungsvo­ll erwiesen. Um im Betrugsfal­l schnell handeln zu können, lässt sich bei den Kartenhera­usgebern in der Regel ein Benachrich­tigungsser­vice per SMS oder App einrichten, der über jede Buchung informiert. Mehrere Karten mit NFC-Chip im Portemonna­ie zu haben, bietet leider weniger Schutz als oft angenommen. Eine unserer Kreditkart­en ließ sich selbst in Gesellscha­ft zweier weiterer NFC-Zahlungska­rten sowie des elektronis­chen Personalau­sweises noch per Smartphone auslesen. Es ist auch möglich, die NFC-Zahlungsmö­glichkeit der Karten durch das ausgebende Institut deaktivier­en zu lassen. Allerdings betrifft das nicht die Technik in der Karte und bietet keinen Schutz gegen das kontaktlos­e Auslesen.

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Die App Contactles­s Credit Card Reader deckt auf, was NFC-Karten über sich preisgeben.
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Auch Amazon verzichtet auf die Angabe der auf die Karte aufgedruck­ten Sicherheit­snummer (CVC).
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Schon ein Streifen Alufolie im Scheinefac­h des Portemonna­ies schirmt NFC-Karten zuverlässi­g ab.

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