Streaming-Windows aus der Cloud Raspberry Pi dient als Mini-Client zuhause
Windows auf einem Raspberry Pi 4? Dafür reicht die Leistung nicht. Aber statt es zu installieren, kann man sich es auf einem potenten Server im Netz ab 10 Euro mieten und den Raspi als Terminal nutzen. Wir haben den Test gemacht.
Was gibt es nicht alles in der Cloud: virtuelle Netzwerke und Server, Anwendungen, video-Spiel-Streaming-Server, Platz für Backups und Dropbox-Datenhalden. Was einem seltener über den Weg läuft, ist ein normales Windows, das man einfach mieten kann. Auf den ersten Blick scheint das auch widersinnig: Man braucht ja einen Rechner, um ins Netz zu kommen und darauf läuft in der Regel Windows (manchmal auch Linux oder macOS). Allerdings frisst der recht viel Strom und kommt schnell in die Jahre. Mittlerweile gibt es für ganz kleines Geld schon recht potente Computer-hardware, etwa den gerade frisch upgedateten Raspberry Pi in version 4. Darauf sitzt eine QuadCore-64-Bit-ARM-CPU mit maximal 1,5 Ghz, eine 3D-fähige GPU, 1,2 oder 4 GByte RAM, WLAN, Bluetooth und Gigabit-Ethernet. Zwei hDMi-Ausgänge können Auflösungen bis 3840 x 2160 Punkte an einen Monitor liefern. Abhängig vom hauptspeicher kostet der Raspi 35, 45 oder 55 Euro. Dazu kommen mindestens noch ein 3A-Netzteil, eine 8 GByte große SD-Karte und ein hDMiAdapterkabel (Micro-hDMi auf hDMi). Wer noch eine Tastatur und Maus übrig hat, ist also mit 50 bis 70 Euro dabei. Nur: Ein Windows 10 läuft darauf nicht. Er hat aber genug Dampf, um mit einer Remote-Lösung auf ein Windows in der Cloud oder Netzwerk zuzugreifen. Wem da jetzt gleich vNC und Teamviewer einfällt, liegt nicht ganz falsch. Beide sind weit verbreitet und für viele Systeme verfügbar. Allerdings sind sie relativ träge, da sie immer den Bildschirminhalt als Pixelfläche übertragen. Microsoft hat mit RDP selbst ein RemoteDesktop-Protokoll entwickelt, das tatsächlich wesentlich effizienter ist. Flotte hardware und ein schnelles Netz vorausgesetzt, fühlt sich ein Remote-Windows-PC häufig wie ein lokaler PC an. Bleibt also die Frage: Kann man so etwas mieten? Ja, man kann; und es kostet nicht die Welt. Mit 10 Euro pro Monat bekommt man bereits einen virtuellen Server mit vier Xeon-Cores, 8 GByte Speicher und 200 GByte SSD. Für uns als Redaktion war allerdings die Frage: Taugt das wirklich, und
welche Vor- und Nachteile hat es? Und kann man die Geschwindigkeit vorab mit einem alten PC testen?
Meistens ziemlich flott
Nach dem ersten Ausprobieren überwiegt die positive Überraschung: Das Cloud-Windows fühlt sich flott an. Programme starten sehr schnell, das Scrollen im Startmenü geht ruckelfrei, bei Word und Excel merkt man keinen Unterschied. Nur Webbrowser wirken beim Scrollen manchmal etwas träge; der Bildaufbau an sich ist schnell. Das liegt an der intelligenten Art, wie RDP Daten überträgt. Vielfach schickt es nicht einfach die veränderten Pixel an den Client, sondern lediglich die Grafikbefehle, die dann der Client ausführt. Wenn man also ein Fenster öffnet, werden nicht die Pixel des neuen Fensters verschickt, sondern der Befehl, ein Fenster zu öffnen. Diesen führt dann das Programm auf dem Raspi aus. Statt mehreren 100 KByte müssen nur wenige Byte verschickt werden. Deshalb ist RDP deutlich flotter als VNC oder Teamviewer.
Eine SD-Karte für den Raspi vorbereiten
Soweit die Theorie. Sie möchten es selbst einmal ausprobieren? Das ist relativ einfach: Um einen Raspberry Pi 4 in Betrieb zu nehmen, braucht man eine Micro-SD-Karte mit mindestens 8 GByte Speicher und einen SD-Kartenleser. Das Betriebssystem des Raspberry Pis lädt man sich in der aktuellen Fassung am besten auf www.raspberrypi. org im Bereich Downloads herunter. Wählen Sie Raspbian und auf der Unterseite links oben Raspbian Buster with desktop and recommended software. Laden Sie die Zip-Variante, und entpacken Sie sie. Daraus entsteht die Image-Datei 2019-07-10-raspbian-buster-full.img. Zum Beschreiben der SD-Karte ist eine Software sinnvoll. Hier empfiehlt sich der kostenlose BalenaEtcher ( www.balena.io/etcher). Er ist absolut intuitiv zu benutzen. Wählen Sie nach dem Programmstart zuerst die Raspbian-Buster-Image-Datei und dann die SD-Karte aus, und klicken Sie auf Flash. Das Beschreiben dauert, je nach SD-Karte, mehrere Minuten. Verbinden Sie Ihren Raspi per HDMI-Kabel mit einem Monitor, per USB mit Maus und Tastatur und per Ethernet-Kabel mit dem Netzwerk. Falls Sie den Raspi nur per WLAN einbinden wollen, können Sie das sehr einfach nach dem ersten Start in der Oberfläche tun.
