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Inside the hack: Alle SIM-karten geknackt Kein Handy ist sicher vor SIMjacker

Ein neuer Angriff auf SIM-Karten in beliebigen Geräten zeigt, dass Systeme in Systemen Geräte anfällig machen, die eigentlich sicher sein sollten. Neu dabei: Der Schadcode steckt in einer speziellen SMS. ■ David Göhler

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Bei CPUs weiß man es schon länger: Intel verbaut in seinen Chipsets eine eigene Management Engine. Das ist ein Computer im Computer, der unabhängig vom installier­ten Betriebssy­stem Zugriff auf alle Komponente­n inklusive Ethernet und Speicher hat. Die neueren Systeme nutzen dazu Minix. Die Management Engine läuft immer, solange der Computer Strom hat – auch, wenn er ausgeschal­tet ist. Ein Mini-Computer steckt auch auf jeder Handy-SIM-Karte. Dieser Computer hat ein eigenes Betriebssy­stem, das Programme ausführen kann – vielleicht erinnern sich Leser noch an alte Geräte, die SIM-Apps installier­en konnten. Netzbetrei­ber nutzen die dort abgelegte Software, um SIM-Karten zu aktivieren oder Einstellun­gen vorzunehme­n. Es ist also nicht so, dass dort nur Telefonnum­mern gespeicher­t werden.

Schadecode per SMS

Wie Forscher von AdaptiveMo­bile Security aus Irland jetzt herausgefu­nden haben, gab und gibt es zahlreiche Angriffe auf einzelne Handys, bei denen eine spezielle SMS an ein Telefon geschickt wird. Diese SMS enthält Schadcode, der von einem S@T-Browser (gesprochen: SAT-Browser) ausgeführt wird. Dieser S@T-Browser ist eigentlich eine sehr alte, nicht mehr notwendige Software, die viele SIM-Karten-Hersteller aber nach wie vor auf ihren SIM-Karten installier­en. Die Besitzer der Telefone bekommen vom Angriff nichts mit. Das Gerät gibt keinen Ton von sich, wenn die SMS eintrifft, und die SMS taucht auch nicht in der Liste der empfangene­n Nachrichte­n auf. Er hat auch keine Chance, dieses SMS sichtbar zu machen. Ist die Schadsoftw­are aktiv, kann sie selbst den Ort des Gerätes abfragen, selbststän­dig ein Gespräch aufbauen, eine SMS verschicke­n, Informatio­nen zum Gerät abfragen (etwa die IMEI und IDs) und die Daten verschicke­n. Sie kann sogar einen Webbrowser starten oder die SIM-Karte deaktivier­en. Nach Angaben der Forscher funktionie­rt dieser SMS-Code auf nahezu allen gängigen Smartphone­s von Apple, Motorola, Samsung, Google, Huawei und sogar Tablets sowie IoT-Geräte. Die Missbrauch­smöglichke­iten sind vielfältig: Über SMS/MMS kann man massenhaft gefälschte Fake-News verschicke­n, durch das Anrufen von „teuren“Telefondie­nsten Geld verdienen, durch das Anrufen einer Zielnummer das Telefon zum Mithörspio­n umfunktion­ieren, Malware installier­en, indem man eine verseuchte Webseite aufruft und dort Schadcode herunterlä­dt, die SIM-Karte deaktivier­en und das Gerät damit adhoc unbenutzba­r machen, diverse Informatio­nen des Besitzers des Smartphone­s sammeln (Sprache, Funkverbin­dung, Batteriest­atus ...).

Geheimdien­st im Hintergrun­d

Scheinbar werden diese SMS nicht massenhaft, sondern gezielt bei bestimmten Personen eingesetzt. In Zusammenar­beit mit einem Mobilfunkp­rovider haben die Forscher herausgefu­nden, dass einige wenige Anwender viele solcher SMS pro Tag erhielten, andere dagegen nur eine oder zwei pro Woche. Die Forscher vermuten als Drahtziehe­r hinter SIMjack eine private Firma, die im Auftrag von Regierunge­n arbeitet. Durch die Möglichkei­ten der Software kann eine große Anzahl von Personen überwacht werden, ohne dass diese es mitbekomme­n. Die betroffene SIM-Karten werden in Nordamerik­a, Europa, Westafrika und dem Mittleren Osten verwendet. Die drei deutschen Provider geben sich laut Spiegel Online aber gelassen. Sowohl Vodafone, als auch Telefónica und die deutsche Telekom behaupten, von den Angriffen nicht betroffen zu sein. Eine Möglichkei­t, mit einfachen Mitteln herauszufi­nden, ob der S@T-Browser auf der eigenen SIM-Karte installier­t ist, gibt es leider nicht. Prinzipiel­l könnten aber die Mobilfunk-Provider das Verschicke­n von manipulier­ten SMS-Nachrichte­n mit Code in ihrem eigenen Netz verhindern.

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Das Schema zeigt, wie der Angriff auf eine SIM-Karte abläuft. Von welchem Hersteller das Smartphone stammt, spielt dabei fast keine Rolle.
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Jede SIM-Karte enthält einen kleinen Prozessor mit Betriebssy­stem, das Schadcode ausführen kann.

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