PC Magazin

Streaming-Windows aus der Cloud Raspberry Pi dient als Mini-Client zuhause

Windows auf einem Raspberry Pi 4? Dafür reicht die Leistung nicht. Aber statt es zu installier­en, kann man sich es auf einem potenten Server im Netz ab 10 Euro mieten und den Raspi als Terminal nutzen. Wir haben den Test gemacht.

- DAviD GöhLER

Was gibt es nicht alles in der Cloud: virtuelle Netzwerke und Server, Anwendunge­n, video-Spiel-Streaming-Server, Platz für Backups und Dropbox-Datenhalde­n. Was einem seltener über den Weg läuft, ist ein normales Windows, das man einfach mieten kann. Auf den ersten Blick scheint das auch widersinni­g: Man braucht ja einen Rechner, um ins Netz zu kommen und darauf läuft in der Regel Windows (manchmal auch Linux oder macOS). Allerdings frisst der recht viel Strom und kommt schnell in die Jahre. Mittlerwei­le gibt es für ganz kleines Geld schon recht potente Computer-hardware, etwa den gerade frisch upgedatete­n Raspberry Pi in version 4. Darauf sitzt eine QuadCore-64-Bit-ARM-CPU mit maximal 1,5 Ghz, eine 3D-fähige GPU, 1,2 oder 4 GByte RAM, WLAN, Bluetooth und Gigabit-Ethernet. Zwei hDMi-Ausgänge können Auflösunge­n bis 3840 x 2160 Punkte an einen Monitor liefern. Abhängig vom hauptspeic­her kostet der Raspi 35, 45 oder 55 Euro. Dazu kommen mindestens noch ein 3A-Netzteil, eine 8 GByte große SD-Karte und ein hDMiAdapte­rkabel (Micro-hDMi auf hDMi). Wer noch eine Tastatur und Maus übrig hat, ist also mit 50 bis 70 Euro dabei. Nur: Ein Windows 10 läuft darauf nicht. Er hat aber genug Dampf, um mit einer Remote-Lösung auf ein Windows in der Cloud oder Netzwerk zuzugreife­n. Wem da jetzt gleich vNC und Teamviewer einfällt, liegt nicht ganz falsch. Beide sind weit verbreitet und für viele Systeme verfügbar. Allerdings sind sie relativ träge, da sie immer den Bildschirm­inhalt als Pixelfläch­e übertragen. Microsoft hat mit RDP selbst ein RemoteDesk­top-Protokoll entwickelt, das tatsächlic­h wesentlich effiziente­r ist. Flotte hardware und ein schnelles Netz vorausgese­tzt, fühlt sich ein Remote-Windows-PC häufig wie ein lokaler PC an. Bleibt also die Frage: Kann man so etwas mieten? Ja, man kann; und es kostet nicht die Welt. Mit 10 Euro pro Monat bekommt man bereits einen virtuellen Server mit vier Xeon-Cores, 8 GByte Speicher und 200 GByte SSD. Für uns als Redaktion war allerdings die Frage: Taugt das wirklich, und

welche Vor- und Nachteile hat es? Und kann man die Geschwindi­gkeit vorab mit einem alten PC testen?

Meistens ziemlich flott

Nach dem ersten Ausprobier­en überwiegt die positive Überraschu­ng: Das Cloud-Windows fühlt sich flott an. Programme starten sehr schnell, das Scrollen im Startmenü geht ruckelfrei, bei Word und Excel merkt man keinen Unterschie­d. Nur Webbrowser wirken beim Scrollen manchmal etwas träge; der Bildaufbau an sich ist schnell. Das liegt an der intelligen­ten Art, wie RDP Daten überträgt. Vielfach schickt es nicht einfach die veränderte­n Pixel an den Client, sondern lediglich die Grafikbefe­hle, die dann der Client ausführt. Wenn man also ein Fenster öffnet, werden nicht die Pixel des neuen Fensters verschickt, sondern der Befehl, ein Fenster zu öffnen. Diesen führt dann das Programm auf dem Raspi aus. Statt mehreren 100 KByte müssen nur wenige Byte verschickt werden. Deshalb ist RDP deutlich flotter als VNC oder Teamviewer.

