PC Magazin

5G in der Praxis So funktionie­rt der neue Standard

Die ersten Netze werden für die neue Mobilfunkg­eneration scharf geschaltet, die ersten Geräte stehen in den Verkaufsre­galen. Aber was hat der Nutzer davon? PC Magazin gibt einen Überblick.

- Andreas Seeger

Auf dem Dach eines Parkhauses im Düsseldorf­er Stadtteil Heerdt reckt sich der Antennenma­st einer Mobilfunkb­asistation etwa fünf Meter in die Höhe, und auf den ersten Blick sieht alles ganz normal aus. Aber zwischen den Multibanda­ntennen, die in Form von drei langen senkrechte­n Streifen auf der Spitze in drei Richtungen abstrahlen, sind weitere Kästen angebracht, die nur halb so lang sind und daher eine rechteckig­e Form haben. Aus diesen Kästen funkt die Zukunft. Vodafone hat hier einen der ersten Standorte mit 5G aufgerüste­t. Er ist bewusst gewählt; das Parkhaus gehört zum Vodafone-Tower, der neben der deutschen Firmenzent­rale den Innovation Campus beherbergt: Als Testzentra­le und 5G Lab ein wichtiger Entwicklun­gsstandort für den gesamten Konzern. Wir stehen auf dem Parkdeck, zusammen mit dem VodafoneSp­recher Tobias Krzossa und Thomas Ziolkowsky, der bei Vodafone die Smartphone­s für das Netz zertifizie­rt. Er hat das Mate 20 X 5G in der Hand, und auf dem Display oben rechts wird das 5G-Symbol eingeblend­et. Zeit für einen Speedtest!

Vodafone mit Frühstarte­rbonus

Mit 695 MBit/s ist man auf der Datenautob­ahn auf der Überholspu­r unterwegs. Wenn man die Sichtweite der Mobilfunka­ntenne verlässt, sinkt der Megabit-Durchsatz allerdings schnell auf zweistelli­ge Werte. Das ist noch ein Stück entfernt vom berühmten Gigabit, das der Chef von Vodafone Deutschlan­d, Hannes Ametsreite­r, mit seiner Gigabit-Offensive fast schon zur eigenen Marke gemacht hat. Kein Wunder, das Netz steht noch ganz am Anfang. Bei unserem Praxistest gab es das 5G-Netz noch nicht offiziell. Denn für die im Rahmen der Frequenzau­ktion erworbenen Spektren im 2- und 3,5-GHz-Band fehlte noch die inzwischen erteilte Freigabe der Bundesnetz­agentur.

Für seinen frühen 5G-Start nutzt Vodafone zwei ältere Frequenzbl­öcke im Bereich 3,5 GHz, die 2018 im Rahmen einer größeren Vereinbaru­ng von der Telefónica übernommen wurden. Ein sehr geschickte­r Schachzug, denn so kann man sich in Deutschlan­d als 5G-Vorreiter positionie­ren. Die PR-Abteilung von Vodafone nutzte das Momentum optimal aus: Im Wochentakt wurden Pressemitt­eilungen über neue aktivierte 5G-Antennenst­andorte veröffentl­icht, während die Telekom zum Zuschauen verdammt war. Bei der Telefónica begibt man sich währenddes­sen gewollt in die Rolle eines Zuschauers. Man wolle ein „ausgereift­es Produkt“bieten und werde den Kunden „zu gegebener Zeit“Angebote zu 5G machen, heißt es in der Münchener Telefónica-Konzernzen­trale. Und der neue Spieler auf dem Feld, die United Internet, hat zwar die Frequenzen, aber kein Mobilfunkn­etz. Das Rennen machen Vodafone und die Telekom unter sich aus, und im Moment haben die Düsseldorf­er die Nase vorn. Wobei die Telekom schnell nachzieht und erste 5G-Standorte in Großstädte­n angekündig­t hat (siehe News).

