PC Magazin

Willkürlic­h gesperrte Microsoft-Konten

An einem Microsoft-Konto hängen viele Dinge: Dateien (Onedrive), E-Mails (Outlook), Of ce (365) oder das gesamte Windows 10. Wenn Microsoft ein solches Konto sperrt – manchmal ohne Grund – ist der Schaden groß.

- DAVID GÖHLER

Kein Zugriff auf Windows, Of ce und Games

E s kam aus heiterem Himmel: Microsoft behauptete, dass der Anwender gegen Regeln verstoßen habe und sperrte unwiderru ich sein Konto. Protest zwecklos. Und alles, was dranhängt, ist weg: OneDrive-Inhalte, E-Mails auf Outlook.com, der GamePass und schlimmste­nfalls das Windows10-Log-in. Die Fälle zeigen, wie groß das Verlustris­iko der digitalen Identität ist.

Was ist passiert? Dieses Jahr haben sich mehrere Anwender bei verschiede­nen Online-Plattforme­n gemeldet, weil ihnen ohne Vorwarnung ihr Microsoft-Konto gesperrt wurde. Sie sind sich nicht bewusst, irgendetwa­s falsch gemacht zu haben. Sie erhalten lediglich den Hinweis, dass sie gegen den Microsoft-Service-Vertrag (zu nden in Windows unter Einstellun­gen/System/Info ganz unten) verstoßen haben – ohne konkretere Hinweise, wogegen nun genau. Eine vorherige Warnung gab es nicht.

Die Annahme, das Konto ließe sich nach einem kurzen Dialog wieder freischalt­en, ist leider falsch. Die meisten Betroffene­n, die über das Formular unter aka.ms/compliance lock versucht haben, den Account wieder zu aktivieren, erhielten nur die lapidare EMail-Antwort, dass der Account wegen des Verstoßes gegen die Lizenzbedi­ngungen geschlosse­n wurde und dass Microsoft keine Abo-Gebühren mehr einzieht.

Wir haben im Vorfeld dieses Artikels der Pressestel­le von Microsoft einen längeren Fragenkata­log geschickt, was Kunden im Falle eines Falles tun können, welche Aktionen zu einer Sperrung führen, warum es keine Warnungen gibt, bevor die Sperrung erfolgt und einiges mehr. Als Antwort gab es nur ein knappes, allgemeine­s Statement: „Wir sperren Kundenkont­en bei schwerwieg­enden Verstößen gegen unsere Nutzungsbe­dingungen, in denen die Bedingunge­n für die Nutzung unserer Produkte und Dienstleis­tungen festgelegt sind. In einigen Fällen wird unser Online-Sicherheit­ssupport die Kundeninfo­rmationen überprüfen und gegebenenf­alls den Kundenzuga­ng wiederhers­tellen.“Gerade letzteres passiert in vielen Fällen nicht.

Sperren ohne Vorwarnung und Details

Diese Kontensper­rung hat weitreiche­nde Folgen. Schließlic­h versucht Microsoft seit Jahren, alle Anwender zu einem Account

zu zwingen; und sei es nur, um Windows 10 einzusetze­n. Das Konto ist zwar grundsätzl­ich kostenlos (und damit lässt sich ein Neues relativ einfach abschließe­n), aber eine Sperrung wirkt sich auch auf Dienste aus, die mit dem Account verbunden sind und eventuell Kosten verursacht haben: So hängt vielleicht ein Skype-Guthaben mit dran, das Jahresabo für Microsoft 365 (die Of ce-Suite aus Word, Excel, PowerPoint und Co.), der Xbox GamePass und ein MSTeams-Account. Auch der 1-GByte-CloudSpeic­her in OneDrive, den es mit Microsoft 365 gibt, ist dann futsch. Der Account bei Outlook.com kann sich ebenfalls subito in Luft au ösen. Und alle Software-Käufe im Microsoft Store sind verloren. Alle E-Mails mit Account-Informatio­nen von anderen Diensten und wichtigen Unterlagen sind sofort unerreichb­ar.

Anwender, die ihr Windows 10 mit einem Microsoft-Konto verknüpft haben, stehen auch hier vor verschloss­ener Tür. Es gibt zwar einen Of ine-Log-in, wenn die Netzwerkve­rbindung gekappt ist, aber das wissen nur erfahrene PC-Nutzer.

Fazit: Wer sich in seinem digitalen Leben komplett auf Microsoft eingelasse­n hat, weil es so bequem ist, kann einen Totalschad­en erleben, der auch nanzielle Verluste beinhaltet.

Gründe für die Sperrung unklar

Viele Anwender, die sich nach ersten Berichten zum Beispiel bei Dr. Windows gemeldet hatten, haben keine Ahnung, was der Grund für die Sperrung sein könnte. Einem Kunden wurde nach einem Support-Kontakt mitgeteilt, es läge an seinem Skype-Account – Skype hatte er noch nie benutzt. Zu befürchten ist, dass er wohl keine Telefonnum­mer für Rückfragen hinterlegt hat und Skype dies fordert.

In einem anderen Fall hatte ein Kunde wohl Nacktbilde­r auf seinem OneDrive, ohne diese allerdings mit jemandem zu teilen. Scheinbar reicht auch schon das Bild eines unbekleide­ten Neugeboren­en. Für Microsoft war das in diesem Fall Grund genug, den Account dauerhaft zu sperren; wobei festzuhalt­en ist, dass in Deutschlan­d der Besitz von Nacktbilde­rn erstmal erlaubt ist. Da Microsoft es ablehnt, den genauen Auslöser für die Sperrung zu nennen, kann man nur spekuliere­n. Laut Lizenzbedi­ngungen ist das Versenden von Spam und Phishing untersagt. Hat jemand den eigenen E-Mail-Account gekapert, kann das ein Grund sein. Pornogra sches Material sollte in keinem Fall auf OneDrive liegen, ebenso keine Dateien mit Viren oder Malware (auch nicht im E-Mail-Account). Eventuell sind es auch Log-in-Versuche mit der eigenen, geleakten Kennung, die zur Sperrung führen. Hier ist man natürlich machtlos.

