VoIP-Telefonie
Der Artikel zeigt die aktuellen Tarife und wie Sie ohne jegliche Änderung am bestehenden Anschluss per Internet telefonieren
TELEFONIEREN KANN ICH doch schon übers Festnetz, Mobiltelefon und per Skype oder Smartphone-Messenger: Was brauche ich da mit Voice over IP noch eine Option? Zunächst vorab: VoIP ist ganz einfach und die Technik dahinter nutzen Sie vermutlich ohnehin schon. Denn alle Festnetzanbieter stellen ihr Telefonnetz auf die IP-Technik um. Was also bringt Voice over IP, und warum lohnt es sich, sich damit zu beschäftigen? Kurz zusammengefasst: Sie sparen bares Geld, Sie sind immer und überall über Ihre Festnetznummer erreichbar, und Sie verfügen über eine komfortable und einfach konfigurierbare Telefonzentrale. Beginnen wir beim Geld: Nicht jeder hat eine Allnet-Flatrate, die auch die Gespräche ins Mobilfunknetz oder ins Ausland einschließt. Das gilt sowohl für Gespräche mit dem Handy als auch solche über das Festnetz. Hier schließen die Internetprovider in aller Regel nur eine „Doppelflat“im Grundpreis ein, also das unbegrenzte Surfen und Anrufen ins deutsche Festnetz. Jenseits aber wird es dann schnell teuer. Dazu ein Beispiel. So können Sie über den „falschen“Telefonanbieter für ein halbstündiges Gespräch ins benachbarte EU-Ausland bis zu 60 Euro bezahlen – oder eben 20 Cent über die günstigste VoIP-Konkurrenz! Das gleiche Telefonat kostet damit unter Umständen 300mal so viel wie nötig. Nicht in jedem Fall ist der Unterschied so gewaltig, aber sparen lässt sich mit dem richtigen VoIP-Anbieter praktisch immer. Zudem ist VoIP praktisch, weil Sie über Ihre Festnetznummer überall erreichbar sind. Denn die einzige Voraussetzung ist ein Internetanschluss – das kann auch irgendwo auf der Welt sein. Selbst wenn Sie also Urlaub im Ausland machen, können Sie zu Hause eingehende Festnetzanrufe über Ihr Mobiltelefon annehmen. Kosten entstehen Ihnen dabei keine, außerdem müssen Sie keine Weiterleitung oder Ähnliches einrichten. Schließlich bleibt man auch einfach und kostengünstig für Menschen erreichbar, die kein Whatsapp, Skype oder den Facebook Messenger verwenden.
„Braucht man für Voice over IP neue Hardware? Nein, und die Anmeldung zur VoIP-Telefonie haben Sie ganz schnell erledigt. “
Damit sind wir bei der Bequemlichkeit. Denn so wie Sie über das Internet telefonieren, so können Sie Ihren „Anschluss“aus der Ferne auch konfigurieren und beispielsweise jederzeit den Anrufbeantworter ein- und ausschalten oder abhören und vieles mehr einstellen.