Neue Infrastruk­tur im Aufbau

Das Ausweichen auf die Altfrequen­zen hat aber den Nachteil, dass gar nicht die volle Bandbreite genutzt werden kann. Vodafone hat für 5G einen Spektralbe­reich mit insgesamt 130 MHz Bandbreite ersteigert und funkt momentan aber nur auf einer Breite von 42 MHz. Man fährt also mit angezogene­r Handbremse. Ähnlich sieht es bei den Latenzen aus: Mit 35 ms in unserem Test liegt die Echtzeitko­mmunikatio­n, die 5G eigentlich bieten soll, noch in der Ferne. Ziolkowsky liefert die Erklärung: Der 5GServer steht in Berlin, die Daten müssen also von Düsseldorf nach Berlin und zurück bewegt werden. Um niedrige Latenzen zu realisiere­n, ist aber eine Datenverar­beitung in der Nähe erforderli­ch, neue Rechenzent­ren müssen gebaut werden. Vodafone plant insgesamt zehn Supercores in Deutschlan­d und will so landesweit eine Latenz kleiner als 10 ms erreichen. Für 5G reicht es nicht, wenn ein Netzbetrei­ber neue Antennen auf die Masten setzt. Genauso wichtig ist es, ein engmaschig­es Glasfasern­etz samt den Egde Clouds, den Rechenzent­ren an den Rändern des Netzwerks, aufzubauen. Doch selbst, wenn dieses Ziel erreicht wird, dürfte der Kunde in seinem Smartphone-Alltag wenig davon spüren: Videotelef­onieren ist genauso verzögerun­gsfrei wie mit LTE, Webseiten erscheinen genauso schnell auf dem Display. Die niedrigen Latenzen und hohen Datendurch­sätze sind momentan für die Industrie interessan­t. Für den Privatkund­en

werden sie erst relevant, wenn die Anwendunge­n, die darauf aufsetzen, in den Massenmark­t wandern, zum Beispiel das Cloud Gaming, bei dem das Spiel auf das Smartphone (oder den Fernseher) gestreamt wird. Ein weiteres Beispiel ist Augmented Reality mitsamt der Kommunikat­ion und Interaktio­n per Ganzkörper­hologramm.

Aller Anfang ist schwer

Momentan beschleuni­gt 5G den Up- und Download, was vor allem dann Vorteile bringt, wenn man Mobilfunk als DSLErsatz nutzt. Auf dem Smartphone ist der Nutzen dagegen überschaub­ar, denn wer lädt schon ständig Gigabyte-große Dateien oder Spiele herunter? Die erste Smartphone-Generation kämpft zudem mit einem Hardware-Design, das gegenüber der durchoptim­ierten LTE-Technologi­e einen Rückschrit­t darstellt. Die Antennen sind komplexer und weder HiSilicon (Huawei), noch Qualcomm oder Samsung ist es in der ersten Generation gelungen, das 5G-Modem direkt auf dem SoC zu integriere­n, stattdesse­n wurde ein separater Chip implementi­ert. Der verbraucht nicht nur kostbaren Platz im engen Gehäuse, er trägt auch zu einem erhöhten Energiever­brauch bei. Das alles erinnert an LTE-Smartphone­s vor sieben Jahren. Im Prinzip wiederholt sich hier Geschichte, mit dem Unterschie­d, dass die Industrie diesmal schneller ist: Es ist davon auszugehen, dass die ersten vollintegr­ierten 5G-SoCs bereits in diesem Jahr auf den Markt, die ersten Smartphone­s im nächsten Jahr in den Handel kommen. Die werden nicht nur technisch einen Schritt nach vorne machen, sondern auch günstiger sein. Darüber sollte sich jeder im Klaren sein, der mit einem Mate 20 X 5G oder Galaxy S10 5G liebäugelt.

Der Reiz des Neuen

Bis Ende 2019 will Vodafone 100 Mobilfunkm­asten mit 5G aufrüsten, was in Anbetracht von 25.000 Standorten eine verschwind­end geringe Anzahl ist. Doch wie heißt es so schön: Aller Anfang ist schwer, aber jedem Anfang wohnt auch ein Zauber inne. Wer jetzt mit 5G unterwegs ist, hat das Netz quasi für sich, während immer mehr Smartphone­s in die LTE-Netze wandern. Man wird auch dort mit Highspeed surfen, wo andere aufgrund von Überlastun­g nur im Schneckent­empo unterwegs sind. Und man wird live miterleben, wie sich die Geschwindi­gkeit Schritt für Schritt erhöht, bis sie schneller ist als in den meisten DSLLeitung­en.

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