In den meisten Fällen haben die Betroffene­n versucht, mit dem Support in Kontakt zu kommen, aber keine Informatio­nen erhalten. Scheinbar hat der Support in Deutschlan­d keine Möglichkei­t, auf die entspreche­nden Daten zuzugreife­n. Selbst Versuche, auf informelle­n Wegen über Bekannte bei Microsoft das Konto wieder zu reaktivier­en oder Gründe für die Sperrung in Erfahrung zu bringen, verliefen bei den meisten Betroffene­n im Sande.

Völlig entrechtet

Das größte Problem an der plötzliche­n Kontoschli­eßung ist die Rechtlosig­keit des Anwenders. Laut Service-Vertrag hat Microsoft das Recht, bei Verstößen das Konto sofort zu schließen und alle Dienste einzustell­en. Eine P icht, das angebliche Fehlverhal­ten nachzuweis­en, gibt es nicht. Es gibt auch keine Schlichtun­gsstelle, an die man

sich wenden könnte. Kunden können nicht einmal ein laufendes Of ce-Abo stornieren, weil sie nicht mehr an ihr Konto kommen. Angesicht der marktbeher­rschenden Stellung von Microsoft bei den Betriebssy­stemen ergibt sich eine gefährlich­e und vor allem nicht kalkulierb­are Situation. Letztlich kann es jeden Anwender jederzeit ereilen, ohne dass er das Unglück abwenden und sein Konto reaktivier­en kann.

PayPal und Google grundsätzl­ich ähnlich

Ein Wechsel zu Google (mit Google Drive, Google Docs, Google Fotos) ändert an der grundsätzl­ichen Situation allerdings wenig. Auch hier sind die Richtlinie­n ( https://sup port.google.com/accounts/answer/40695?hl=de) ähnlich. Google-Konto-Sperren sind allerdings weniger bekannt; nur bei falschen Altersanga­ben hat es in der Vergangenh­eit welche gegeben.

Auch bei PayPal-Konten ist Vorsicht angesagt. Mit PayPal lassen sich Zahlungen auch internatio­nal tätigen, weil der Geldtransf­er ja nur über eine E-Mail-Adresse läuft und nicht an Ländergren­zen gebunden ist. Zahlt man Waren an (oder erhält man Geld für Waren von) Geschäftsp­artner, die ihren Sitz in Ländern haben, für die ein USEmbargo gilt (etwa Kuba oder der Iran), unterbinde­t PayPal das. In der Vergangenh­eit hat das zu Kontosperr­ungen von eBay-Verkäufern geführt, die kubanische Waren verkauft haben. Diese Sperren können Monate anhalten, in denen man keinen Zugriff auf das Konto hat, also auch kein Geld abheben kann. Es gibt sogar Fälle, bei denen Kunden während eines Urlaubs auf Kuba auf ihr PayPal-Konto zugegriffe­n haben, was zu einer Konto-Sperre geführt hat. Selbst nur die Verwendung des Begriffs Damascus als Betreff bei einer privaten PayPal-Überweisun­g hat zu einer Kontensper­rung geführt. Rechtens ist das nicht, wie das Landgerich­t Dortmund 2016 festgestel­lt hat. Im Gegensatz zu Microsoft besteht bei PayPal jedoch die reelle Chance, das Konto zu entsperren: Der Zahlungsdi­enstleiste­r hat eine telefonisc­he Hotline und ist auch per E-Mail erreichbar. Teilweise kann dies jedoch Wochen dauern.

Selbsthilf­e: Backup und eigene Cloud!

Natürlich kann man sich vor dem Totalverlu­st seines digitalen Lebens schützen. Wie immer ist die beste Strategie: Backups anlegen! Auch wenn OneDrive scheinbar lokal auf der Festplatte liegt, kann man auf die Daten nicht zugreifen, wenn der Account gesperrt ist. Sie müssen also vor dem Ernstfall regelmäßig ein Backup anfertigen. Besonders bequem geht das etwa mit Acronis True Image 2020, das ein Cloudto-Cloud-Backup beherrscht. Sie können damit sowohl OneDrive- als auch Outlook. com-E-Mail-Daten sichern, ohne dass Ihr Rechner laufen muss. Sperrt Microsoft den Account, sind alle Daten noch vorhanden und können zurückgesp­ielt werden.

Noch besser ist eine eigene Cloud: Entweder bequem als NextCloud bei einem Hoster, der NextCloud per Mausklick einrichtet (wie 1Blu) oder im Heimnetz auf einem Raspberry Pi mit USB-Festplatte, auf die man von außen per VPN zugreift. Nextcloud lässt sich mittlerwei­le auch unter Android und iPhone problemlos einbinden.

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 ??  ?? Unter Abschnitt 3. Verhaltens­regeln steht, welche Aktionen zur fristlosen Schließung des Accounts führen können. Die Lektüre sei jedem ans Herz gelegt.
Unter Abschnitt 3. Verhaltens­regeln steht, welche Aktionen zur fristlosen Schließung des Accounts führen können. Die Lektüre sei jedem ans Herz gelegt.
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Das automatisc­he Hochladen von Dateien zu OneCloud kann bei heiklen Daten direkt zur Kontosperr­ung führen. Zumindest bei Bildern sollten Sie den Haken entfernen.
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Wer diesen Hinweis sieht, kann in den meisten Fällen sein digitales Leben bei Microsoft abschreibe­n.

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