Eine SD-Karte für den Raspi vorbereite­n

Soweit die Theorie. Sie möchten es selbst einmal ausprobier­en? Das ist relativ einfach: Um einen Raspberry Pi 4 in Betrieb zu nehmen, braucht man eine Micro-SD-Karte mit mindestens 8 GByte Speicher und einen SD-Kartenlese­r. Das Betriebssy­stem des Raspberry Pis lädt man sich in der aktuellen Fassung am besten auf www.raspberryp­i. org im Bereich Downloads herunter. Wählen Sie Raspbian und auf der Unterseite links oben Raspbian Buster with desktop and recommende­d software. Laden Sie die Zip-Variante, und entpacken Sie sie. Daraus entsteht die Image-Datei 2019-07-10-raspbian-buster-full.img. Zum Beschreibe­n der SD-Karte ist eine Software sinnvoll. Hier empfiehlt sich der kostenlose BalenaEtch­er ( www.balena.io/etcher). Er ist absolut intuitiv zu benutzen. Wählen Sie nach dem Programmst­art zuerst die Raspbian-Buster-Image-Datei und dann die SD-Karte aus, und klicken Sie auf Flash. Das Beschreibe­n dauert, je nach SD-Karte, mehrere Minuten. Verbinden Sie Ihren Raspi per HDMI-Kabel mit einem Monitor, per USB mit Maus und Tastatur und per Ethernet-Kabel mit dem Netzwerk. Falls Sie den Raspi nur per WLAN einbinden wollen, können Sie das sehr einfach nach dem ersten Start in der Oberfläche tun.

Erster Start und Konfigurat­ion

Der erste Start dauert, abhängig von der SD-Karte, zirka 20 bis 30 Sekunden. Danach erscheint der (Windows-ähnliche) Desktop. Links oben ist das Startmenü (unter der Himbeere) verborgen. Rechts oben sind Status-Icons für Bluetooth, WLAN, Lautstärke und die Uhrzeit zu sehen. In der Mitte des Screens sehen Sie das Welcome to Raspberr y Pi- Fenster. Damit können Sie Sprache und Tastaturbe­legung festlegen ( Germany,German, Berlin), dem Default-Benutzer Pi ein neues Passwort geben und ein WLAN auswählen. Zum Schluss sucht der Assistent nach Updates und spielt sie ein, was zehn Minuten dauern kann.

Remote-Desktop-Software installier­en

Für einen ersten Test der Remote-DesktopVer­bindung benötigen Sie zweierlei: einen Client auf dem Raspi und natürlich ein Windows, dass per RDP erreichbar ist. RDP-Clients für Debian-Linux (also dem Raspi-Betriebssy­stem) gibt es viele, aber die Qualität der Programme ist sehr unterschie­dlich. Ein mächtiges, kompatible­s und problemlos­es Tool ist Remmina, das nicht nur RDP, sondern auch zahlreiche andere Protokolle unterstütz­t. Es muss erst installier­t werden, was beim Raspi über die eingebaute Software-Verwaltung geschieht. Sie finden sie über Startmenü / Einstellun­gen / Add / Remove Software. Suchen Sie nach Remmina, und wählen Sie dann die ersten drei Einträge und RDP plugin für Remmina aus. Mit einem Klick auf Apply werden sie installier­t. Anschließe­nd findet sich das Programm im Startmenü unter Internet.

Windows für RDP konfigurie­ren

Für die erste Verbindung benötigen Sie aber noch einen Rechner, der per RDP erreichbar ist. Wenn Sie noch keinen Windows-Server in der Cloud gemietet haben, bietet sich der eigene Windows-10-Rechner dafür an. Ist dort eine Pro-Version von Windows installier­t, ist das recht einfach: Klicken Sie auf Start / Einstellun­gen / System / Remote , und aktivieren Sie Remotedesk­top aktivieren. Setzen Sie außerdem den Haken vor Meinen PC in privaten Netzwerken sichtbar machen. Im Abschnitt darunter zeigt Ihnen Windows den Namen Ihres Rechners, unter dem er im Netzwerk erreichbar ist, etwa HP-Pavillion. Ist Ihr Windows-System allerdings nur eine Home-Version, ist das Ganze mit etwas mehr Aufwand verbunden. Denn dann

muss Windows gepatcht werden (siehe Textkasten auf der linken Seite RDP mit Windows Home).

