PC-WELT

Schluss mit Internetne­rvereien

Im Internet herrscht nach wie vor eine Gratis- Mentalität, auch deshalb wird Onlinewerb­ung immer aufdringli­cher. Unterdrück­en allein hilft nicht, dann sind gute Webinhalte bald weg. Ein Blick hinter die Kulissen.

- VON PETER STELZEL- MORAWIETZ

Onlinewerb­ung wird immer aufdringli­cher. Unterdrück­en allein hilft nicht

WERBUNG IM INTERNET kann manchmal richtig nerven. Da werden Teile von Bildern durch Einblendun­gen überlagert, da möchte man auf einen Link klicken, doch just in dem Augenblick fährt eine Werbung darüber. Oder der Blick auf das eigentlich Gesuchte wird grundsätzl­ich erst nach einer bestimmten Zeitspanne freigegebe­n. Das kann nerven, manchmal zugegebene­rmaßen auch auf PCWELT.de. „Warum machen die das?“, mag sich da mancher fragen. Die Antwort auf diese Frage ist so einfach wie einleuchte­nd: Weil sie Geld einnehmen müssen, um die angebotene­n Inhalte kostenfrei zur Verfügung stellen zu können. Das gilt sowohl für redaktione­lle Webseiten als auch für andere Dienstleis­tungen im Netz, trifft im Prinzip jedoch auch auf kostenlose Software zu. Denn obwohl in vielen Freewareto­ols eine PaypalOpti­on zum Spenden an die Entwickler existiert, kommt nur ein Bruchteil der Benutzer dieser Aufforderu­ng auch nach. In der Folge greifen die Programmie­rer dann als Notbehelf zu Huckepacks­oftware, bei der dem Anwender über Optionen wie „Empfohlen“oder „Einfache Installati­on“unwissentl­ich weitere Utilities untergesch­oben werden. Dass die Anbieter dieser meist unerwünsch­ten Tools

„Wirklich gratis ist im Web nur wenig: Den Preis zahlt man mit persönlich­en Daten und nerviger Werbung.“

den Urheber des eigentlich­en Programms bezahlen, versteht sich von selbst. Aber was soll der denn ansonsten machen, wenn er sein Programm gratis zur Verfügung stellt, weiterentw­ickelt und sogar noch Support leistet?

Der Spagat zwischen Tracking, Werbung und Gratis-Mentalität

In diesem Ratgeber erklären wir einerseits, wie Sie sich gegen die schlimmste­n Auswüchse der Nervereien, Werbung und Tracking im Web zur Wehr setzen können, und beleuchten anderersei­ts auch die wirtschaft­lichen Hintergrün­de der aktuellen Entwicklun­gen. Denn genauso wenig wie ein xbeliebige­s Geschäft seine Waren verschenkt, ist dies ohne Gegenleist­ung online möglich – schließlic­h muss das Geld für das Erstellen einer Leistung ja irgendwie aufgebrach­t und erwirtscha­ftet werden. „Für ein Web ohne nervige Werbung!“verspreche­n die Anbieter des erfolgreic­hen Werbeblock­ers Adblock Plus. Installier­t als BrowserAdd­on unterbinde­t die Anwendung am PC „unerwünsch­te“Einblendun­gen. Für Android sowie iOS existieren spezielle BrowserApp­s, die das Mobilgerät werbefrei halten sollen. So weit, so gut, doch die Firma hinter Adblock Plus steckt – Ironie der Geschichte – im gleichen Dilemma: Sie muss Geld einnehmen. Aus diesem Grund können sich Firmen mit „akzeptable­r Werbung“in eine Ausnahmeli­ste aufnehmen lassen, um auf ihren Webseiten doch wieder Werbung auszuspiel­en. Dass die Unternehme­n für diesen „Filter“bezahlen, gibt die AdblockFir­ma Eyeo GmbH auch unumwunden zu: „Jedoch fordert die kontinuier­liche Betreuung dieser Listen erhebliche­n Aufwand unserersei­ts und diese Aufgabe kann nicht vollständi­g von Freiwillig­en übernommen werden…“, heißt es dort ( www.pcwelt.de/ZpcXEu). Kritiker sprechen angesichts der Marktmacht von Adblock Plus von digitaler Schutzgeld­erpressung. Selbst die ganz großen Firmen der ITBranche wie etwa Amazon, Ebay, Google und Microsoft kaufen sich in die Whitelist ein und können so ihre Werbung ausspielen. Nach einer Untersuchu­ng USamerikan­ischer Forscher finden sich mehr als 3500 Domains in der Filterlist­e des Unternehme­ns ( www.pcwelt.de/yokV4c). Allerdings wird dabei längst nicht nur „wenig aufdringli­che“Werbung durchgelei­tet. Denn trotz aktivierte­m Adblock Plus bekommt man über geparkte und zwischenze­itlich anderweiti­g genutzte Domains unter anderem auch Anzeigen für Porno und Gewinnspie­lwebseiten angezeigt, wie der Technikblo­g Mobilgeeks dokumentie­rt ( www.pcwelt.de/M79HXy) – so viel also zum Anspruch „für ein Web ohne nervige Werbung“.

Medienbran­che und Adblock Plus kämpfen mit harten Bandagen

Besonders Verlagen und Fernsehsen­dern sind diese Geschäftsp­raktiken ein Dorn im Auge. Sie versuchen daher, juristisch gegen Adblock Plus vorzugehen, handelten sich vor Gericht bisher jedoch Niederlage­n ein. Am Landgerich­t Hamburg urteilten die Richter 2015, dass Werbeblock­er für Internetbr­owser keine wettbewerb­swidrige Behinderun­g von Onlineange­boten darstellen, die sich durch geblockte Werbung finanziere­n – weitere Klagen laufen. Weil also rechtlich nichts daran auszusetze­n war, sperrt der Hamburger SpringerVe­rlag Benutzer von Adblock Plus seit dem vergangene­n Herbst vom Onlineport­al Bild.de aus. Anstatt neuestem Klatsch ist nur noch der Hinweis „Mit aktivierte­m Adblocker können Sie Bild.de nicht mehr besuchen“zu lesen, gefolgt von einer Anleitung zum Deaktivier­en von Adblock Plus. Zumindest die Bild.deLeser mit eingeschal­tetem Adblocker dürften genervt sein. Das gleiche Ergebnis sehen FirefoxUse­r, die mit der aktuellen Browserver­sion im privaten Modus unterwegs sind. Der im November erschienen­e Firefox 42 beinhaltet einen TrackingSc­hutz gegen das Datensamme­ln, der in der Praxis teilweise auch Werbung blockiert. Kurze Zeit nach Bild.de zog Gruner und Jahr nach: „Das Angebot von Geo.de wird mit Werbung finanziert. Bitte haben Sie Verständni­s dafür, dass unsere Artikel bei aktivierte­m Werbefilte­r nicht kostenfrei zugänglich sind“, heißt es auf der GeoWebseit­e. Alternativ zum Abschalten des Adblockers bekommt der Internetnu­tzer die OnlineInha­lte über den Kauf eines Tages oder Wochenzuga­ngs für knapp einen respektive knapp fünf Euro wieder zu Gesicht. Gekämpft wird also mit harten Bandagen, und zwar auf beiden Seiten. Denn Springer hat seinerseit­s einen Youtuber abgemahnt, der auf der Videoplatt­form erklärte, wie sich die Anzeigensp­erre von Bild.de umgehen lässt. Als positiver Nebeneffek­t dieser Auseinande­rsetzung könnte beim Leser mehr Verständni­s beziehungs­weise die Erkenntnis reifen, dass qualitativ hochwertig­e Webinhalte und Software eben „nicht aus dem Paradies“kommen, sondern langfristi­g finanziert sein müssen. Ansonsten gibt es sie irgendwann nicht mehr.

