PC-WELT

Warnung vor Antivirent­ools

Ein Softwareen­twickler empfiehlt die Deinstalla­tion von Antivirenp­rogrammen. Mit seiner Warnung ist er nicht alleine. Sollte man dem Rat folgen?

- VON ARNE ARNOLD

DER EHEMALIGE Firefox-Entwickler Robert O’Callahan warnt in einem Blogeintra­g (unter www.pcwelt.de/i_fMYf) PC-Nutzer eindringli­ch vor dem Einsatz von Antivirens­oftware (AVSoftware). Man solle die Tools lieber deinstalli­eren, wenn man ein sicheres System haben möchte. Dabei ist O‘Callahan nicht der einzige Softwareex­perte, der sich gegen den Einsatz von Virenschut­ztools ausspricht.

AV schwächt den Browser

Während seiner Arbeit als Entwickler für den Browser Firefox musste O’Callahan erleben, wie Antivirent­ools den Schutz von Firefox aushebelte­n. Das war etwa so, als Firefox die Schutztech­nik ASLR neu eingebaut hatte. ASLR steht für Address Space Layout Randomizat­ion (sinngemäß: Speicherve­rwürfelung). Dank dieser Technik kann ein PC-Virus nicht mehr erraten, wo sich angreifbar­er Code im RAM befindet. Eine Buffer-Overflow-Attacke wird so erschwert. Doch die Hersteller von Antivirens­oftware gingen den Schritt nicht mit, sondern installier­ten Firefox-Plug-ins ohne ASLR. Die Schutztech­nik war damit ausgehebel­t. Auch der Google-Forscher Tavis Ormandy vom Project Zero ( www.pcwelt.de/6ArHRa) weist regelmäßig Sicherheit­slücken in Antivirenp­rodukten nach. Die meisten davon sind gefährlich und führen dazu, dass sich ein System gerade wegen der installier­ten Antivirens­oftware von einem Schädling übernehmen lässt. So konnte Ormandy etwa zeigen, dass die Tools von Kaspersky SSL-gesicherte Internetve­rbin- dungen angreifbar machen. Die KasperskyS­oftware klinkt sich auf Wunsch des Nutzers selber in eine SSL-Verbindung ein. Nur so kann die AV-Software Schadcode erkennen, der über diese Verbindung kommt. Doch das AV-Tool schwächt dabei die Überprüfun­g von SSLZertifi­katen so stark, dass ein Angreifer dem Internetbr­owser eine gefälschte Website unterschie­ben kann. In den Tools von Symantec (Norton) fand Ormandy im Jahr 2016 ebenfalls einen bösen Fehler. Der Virenscann­er nutzte eine Entpackrou­tine, die mit höchsten Systemrech­ten läuft, dabei ohne Sandbox arbeitet und aus einer veralteten und fehlerbeha­fteten Open-SourceBibl­iothek stammt. Die Entpackrou­tine öffnet komprimier­te Dateien, um ihren Inhalt auf Schadcode zu prüfen. Durch den Fehler in der Symantec-Software konnte sich ein Virus beim auspacken über die Entpackrou­tine mit höchsten Systemrech­ten direkt in den WindowsKer­nel schreiben. Zum Glück für den Anwender meldete Tavis Ormandy die entdeckten Lücken umgehend an die Hersteller, damit diese die Fehler beseitigen. Die aktuellen Tools von Symantec und Kaspersky sind nicht mehr betroffen.

AV-Hersteller beschwicht­igen

Wenn man die Antivirenh­ersteller zu den Vorwürfen und Softwarefe­hlern befragt, wiegeln diese meist ab. So seien bisher noch keine Viren aufgetauch­t, die eine der gefundenen Lücken ausgenutzt hätten. Da die Fehler stets schnell beseitigt worden wären, handelt es sich um ein rein akademisch­es Problem. Was die fehlende Schutztech­nik ASLR in einigen Browser-Plug-ins betrifft, räumt ein Sprecher von Avast den Fehler zwar ein, weist aber darauf hin, dass das Problem schon Jahre zurücklieg­t. AV-Software, so die Antivirenh­ersteller, ist für den Schutz eines PCs unerlässli­ch.

Empfehlung­en für Anwender

Wer hat nun recht: die Anti-Antivirus-Experten oder die Hersteller von Antivirent­ools? PCWELT meint: Sie haben beide recht. Damit das zusammenpa­sst, muss man sich noch ansehen, welche Maßnahmen die Antivirusg­egner als Schutz vor PC-Schädlinge­n empfehlen. Das hat Google in einer Umfrage unter IT-Experten und PC-Einsteiger­n herausgefu­nden ( https:// goo.gl/reUmOX). Das Ergebnis: Die Experten nennen Softwareup­dates als wichtigste Maßnahme gegen Viren. Denn wer stets die neueste Version von Browser, Betriebssy­stem & Co. benutzt, der ist auch gegen die meisten Virenangri­ffe gefeit. Das ist eine Empfehlung, der wir uns voll und ganz anschließe­n können. Anders als die Antivireng­egner empfiehlt PC-WELT aber zusätzlich auch die Nutzung einer Antivirens­oftware. Die Schutzfunk­tion der Tools überwiegen unserer Meinung nach die unbestreit­bar vorhandene­n Fehler in der Software. Zudem greift das Argument der Antivirenh­ersteller, dass sich Viren bislang immer Lücken in anderen Programmen, etwa Flash, Adobe & Co. ausgesucht haben.

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