5G in der Praxis So funktioniert der neue Standard
Die ersten Netze werden für die neue Mobilfunkgeneration scharf geschaltet, die ersten Geräte stehen in den Verkaufsregalen. Aber was hat der Nutzer davon? PC Magazin gibt einen Überblick.
Auf dem Dach eines Parkhauses im Düsseldorfer Stadtteil Heerdt reckt sich der Antennenmast einer Mobilfunkbasistation etwa fünf Meter in die Höhe, und auf den ersten Blick sieht alles ganz normal aus. Aber zwischen den Multibandantennen, die in Form von drei langen senkrechten Streifen auf der Spitze in drei Richtungen abstrahlen, sind weitere Kästen angebracht, die nur halb so lang sind und daher eine rechteckige Form haben. Aus diesen Kästen funkt die Zukunft. Vodafone hat hier einen der ersten Standorte mit 5G aufgerüstet. Er ist bewusst gewählt; das Parkhaus gehört zum Vodafone-Tower, der neben der deutschen Firmenzentrale den Innovation Campus beherbergt: Als Testzentrale und 5G Lab ein wichtiger Entwicklungsstandort für den gesamten Konzern. Wir stehen auf dem Parkdeck, zusammen mit dem VodafoneSprecher Tobias Krzossa und Thomas Ziolkowsky, der bei Vodafone die Smartphones für das Netz zertifiziert. Er hat das Mate 20 X 5G in der Hand, und auf dem Display oben rechts wird das 5G-Symbol eingeblendet. Zeit für einen Speedtest!
Vodafone mit Frühstarterbonus
Mit 695 MBit/s ist man auf der Datenautobahn auf der Überholspur unterwegs. Wenn man die Sichtweite der Mobilfunkantenne verlässt, sinkt der Megabit-Durchsatz allerdings schnell auf zweistellige Werte. Das ist noch ein Stück entfernt vom berühmten Gigabit, das der Chef von Vodafone Deutschland, Hannes Ametsreiter, mit seiner Gigabit-Offensive fast schon zur eigenen Marke gemacht hat. Kein Wunder, das Netz steht noch ganz am Anfang. Bei unserem Praxistest gab es das 5G-Netz noch nicht offiziell. Denn für die im Rahmen der Frequenzauktion erworbenen Spektren im 2- und 3,5-GHz-Band fehlte noch die inzwischen erteilte Freigabe der Bundesnetzagentur.
Für seinen frühen 5G-Start nutzt Vodafone zwei ältere Frequenzblöcke im Bereich 3,5 GHz, die 2018 im Rahmen einer größeren Vereinbarung von der Telefónica übernommen wurden. Ein sehr geschickter Schachzug, denn so kann man sich in Deutschland als 5G-Vorreiter positionieren. Die PR-Abteilung von Vodafone nutzte das Momentum optimal aus: Im Wochentakt wurden Pressemitteilungen über neue aktivierte 5G-Antennenstandorte veröffentlicht, während die Telekom zum Zuschauen verdammt war. Bei der Telefónica begibt man sich währenddessen gewollt in die Rolle eines Zuschauers. Man wolle ein „ausgereiftes Produkt“bieten und werde den Kunden „zu gegebener Zeit“Angebote zu 5G machen, heißt es in der Münchener Telefónica-Konzernzentrale. Und der neue Spieler auf dem Feld, die United Internet, hat zwar die Frequenzen, aber kein Mobilfunknetz. Das Rennen machen Vodafone und die Telekom unter sich aus, und im Moment haben die Düsseldorfer die Nase vorn. Wobei die Telekom schnell nachzieht und erste 5G-Standorte in Großstädten angekündigt hat (siehe News).
Neue Infrastruktur im Aufbau
Das Ausweichen auf die Altfrequenzen hat aber den Nachteil, dass gar nicht die volle Bandbreite genutzt werden kann. Vodafone hat für 5G einen Spektralbereich mit insgesamt 130 MHz Bandbreite ersteigert und funkt momentan aber nur auf einer Breite von 42 MHz. Man fährt also mit angezogener Handbremse. Ähnlich sieht es bei den Latenzen aus: Mit 35 ms in unserem Test liegt die Echtzeitkommunikation, die 5G eigentlich bieten soll, noch in der Ferne. Ziolkowsky liefert die Erklärung: Der 5GServer steht in Berlin, die Daten müssen also von Düsseldorf nach Berlin und zurück bewegt werden. Um niedrige Latenzen zu realisieren, ist aber eine Datenverarbeitung in der Nähe erforderlich, neue Rechenzentren müssen gebaut werden. Vodafone plant insgesamt zehn Supercores in Deutschland und will so landesweit eine Latenz kleiner als 10 ms erreichen. Für 5G reicht es nicht, wenn ein Netzbetreiber neue Antennen auf die Masten setzt. Genauso wichtig ist es, ein engmaschiges Glasfasernetz samt den Egde Clouds, den Rechenzentren an den Rändern des Netzwerks, aufzubauen. Doch selbst, wenn dieses Ziel erreicht wird, dürfte der Kunde in seinem Smartphone-Alltag wenig davon spüren: Videotelefonieren ist genauso verzögerungsfrei wie mit LTE, Webseiten erscheinen genauso schnell auf dem Display. Die niedrigen Latenzen und hohen Datendurchsätze sind momentan für die Industrie interessant. Für den Privatkunden
werden sie erst relevant, wenn die Anwendungen, die darauf aufsetzen, in den Massenmarkt wandern, zum Beispiel das Cloud Gaming, bei dem das Spiel auf das Smartphone (oder den Fernseher) gestreamt wird. Ein weiteres Beispiel ist Augmented Reality mitsamt der Kommunikation und Interaktion per Ganzkörperhologramm.
Aller Anfang ist schwer
Momentan beschleunigt 5G den Up- und Download, was vor allem dann Vorteile bringt, wenn man Mobilfunk als DSLErsatz nutzt. Auf dem Smartphone ist der Nutzen dagegen überschaubar, denn wer lädt schon ständig Gigabyte-große Dateien oder Spiele herunter? Die erste Smartphone-Generation kämpft zudem mit einem Hardware-Design, das gegenüber der durchoptimierten LTE-Technologie einen Rückschritt darstellt. Die Antennen sind komplexer und weder HiSilicon (Huawei), noch Qualcomm oder Samsung ist es in der ersten Generation gelungen, das 5G-Modem direkt auf dem SoC zu integrieren, stattdessen wurde ein separater Chip implementiert. Der verbraucht nicht nur kostbaren Platz im engen Gehäuse, er trägt auch zu einem erhöhten Energieverbrauch bei. Das alles erinnert an LTE-Smartphones vor sieben Jahren. Im Prinzip wiederholt sich hier Geschichte, mit dem Unterschied, dass die Industrie diesmal schneller ist: Es ist davon auszugehen, dass die ersten vollintegrierten 5G-SoCs bereits in diesem Jahr auf den Markt, die ersten Smartphones im nächsten Jahr in den Handel kommen. Die werden nicht nur technisch einen Schritt nach vorne machen, sondern auch günstiger sein. Darüber sollte sich jeder im Klaren sein, der mit einem Mate 20 X 5G oder Galaxy S10 5G liebäugelt.
Der Reiz des Neuen
Bis Ende 2019 will Vodafone 100 Mobilfunkmasten mit 5G aufrüsten, was in Anbetracht von 25.000 Standorten eine verschwindend geringe Anzahl ist. Doch wie heißt es so schön: Aller Anfang ist schwer, aber jedem Anfang wohnt auch ein Zauber inne. Wer jetzt mit 5G unterwegs ist, hat das Netz quasi für sich, während immer mehr Smartphones in die LTE-Netze wandern. Man wird auch dort mit Highspeed surfen, wo andere aufgrund von Überlastung nur im Schneckentempo unterwegs sind. Und man wird live miterleben, wie sich die Geschwindigkeit Schritt für Schritt erhöht, bis sie schneller ist als in den meisten DSLLeitungen.