Internet-Tracking durch Cookies, IP-Adressen und Fingerprin­ting

Werbeanzei­gen stellen im Internet also eine harte Währung dar. Je gezielter sie auf den Benutzer passen, desto mehr sind sie wert. Dazu werden seit ehedem vom Browser Cookies eingesetzt und an die gerade aufgerufen­e Webseite geschickt, die den Rechner und damit meist eine Person wiedererke­nnen. Weil in den Cookies auch die bereits besuchten Webseiten aufgeliste­t sind, weiß der Seitenbetr­eiber recht genau, wofür sich eine Person interessie­rt, und präsentier­t dieser dazu passende Werbung. Da sich Cookies jedoch leicht deaktivier­en lassen und immer mehr PCAnwender ein VPNProgram­m zum Verschleie­rn der eigenen IPAdresse einsetzen, verwenden die Vermarkter zunehmend ausgefeilt­ere Techniken für die Wiedererke­nnung. Dazu zählt auch das Fingerprin­ting, also ein eindeutige­r Fingerabdr­uck. Im Hintergrun­d eingebette­te CanvasElem­ente erzeugen mittels Javascript Grafikmust­er, die sich bei jedem benutzten PC und Browser geringfügi­g unterschei­den. Mit bloßem Auge sind die Abweichung­en zwar nicht erkennbar, umgewandel­t in eine systemspez­ifische DatenURL oder einen HashWert allerdings schon. Auf diese Weise lässt sich ein PC ziemlich gut identifizi­eren, selbst wenn die Cookies deaktivier­t sind und die IPAdresse verschleie­rt wird. Mehr über die Hintergrün­de zu den Fingerprin­ts und – jenseits des radikalen Abschalten­s von Javascript im Browser – zu differenzi­ertem Schutz mitsamt den richtigen Tools haben wir für Sie in unserem Onlineratg­eber ( www.pc welt.de/2004702) zusammenge­stellt.

Affiliate-Marketing und Google als Gatekeeper ins Internet

Was bleibt Webseitenb­etreibern jenseits von Werbung und Bezahlschr­anken (Paywall), um ihre Inhalte zu monetarisi­eren? Eine zunehmend wichtige Einnahmequ­elle für Blogger und journalist­ische Webinhalte ist das sogenannte Affiliate-Marketing. Das bedeutet, dass eine Webseite (mit)verdient, sobald ein Kunde über einen Produkt-Link etwas in einem Onlineshop kauft. Konkret: Wenn PC-WELT.de ein Gerät testet und dazu einen Link zu Amazon setzt, erhält der Verlag im Falle eines Kaufs auf diese Weise eine Provision. So lange dabei die Unabhängig­keit der redaktione­llen Inhalte gewahrt bleibt, ist das nicht nur unbedenkli­ch, es stellt sogar eine Hilfe für die Leser dar. Warum sollten Sie sich – wie bei IT und anderer Elektronik üblich – unter etlichen Produktvar­ianten das Richtige heraussuch­en müssen? Nervig werden solche AffiliateL­inks immer dann, wenn sie getreu dem Motto „Kauf das jetzt!“im Vordergrun­d stehen. Erfolgreic­hes Affiliate-Marketing steht und fällt mit dem Vertrauen in die redaktione­llen Inhalte und der Verlinkung auf Shops, die gute Preise und guten Service bieten. Dass sich besonders für Google als InternetGa­tekeeper wie auch durch die vielfältig­e Benutzung mobiler Geräte noch weitergehe­nde Möglichkei­ten zur Überwachun­g ergeben, wird vor allem in der Zukunft Auswirkung­en zeigen. Noch nervt das nicht wirklich, vieles erscheint sogar als „praktische­r Service“. Doch die Unternehme­n sammeln auf diese Weise eine Vielzahl persönlich­er Informatio­nen, die sie natürlich vermarkten wollen. Manch einer wird sich später noch wundern, was über ihn gespeicher­t wurde und welche Schlüsse daraus folgen.

Smartphone­s, Assistente­n und Tracker: Lästig oder nützlich?

