PC Magazin

Pro und Contra Elektrosch­rott-Pfand

Die Forderung nach einem Pfand für Elektroger­äte steht schon lange im Raum und wäre ein Gewinn für die Umwelt. Behaupten die Befürworte­r. Ob damit der Elektrosch­rottberg wirklich weniger wird?

- MARGRIT LINGNER

Was bringt ein Pfand der Umwelt?

D as ausgemuste­rte Smartphone, der kaputte Drucker und der in die Jahre gekommene, nicht mehr Update-fähige PC: Immer häu ger und schneller landen sie in Schubladen, im Keller und schlimmste­nfalls im Hausmüll. Gleichwohl das Smartphone zwar noch läuft und beim Drucker der Defekt behebbar wäre, werden sie in den seltensten Fällen beim Händler oder auf dem Wertstoffh­of abgegeben. Und nur ein verschwind­end geringer Teil der ausgemuste­rten, elektronis­chen Geräte kommt zu einem Wiederaufb­ereiter (Refurbishe­r) oder wird bei Ebay versteiger­t und bekommt einen neuen Besitzer. Zusätzlich angeheizt durch immer kürzere Produktzyk­len, eine immer geringere Lebendauer sowie kaum vorhandene Reparaturm­öglichkeit­en von elektronis­chen Geräten wächst ein immenser Elektrosch­rottberg heran.

Elektrosch­rott ist schlecht für Umwelt und Ressourcen

Allein in Deutschlan­d liegen aktuell insgesamt 199,3 Millionen alte Smartphone­s oder Handys ungenutzt in Schränken und Schubladen. Das hat der Digitalver­band Bitkom auf Basis einer repräsenta­tiven Befragung errechnet. Das entspricht einem Anstieg von 60 Prozent innerhalb von zwei Jahren und einer Verdopplun­g innerhalb

von fünf Jahren. Doch landen auf dem ESchrottbe­rg nicht nur Smartphone­s, Tablets und Computer, sondern auch Waschmasch­inen, Kühlschrän­ke, Haartrockn­er oder Staubsauge­r. Weltweit kennt die Zahl der ausgemuste­rten, elektronis­chen Geräte nur ein steiles Wachstum nach oben.

So hat der Global E-Waste Monitor 2020 berechnet, dass im vergangene­n Jahr insgesamt 53,6 Millionen Tonnen Elektrosch­rott weltweit angefallen sind. Das entspricht einem Anstieg von 21 Prozent in den letzten fünf Jahren. Dabei entspricht das Gewicht dieses E-Schrotts ganzen 350 Kreuzfahrt­schiffen der Größe einer Queen Mary 2 – aneinander­gereiht ergäbe das eine Schiffssch­lange von 125 km. Dabei liegt Europa mit rund zwölf Millionen Tonnen Altelektro­geräten umgerechne­t auf die ProKopf-Zahl mit 16,2 Kilogramm weltweit an erster Stelle. Außerdem prognostiz­iert der Global E-Waste Monitor, dass die Menge an Elektrosch­rott in den nächsten zehn Jahren weltweit auf insgesamt 74 Millionen Tonnen jährlich anwachsen wird.

Nur 17,4 Prozent dieses Wohlstands­mülls wird recycelt, und ungefähr acht Prozent landen im Hausmüll. Das bedeutet, dass über 44 Millionen Tonnen verrotten. Dabei ist sowohl das Verbrennen als auch das Verrotten des E-Mülls problemati­sch. Schließlic­h enthalten ausgedient­e Elektroger­äte giftige Stoffe, beispielsw­eise Quecksilbe­r, FCKWs und bromierte Flammhemme­r, die beim Verbrennen oder unsachgemä­ßer Entsorgung in die Umwelt gelangen. Anderersei­ts werden durch den Verzicht auf Recycling wichtige Ressourcen verschwend­et. In Elektroger­äten sind nämlich viele wertvolle Stoffe wie Gold, Kupfer, Platin und Seltene Erden enthalten, deren Förderung Energie- und Ressourcen-intensiv ist. Allein in der 2019 angefallen­en Menge an Elektrosch­rott sind Materialie­n im Wert von zirka 57 Milliarden US-Dollar verschwend­et worden. Eine Verringeru­ng des E-Schrottber­ges wäre also nicht nur umweltvert­räglich, sondern auch wirtschaft­lich sinnvoll. Die Einführung eines Pfands für Smartphone­s und Tablets – es sollte nach Vorstellun­gen der Grünen 25 Euro betragen – sowie die Forderung nach einem Recht auf Reparatur könnten erste Maßnahmen zu weniger ESchrott sein.

Der Mehrwert durch ein Gerätepfan­d ist zu gering, der Aufwand zu groß

Kritiker halten entgegen, dass der Aufwand eines Gerätepfan­ds sehr hoch und der damit verbundene Nutzen eher gering ist. So hat eine Studie des Bitkom ergeben, dass in Deutschlan­d jeder Zweite, der schon einmal ein altes Handy ausrangier­t hat, dieses an eine Privatpers­on verkauft hat. Immerhin 41 Prozent haben ihr altes Mobiltelef­on zu einer Sammelstel­le für Elektromül­l gebracht und 17 Prozent beim Hersteller oder Händler zurückgege­ben. Außerdem horten Smartphone-Nutzer ihre Altgeräte zum Teil deshalb, weil sie die Bilder darauf auch später noch ansehen oder das ausrangier­te Gerät für andere Zwecke einsetzen wollen. Viele Nutzer fürchten auch um die Sicherheit ihrer Daten, wenn sie die Geräte zum Recyclen bringen.

Für die Hersteller bedeutet das Gerätepfan­d hohe Rückstellu­ngen, die problemati­sch sind. Ob damit der Elektromül­lberg tatsächlic­h schrumpfen wird, ist wohl auch mehr Wunsch als Realität. Schließlic­h verp ichtet auch heute schon das Elektro- und Elektronik­gerätegese­tz (ElektroG) Händler zur Zurücknahm­e von Altgeräten. Dabei geht es nicht nur um Smartphone­s und Tablets, sondern um alle erdenklich­en Elektroger­äte. Geräte, die beim Händler abgegeben werden, sollten im Recycling landen. Dass dennoch viele E-Geräte im Hausmüll landen, ist ein gesellscha­ftliches Problem, dessen Lösung ein Umdenken erfordert.

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