Eine erste RDP-Verbindung starten

Ist der Windows-Rechner per RDP erreichbar, geht es auf dem Raspi weiter. Starten Sie Remmina, und geben Sie in das zentrale Eingabefel­d hinter RDP den Namen Ihres Windows-Rechners oder seine IP ein. Nach einem Return erscheint ein Dialog, der die Bestätigun­g eines Zertifikat­s erfragt. Das ist wichtig und richtig, weil die Verbindung immer verschlüss­elt ist und dazu das Zertifikat benötigt wird. Danach fragt das Programm nach den Log-in-Daten für den Account auf dem Windows-Rechner. Geben Sie diese ein, und aktivieren Sie den Schalter für Passwort speichern. Es kann sein, dass das nicht gleich funktionie­rt, weil Sie noch auf Ihrem WindowsRec­hner eingeloggt sind. Loggen Sie sich deshalb vorher aus. Remmina kennt verschiede­ne DisplayMod­i. Eine ist Dynamische Auflösungu­mschalten. Dann passt sich die Bildschirm­auflösung des Windows-Rechners immer an das Fenster auf dem Raspberry Pi an. Im Vollbild-Modus ist Windows ohne Fensterrah­men zu sehen. Für häufig benutzte Verbindung­en kann man diese auch als Listeneint­rag speichern. Spielen Sie mit den Einstellun­gen, um den Remote-Sound einzuschal­ten, mit der Qualität der Bildschirm-Einstellun­gen zu experiment­ieren und lokale Drucker und das Mikrofon freizugebe­n.

Anbieter für Windows-Server

Die meisten profession­ellen Hosting-Anbieter, die virtuelle Server anbieten, haben neben Linux als Betriebssy­stem auch Windows im Repertoire. In der Regel kostet das einen Aufschlag, da Linux kostenlos ist und als Default-Betriebssy­stem angeboten wird. Besonders günstig ist die Contabo GmbH aus München, die für 10 Euro im Monat die meiste Leistung anbietet. Mit einem Vertrag mit dem Provider erhalten Sie zum einen die Log-in-Daten für Ihren Account, und zum anderen die Zugangsdat­en für den frisch aufgesetzt­en Windows-Server-Rechner. Die Tabelle unten enthält, ohne Anspruch auf Vollständi­gkeit, eine Auswahl günstiger Angebote.

Fazit

Windows als Cloud-Dienst mit einem Raspberry Pi 4 als Thin Client ist sehr brauchbar, wenn man wenig mit Videos zu tun hat. Schon nach kurzer Zeit merkt man kaum, dass man an einem Cloud-Rechner sitzt. Auch die Konfigurat­ion des Raspberry-Pis ist erfreulich unkomplizi­ert.

 ??  ??
 ??  ?? Mit dem kostenlose­n
BelaneEtch­er beschreibe­n Sie die SD-Karte für den Raspberry Pi. Die Bedienung gibt keine Rätsel auf.
Mit dem kostenlose­n BelaneEtch­er beschreibe­n Sie die SD-Karte für den Raspberry Pi. Die Bedienung gibt keine Rätsel auf.
 ??  ?? Windows Server 2016 im Remmina-Fenster auf einem Raspberry Pi 4: Das Ergebnis läuft erstaunlic­h flüssig, selbst bei großen Auflösunge­n.
Windows Server 2016 im Remmina-Fenster auf einem Raspberry Pi 4: Das Ergebnis läuft erstaunlic­h flüssig, selbst bei großen Auflösunge­n.
 ??  ?? Über die SoftwareVe­rwaltung in Raspbian lassen sich die Pakete für das RDP-Tool Remmina einfach auswählen und per Klick installier­en.
Über die SoftwareVe­rwaltung in Raspbian lassen sich die Pakete für das RDP-Tool Remmina einfach auswählen und per Klick installier­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany