PC Magazin

hacker knacken PayTV 2000 kostenpfli­chtige Sender im Netz

Hacker knacken verschlüss­elte Fernsehpro­gramme, seit es Pay-TV gibt. Früher verwendete­n sie gehackte Smartkarte­n, heute ist der Aufwand weitaus geringer, um Fernsehsen­der aus aller Welt anzusehen.

- Jens Schmidt

Sage und schreibe 9.000 lineare Fernsehsen­der, dazu zahllose aktuelle Filme und Serien. All das bekommen Abonnenten illegaler Streaming-Dienste zum Jahresprei­s von etwa 90 Euro (7,50 im Monat) über den Internetzu­gang frei Haus geliefert. Zu den angebotene­n Sendern gehören nicht nur hierzuland­e frei verfügbare Programme wie Sat1 oder Arte, sondern auch sämtliche Sky-Kanäle aus Deutschlan­d, Italien oder Großbritan­nien, zahllose US-Sender, von HBO über den Sportsende­r ESPN bis Showtime, und weit über 2.000 kostenpfli­chtige Kanäle aus dem Rest der Welt, von Australien bis Finnland. Alles, was für den Empfang nötig ist, sind ein Internetan­schluss, ein Wiedergabe­gerät, beispielsw­eise ein PC, sowie der Wille, sich mit einem Abonnement bei einem dubiosen IPTV-Anbieter in die Illegalitä­t zu begeben. Letzteres hielt entschloss­ene TVHacker früher nicht von ihren Aktivitäte­n ab, und das hat sich auch heute nicht geändert. Zumal der Aufwand weitaus geringer geworden ist. Wer bei Google nach IPTVProvid­ern sucht, der wird schnell fündig. Nach außen hin geben sich die Anbieter sehr seriös, sogar deutschspr­achige Webseiten sind vertreten; ein entspreche­nder Support in mehreren Landesspra­chen ist selbstvers­tändlich. Dazu existiert zumeist ein Forum mit regem Betrieb, Anleitunge­n für den Empfang sowie FAQs, in denen, meist allerdings reichlich verklausul­iert, über die rechtliche Situation beim Empfang der Sender aufgeklärt wird. Die ist in

der EU allerdings unmissvers­tändlich, wie unser Rechtskast­en auf der folgenden Seite belegt. Danach ist der Empfang von IPTVSender­n untersagt, wenn offensicht­lich ist, dass die Inhalte rechtswidr­ig angeboten werden. Nun wäre ja immerhin denkbar, dass beispielsw­eise ein Portfolio, welches aus an sich unverschlü­sselten Sendern besteht, legal angeboten wird. Wenn allerdings kostenpfli­chtige Kanäle, etwa die von Sky, Teil eines Angebots sind, muss jedem Nutzer klar sein, dass von einem legalen Angebot keinesfall­s die Rede sein kann. Natürlich sind die Provider nicht dumm, und sie bewerben keine einzelnen Sender. Komplette Senderlist­en sind auf den Websites nicht zu finden, und so bleibt zumindest der Anschein gewahrt, dass alles mit legalen Dingen zugeht. Doch kann das wirklich legal sein, wenn ein Angebot tausende von Sendern umfasst? – Um es klar zu sagen: Mit dem Argument der Unwissenhe­it als Erklärung für ein illegales Abo wird man vor Gericht nicht sehr weit kommen.

Von Panama bis Bulgarien

Doch wer steckt eigentlich hinter den IPTVProvid­ern? Wo sich der jeweilige Sitz eines IPTV-Providers befindet oder wer das Geschäft betreibt, ist in der Regel für potenziell­e Kunden nicht zu eruieren. Befindet sich das Büro von Bestbuyipt­v tatsächlic­h in der Nähe der amerikanis­chen Stadt Des Moines, wie die entspreche­nde Landkarte auf der Website suggeriere­n soll? Wohl kaum, denn zum einen ist das Englisch der Website-Texte alles andere als fehlerfrei, zum anderen ist das Knacken von Pay-TVProgramm­en auch in den USA verboten. Wahrschein­licher ist, dass sich Büro und Server in einem anderen Land, beispielsw­eise Panama, oder auf irgendeine­r Karibikins­el befinden. Trotz aller Vorsicht: Ab und zu fliegen IPTV-Anbieter auf. Das war in diesem Jahr bereits zweimal der Fall. Im März schlug die spanische Polizei zu und nahm an der Costa del Sol fünf Männer fest, die ein illegales IPTV-Netzwerk betrieben und damit innerhalb von fünf Jahren etwa acht Millionen Euro eingenomme­n hatten. Im Programm-Angebot waren unter vielem anderen auch Spiele der englischen Premier League. Kein Wunder also, das diese Liga sehr eng mit den Behörden zusammenge­arbeitet hatte, um das Rattennest auszuheben. Im Juni war die Polizei in Bulgarien erfolgreic­h und entlarvte einen lokalen IPTV-Anbieter mit einem Kundenstam­m von etwa 700.000 Nutzern. Bei Preisen von etwa 60 Euro pro Jahr lässt sich schnell ausrechnen, wie hoch die Umsätze illegaler IPTV-Anbieter sein können und wieso dieses Geschäft kaum wirksam bekämpft werden kann. Denn für jeden Anbieter, der nach mühsamen, langwierig­en und teuren Ermittlung­en aufgedeckt und stillgeleg­t wird, schießen irgendwo anders auf der Welt neue IPTV-Provider wie Pilze aus dem Boden. Es scheint zu sein wie beim Drogenhand­el: Beides sind Kämpfe gegen Windmühlen, im Grunde ohne jede Aussicht auf einen endgültige­n Erfolg.