Erster Start und Konfiguration
Der erste Start dauert, abhängig von der SD-Karte, zirka 20 bis 30 Sekunden. Danach erscheint der (Windows-ähnliche) Desktop. Links oben ist das Startmenü (unter der Himbeere) verborgen. Rechts oben sind Status-Icons für Bluetooth, WLAN, Lautstärke und die Uhrzeit zu sehen. In der Mitte des Screens sehen Sie das Welcome to Raspberr y Pi- Fenster. Damit können Sie Sprache und Tastaturbelegung festlegen ( Germany,German, Berlin), dem Default-Benutzer Pi ein neues Passwort geben und ein WLAN auswählen. Zum Schluss sucht der Assistent nach Updates und spielt sie ein, was zehn Minuten dauern kann.
Remote-Desktop-Software installieren
Für einen ersten Test der Remote-DesktopVerbindung benötigen Sie zweierlei: einen Client auf dem Raspi und natürlich ein Windows, dass per RDP erreichbar ist. RDP-Clients für Debian-Linux (also dem Raspi-Betriebssystem) gibt es viele, aber die Qualität der Programme ist sehr unterschiedlich. Ein mächtiges, kompatibles und problemloses Tool ist Remmina, das nicht nur RDP, sondern auch zahlreiche andere Protokolle unterstützt. Es muss erst installiert werden, was beim Raspi über die eingebaute Software-Verwaltung geschieht. Sie finden sie über Startmenü / Einstellungen / Add / Remove Software. Suchen Sie nach Remmina, und wählen Sie dann die ersten drei Einträge und RDP plugin für Remmina aus. Mit einem Klick auf Apply werden sie installiert. Anschließend findet sich das Programm im Startmenü unter Internet.
Windows für RDP konfigurieren
Für die erste Verbindung benötigen Sie aber noch einen Rechner, der per RDP erreichbar ist. Wenn Sie noch keinen Windows-Server in der Cloud gemietet haben, bietet sich der eigene Windows-10-Rechner dafür an. Ist dort eine Pro-Version von Windows installiert, ist das recht einfach: Klicken Sie auf Start / Einstellungen / System / Remote , und aktivieren Sie Remotedesktop aktivieren. Setzen Sie außerdem den Haken vor Meinen PC in privaten Netzwerken sichtbar machen. Im Abschnitt darunter zeigt Ihnen Windows den Namen Ihres Rechners, unter dem er im Netzwerk erreichbar ist, etwa HP-Pavillion. Ist Ihr Windows-System allerdings nur eine Home-Version, ist das Ganze mit etwas mehr Aufwand verbunden. Denn dann
muss Windows gepatcht werden (siehe Textkasten auf der linken Seite RDP mit Windows Home).
Eine erste RDP-Verbindung starten
Ist der Windows-Rechner per RDP erreichbar, geht es auf dem Raspi weiter. Starten Sie Remmina, und geben Sie in das zentrale Eingabefeld hinter RDP den Namen Ihres Windows-Rechners oder seine IP ein. Nach einem Return erscheint ein Dialog, der die Bestätigung eines Zertifikats erfragt. Das ist wichtig und richtig, weil die Verbindung immer verschlüsselt ist und dazu das Zertifikat benötigt wird. Danach fragt das Programm nach den Log-in-Daten für den Account auf dem Windows-Rechner. Geben Sie diese ein, und aktivieren Sie den Schalter für Passwort speichern. Es kann sein, dass das nicht gleich funktioniert, weil Sie noch auf Ihrem WindowsRechner eingeloggt sind. Loggen Sie sich deshalb vorher aus. Remmina kennt verschiedene DisplayModi. Eine ist Dynamische Auflösungumschalten. Dann passt sich die Bildschirmauflösung des Windows-Rechners immer an das Fenster auf dem Raspberry Pi an. Im Vollbild-Modus ist Windows ohne Fensterrahmen zu sehen. Für häufig benutzte Verbindungen kann man diese auch als Listeneintrag speichern. Spielen Sie mit den Einstellungen, um den Remote-Sound einzuschalten, mit der Qualität der Bildschirm-Einstellungen zu experimentieren und lokale Drucker und das Mikrofon freizugeben.
Anbieter für Windows-Server
Die meisten professionellen Hosting-Anbieter, die virtuelle Server anbieten, haben neben Linux als Betriebssystem auch Windows im Repertoire. In der Regel kostet das einen Aufschlag, da Linux kostenlos ist und als Default-Betriebssystem angeboten wird. Besonders günstig ist die Contabo GmbH aus München, die für 10 Euro im Monat die meiste Leistung anbietet. Mit einem Vertrag mit dem Provider erhalten Sie zum einen die Log-in-Daten für Ihren Account, und zum anderen die Zugangsdaten für den frisch aufgesetzten Windows-Server-Rechner. Die Tabelle unten enthält, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, eine Auswahl günstiger Angebote.
Fazit
Windows als Cloud-Dienst mit einem Raspberry Pi 4 als Thin Client ist sehr brauchbar, wenn man wenig mit Videos zu tun hat. Schon nach kurzer Zeit merkt man kaum, dass man an einem Cloud-Rechner sitzt. Auch die Konfiguration des Raspberry-Pis ist erfreulich unkompliziert.