Das Begriffswirrwarr aufgelöst: All-IP, VoIP, SIP und VoLTE
Nun stellt die Deutsche Telekom ebenso wie die übrigen Provider ja ohnehin sämtliche Festanschlüsse auf All-IP-Technik um. Ein Großteil der Bevölkerung nutzt Voice over IP also bereits, wenngleich häufig unbewusst. Allerdings beschränken die kombinierten Internet- und Telefonprovider die Nutzung eines solchen Anschlusses auf den persönlichen Hausanschluss oder ihre eigenen Netze. Technisch ließe sich die VoIP-Nummer zwar überall nutzen, wo Internet zur Verfügung steht, de facto aber verhindern dies künstliche Sperren. Wir beschränken uns deshalb im Folgenden auf solche VoIP-Anbieter, die an jedem Breitbandanschluss sowie im mobilen Internet funktionieren. Telefon- und Internetanschluss sind also entkoppelt, man spricht hier von „nomadischer Nutzung“. Dies hat den Vorteil, dass Sie einen VoIP-Dienst einfach zusätzlich neben Ihrem normalen Telefonanschluss nutzen können und dafür auch wirklich nur dann bezahlen, wenn Sie darüber telefonieren. Denn die hier vorgestellten VoIP-Tarife laufen auf PrepaidBasis ohne monatliche Grundgebühr, ohne Mindestumsatz und damit ohne lange Vertragslaufzeit. Man telefoniert einfach das zuvor überwiesene Guthaben ab, beispielsweise 10 oder 20 Euro – genauso wie bei Mobilfunk-Prepaid. Bei Ihrem Internet- und Telefonanschluss zu Hause bleibt alles gleich, den VoIP-Dienst – oder auch mehrere – richten Sie einfach dazu ein. So wie nun die Begriffe VoIP und All-IP das Telefonieren über das Internet beschreiben, so gilt das Gleiche für die Abkürzung SIP. „Session Initiation Protocol“steht eigentlich für eine Protokolltechnik, praktisch verwendet man SIP aber synonym für Voice over IP. Schließlich erfolgt die Umrüstung auf VoIP nicht nur im Festnetz, sondern – wenngleich bisher nur punktuell – beim „normalen“Mobilfunk. Normal setzen wir deshalb in Anführungszeichen, weil hier mit der Voice over LTE (VoLTE) genannten Technik IP-Gespräche über die originäre Telefonfunktion des Handys gemeint ist. Man braucht also keine spezielle VoIP- oder SIP-App installieren wie dies sonst nötig und auch weiterhin möglich ist. Vodafone, O2 und die Telekom haben VoLTE in den Jahren 2015/2016 in Deutschland eingeführt, derzeit werden aber nur wenige Smartphones unterstützt. Unsere Tests unterstreichen je- denfalls die deutlich bessere Ton- und Sprachqualität der mobilen IP-Telefonie: Während die Frequenzen im herkömmlichen 2G- und 3GMobilfunknetz oberhalb von 4300 Hertz fehlen, überträgt die IP-Technik bis zu 7500 Hertz. Bei der folgenden Betrachtung lassen wir die Kombination von IP und LTE aber außen vor, weil Voice over IP per App mit jedem VoIPAnbieter und jedem Smartphone funktioniert.
Die passende Hardware für VoIP: Fast alle Endgeräte funktionieren
Voraussetzung für die Nutzung von VoIP ist zunächst ein Internetanschluss, egal, ob leitungsgebunden, per WLAN oder Mobilfunk. Zumindest im Prinzip, denn mancher Handyprovider verbietet die VoIP-Nutzung in seinem Netz per AGBs, seltener sogar technisch. Ansonsten genügt zum Telefonieren sogar ein einfacher langsamer DSL-1000-Anschluss und
WLAN im Zug oder Hotel. Auf die bei der IPTelefonie übertragenen Datenmengen gehen wir im Kasten „Die besten VoIP-Apps fürs Smartphone“auf Seite 59 ein. Ansonsten können Sie jedes Gerät mit Mikrofon und Lautsprecher beziehungsweise Kopfhörer nutzen: Notebook, PC mit Headset, Tablet -PC, Smartphone, VoIP-Router wie die Fritzbox mit angeschlossenen Telefon (DECT oder schnurgebunden) sowie schließlich echte IPTelefone. Solche Geräte sind zwar wenig verbreitet, kosten aber gar nicht viel. Das Modell KX-HDV130 von Panasonic für 40 Euro ist nur ein Beispiel. Angesteckt per Netzwerkkabel an jeden x-beliebigen Router kann man nach einmaliger Konfiguration gleich lostelefonieren. Das funktioniert selbst dann, wenn der Router wie die Fritzbox-Modelle 3xxx und 4xxx keinen normalen Telefonanschluss (TAE oder RJ11) besitzt. Weitere Infos dazu lesen Sie im Kasten „Fritzbox ohne Telefonie: So klappt VoIP trotzdem“auf Seite 61. Alternativ lässt sich ein vorhandenes DECT- oder Schnurtelefon über einen VoIP-Adapter wie den Cisco SPA112 für knapp 40 Euro per Netzwerkkabel mit einem x-beliebigen Router verbinden. Schließlich wurde mit dem Ende des Routerzwangs vor einem Jahr den Internetprovidern die Möglichkeit genommen, ihre Kunden mit einem bestimmten Router – und damit zugleich mit einer Sperre für zusätzliche VoIPDienste – auszustatten.
Viele VoIP-Dienste bieten eine Festnetznummer ohne Grundgebühr
Zu zehn deutschen VoIP-Anbietern haben wir die wichtigsten Tarife und Features in der Übersicht auf den beiden Seiten unten zusammengestellt. Dabei handelt es sich jeweils um den kostenlosen Prepaid- oder Basistarif, der von den Gesprächskosten abgesehen keinerlei monatliche Grundgebühr kostet. Einzige Ausnahme ist diesbezüglich Easybell. Das Unternehmen verlangt nach den ersten zwölf Gratismonaten eine jährliche Grundgebühr von 9,48 Euro für die Festnetznummer. Beim Blick in die Tabelle fallen die großen Preisunterschiede auf. Mal kostet die Gesprächsminute in die deutschen Mobilfunknetze fast 15 Cent pro Minute, mal nur 3,5. Noch größer sind die Unterschiede bei Gesprächen ins Ausland, ausgenommen in die USA. Zudem bieten einige Provider Flatrates ins deutsche Fest- und/oder Mobilfunknetz sowie weitere hier nicht aufgeführte All-inclusive-Tarife für Europa oder die gesamte Welt an. Meist lassen sich die speziellen Tarifextras schnell bei den Telekommunikationsfirmen finden, viele bieten sogar einfache Tarifrechner, bei denen man nur das Ziel eingibt. Bezahlt wird je nach Anbieter und Tarif meist über Paypal, Kreditkarte oder Lastschrift. Anbieterinterne SIP-Gespräche sind völlig kostenlos, nur weiß man beim Wählen einer Festnetznummer in aller Regel nicht, wo diese registriert ist. Schließlich unterscheiden sich die VoIP-Dienste bei den Extras, einzelne verfügen nicht einmal über einen Anrufbeantworter. Positiv ist schließlich die einfache Einrichtung
und Registrierung eines neuen VoIP-Anschlusses: Mancher Anbieter verspricht, alles in 30 Sekunden zu absolvieren … Ergänzt haben wir die Tabelle um Skype, denn mit dem IP-Telefondienst von Microsoft lassen sich neben den kostenlosen Gesprächen per App oder Software auch normale Telefonnummern gegen Gebühr anrufen. Den jeweils günstigsten Tarif finden Sie online unter www.telta rif.de/tarife/voip/deutschland/festnetz/fern. Einen Nachteil hat VoIP allerdings bei Notrufnummern: Unterwegs sollten Sie die 110 oder 112 stets per Mobilfunk wählen, denn sonst werden Sie mit Ihrer heimischen Rettungsleitstelle verbunden.
Fazit: Probieren Sie Voice over IP doch einfach mal aus …
Telefonieren ist heute so viel günstiger als vor 20 Jahren, da sollte man sich nicht wegen einer Nachkommastelle bei den Gesprächsgebühren verrückt machen. Wer aber beispielsweise häufig Freunde, Verwandte oder Geschäftspartner im Ausland anruft, spart mit Voice over IP richtig viel Geld. Der Aufwand fürs Registrieren und Einrichten ist gering, ansonsten funktioniert alles wie bei normalen Telefonaten. Und wer ein Smartphone oder einen (VoIP-)Router wie die verbreitete Fritzbox besitzt, kann ohne zusätzliche Hardware sofort loslegen. Schließlich ist man selbst über seine Festnetznummer jederzeit für andere günstig erreichbar. Für die meisten Menschen empfiehlt sich VoIP als Ergänzung zum bestehenden gekoppelten Telefon- und Internetanschluss. Ein nomadischer Anschluss lässt sich alternativ aber auch als „Hauptnummer“verwenden. So kann man alle zwei Jahre seinen Internetanschluss kündigen und jeweils einen Bonus beim neuen Provider mitnehmen, ohne dass man jedesmal um die korrekte Portierung der Rufnummer fürchten muss – denn die VoIP-Nummer funktioniert ja unabhängig vom Internetzugang.