Bezahlen mit Geschenkka­rte

An der Illegalitä­t der vielen dubiosen IPTVAnbiet­er besteht kein Zweifel, trotzdem gibt es weltweit zig Millionen Abonnenten. Der Weg zum Abo ist nicht schwer, auch wenn die Bezahlung meist auf wenig konvention­ellem Weg erfolgt. Mangels Bankkonto auf Empfängers­eite ist eine Überweisun­g des Abobetrage­s in der Regel nicht möglich, Kreditkart­en oder Paypal werden dagegen zumeist akzeptiert. Viele TV-Hacker schrecken jedoch davor zurück, Kreditkart­endaten an einen Empfänger zu übermittel­n, der ein illegales Geschäftsm­odell betreibt. Beliebter sind anonyme Zahlungsal­ternativen: So akzeptiere­n viele Anbieter beispielsw­eise die Codes von Paysafecar­ds oder von im Laden gekauften Amazon-Geschenkgu­tscheinen. Dabei gibt es keine Garantie für eine Gegenleist­ung, nachdem der potentiell­e Kunde den Paysafe-Code verschickt hat. Ein Betrüger, der von einem anderen betrogen wird, kann sich schlecht bei der Polizei melden. Zur Registrier­ung wird ferner eine E-MailAdress­e benötigt, denn nach Zahlungsei­ngang bekommt der neue Abonnent per Mail eine M3U-Media-Playlist-Datei zugeschick­t, die neben einem Zugangsnam­en auch ein Passwort enthält. Diese Datei in Form einer Internet-URL wird schließlic­h in einen Mediaplaye­r wie VLC oder Kodi eingetrage­n.

Ein Betreiber nahm in 5 Jahren über 8 Millionen Euro ein.

Sobald das geschehen ist, baut der Player eine Verbindung zum Provider auf und lädt die schier endlose Liste an Programmen und sonstigen Inhalten auf den Rechner. Danach sucht der TV-Hacker den Sender der Wahl aus der Liste aus und startet den Stream per Klick.

Alternativ­e Empfangsme­thoden

Neben dem Empfang am PC oder Notebook bieten die IPTV-Provider eine Reihe von Alternativ­en an. So lässt sich beispielsw­eise ein Amazon-Fire-Stick dazu bewegen, die gewünschte­n IPTV-Inhalte zu empfangen. Im Handel gibt es spezielle IPTV-Boxen, etwa die des Hersteller­s Infomir oder die Formuler Box, die als Zuspieler für den Fernseher dienen. Alternativ lassen sich auch ein Enigma2-Receiver oder eine Dreambox verwenden, die ansonsten für den Fernsehemp­fang über Satellit oder DVBT zuständig sind. Anders als am PC wird hier keine M3U-Datei verwendet, sondern der TV-Hacker übermittel­t die IP-Adresse des Empfangsge­rätes an den IPTV-Provider. Dieser schaltet das Konto des Kunden frei und übermittel­t die Inhalte an die entspreche­nde IP-Adresse. Auch ein AppleTV, eine Android-TV-Box oder ein halbwegs moderner Smart-TV sind in aller Regel IPTV-tauglich. Entspreche­nde Bedienungs­anleitunge­n sind auf den Webseiten der Anbieter abrufbar oder werden nach Abschluss eines Abonnement­s zugeschick­t. Wer jedoch kriminelle Aktivitäte­n nicht unterstütz­en und weiter ruhig schlafen möchte, der sollte lieber ein legales Sky-Abo abschließe­n und von illegalen StreamingD­iensten die Finger lassen.

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 ??  ?? Sky Sport HD wird ebenso illegal angeboten wie alle anderen Kanäle des Pay-TV-Anbieters.
Sky Sport HD wird ebenso illegal angeboten wie alle anderen Kanäle des Pay-TV-Anbieters.
 ??  ?? Der US-Sport-sender ESPN ist ebenfalls Bestandtei­l der meisten IPTV-Portfolios.
Der US-Sport-sender ESPN ist ebenfalls Bestandtei­l der meisten IPTV-Portfolios.
 ??  ?? Mehr als 9.000 Sender hat dieser Anbieter im Portfolio. Alles wirkt auf den ersten Blick seriös, doch legal ist natürlich auch dieses Angebot nicht.
Mehr als 9.000 Sender hat dieser Anbieter im Portfolio. Alles wirkt auf den ersten Blick seriös, doch legal ist natürlich auch dieses Angebot nicht.
 ??  ?? Über 40.000 Kanäle und andere Inhalte stehen hier im VLC-Player zur Auswahl.
Über 40.000 Kanäle und andere Inhalte stehen hier im VLC-Player zur Auswahl.
 ??  ?? Kanalliste­n gibt es meist entweder überhaupt nicht oder erst nach einer Registrier­ung.
Kanalliste­n gibt es meist entweder überhaupt nicht oder erst nach einer Registrier­ung.

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