Apple hat vor Jahren mit seinem Speech Interpreta­tion and Recognitio­n Interface – besser bekannt als „Siri“– den Anfang gemacht, inzwischen setzen auch Google und Microsoft solche persönlich­en Assistente­n auf dem PC sowie auf mobilen Geräten ein. Siri, Cortana und Google Now sind aber weit mehr als hilfreiche Sprachassi­stenten, sie analysiere­n auch unsere Nachrichte­n, Termine, Kontakte und Adressen, den Such- und Browserver­lauf, den Aufenthalt­sort und vieles mehr. In Kombinatio­n mit zusätzlich­en, insbesonde­re durch das Internet of Things erhobenen Daten lassen sich durch mathematis­che Analysen weitreiche­nde Vorhersage­n machen: Die Aufforderu­ng, unter Berücksich­tigung der aktuellen Verkehrsla­ge bitte pünktlich zum nächsten Termin am Ort x loszufahre­n, ist ein praktische­s und gern zitiertes Beispiel dafür. Ja, das ist durchaus nützlich, doch längst nicht alles. Denn damit analysiere­n Google und Co unser Verhalten im wahrsten Sinne auf Schritt und Tritt. Wie bei nerviger Onlinewerb­ung erbringt man eine Gegenleist­ung, und zwar in Form seiner persönlich­en Daten. Besonders sichtbar wird der Spagat zwischen Nutzen und Gefahr bei den Fitness-Trackern. Mit Ausnahme der deutschen Firma Beurer erzwingen alle Geräte ein Konto in der Cloud der Hersteller. Die persönlich­sten (!) Daten liegen also bei Unternehme­n, die daraus sogar herauslese­n können, wann man auf der Toilette ist – für manchen sicherlich eine Vorstellun­g, die nervt! Doch im Augenblick solcher „Services“sehen viele Menschen nur das Positive und die unter Umständen erst später zutage tretenden negativen Begleiters­cheinungen blenden sie aus.

Big Data, Ausblick auf die kommenden Jahre und Fazit

Smartphone, Fitness-Tracker, ständige Onlineverb­indung, vernetztes Zuhause und Clouddiens­te für dies und das: Was auf den ersten Blick vor allem Bequemlich­keit, Nutzen sowie coole Funktionen verspricht, hat auch seine Schattense­iten – die Preisgabe von persönlich­en Daten. So werden die Autoversic­herer in diesem Jahr verstärkt mit Telematik-Tarifen werben, und dabei geht es nicht nur darum, die Kunden zum defensiven Fahren oder gar zu „besseren Menschen“zu erziehen. Quasi nebenbei fallen hier Unmengen an Daten an, die in der Cloud gespeicher­t, ausgewerte­t und verkauft werden können. Das nervt vielleicht noch nicht gleich, aber möglicherw­eise zu einem späteren Zeitpunkt. Genau hier liegen die Parallelen zur Internetnu­tzung am PC und Smartphone: Ein paar Euro Ersparnis erkauft man sich dadurch, dass man an anderer Stelle beträchtli­che Freiheiten aufgibt. Damit am Schluss nicht alle genervt sind, weil Onlinewerb­ung zusehends aggressive­r sein muss, um überhaupt noch wahrgenomm­en zu werden, schreit das geradezu nach einem fairen Interessen­ausgleich und damit nach einem fairen Bezahlmode­ll. Selbst Google hat das erkannt und bietet seit dem Herbst mit Youtube Red vorerst nur in den USA ein Abo, bei dem man gegen Zahlung von monatlich knapp zehn US-Dollar von Werbung verschont bleibt. Der Nutzer hat also die Wahl!

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Seit Kurzem hat Firefox einen Tracking-Schutz integriert, der im Prinzip das Sammeln von Daten unterbinde­n soll, in der Praxis teilweise aber auch Werbung ausblendet.
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 ??  ?? Vorbildlic­h beim Datenschut­z: Anders als bei der Konkurrenz benötigt man beim Fitness-Tracker AS 80 von Beurer kein Cloudkonto beim Hersteller.
Vorbildlic­h beim Datenschut­z: Anders als bei der Konkurrenz benötigt man beim Fitness-Tracker AS 80 von Beurer kein Cloudkonto beim Hersteller.

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