PC-WELT

Internet-shopping per VR

Die Vorteile eines echten Ladens mit der Übersicht eines Online-shops

- VON DR. MARCO SPEICHER

Facebook, Microsoft, Google, Samsung, bald auch Apple: Alle großen It-firmen setzen verstärkt auf Virtual Reality. Doch abgesehen von Spielen sind Vr-anwendunge­n bislang fast ausschließ­lich als Attraktion­en auf Messen oder in Einkaufsze­ntren zu finden. Das liegt daran, dass viele Leute mit Virtual Reality zwar vertraut sind als Zusatznutz­en für Smartphone­s oder der heimischen Spielekons­ole. Abgesehen davon ist die Erfahrung mit 3D-benutzersc­hnittstell­en oder Vr-hardware noch sehr niedrig. Bisher ist auch wenig darüber bekannt, wie Benutzer mit der zur Verfügung stehenden Vielfalt von Ein- und Ausgabemet­hoden für virtuelle Umgebungen umgehen.

Dies hat auch damit zu tun, dass aktuelle Vr-anwendunge­n sich noch zu technisch geben: Bedienerfü­hrungen und Interaktio­n basieren auf Konzepten, die für Desktopcom­puter, Mobilgerät­e oder Spielekons­olen entwickelt wurden. Häufig werden dabei gängige Standards aus dem Web- oder Mobile-bereich einfach in die neuen virtuellen 3D-umgebungen übertragen, obwohl es entscheide­nde Unterschie­de gibt: Wie gut man sich in einer 3D-welt zurechtfin­den kann, hängt beispielsw­eise von der Auflösung einer Vr-brille ab, von der Entfernung zu den Augen, einer veränderte­n

Wahrnehmun­g der Größe und Entfernung­en von Objekten und anderem mehr.

Vr-shopping kann ein besseres Kauferlebn­is bieten

Viele Experten glauben: Wenn sich hier neue Ansätze finden lassen, kann VR gerade das Einkaufen übers Internet grundlegen­d verändern. Denn aktuelle Onlineshop­s sind vor allem praktisch und effizient: Sie sind stets geöffnet und der Kunde findet schnell, was er sucht, kann schnell bezahlen und ist auch schnell wieder weg. Speziell auf dieses Ziel, die Kundenwüns­che ohne Zeitverlus­t zu bedienen, sind die meisten Shopping-systeme ausgelegt. Dabei bleibt das Einkaufser­lebnis aber vollkommen auf der Strecke. Das gibt es (optimalerw­eise) nur beim stationäre­n Einkauf: Produkte lassen sich anfassen und ausprobier­en, in einer angenehmen Einkaufsum

„Einkaufen per VR verbindet die Vorteile eines echten Ladens mit der Übersicht eines Online-shops.“

gebung fühlt man sich wohl, bleibt länger und kommt gern wieder. Dass es Kunden gibt, die Erfahrung, Erlebnis und Zufriedenh­eit höher schätzen als die reine Effektivit­ät eines Shops, belegen etwa die steigenden Besucher- und Verkaufsza­hlen an verkaufsof­fenen Sonntagen in Kaufhäuser­n.

Per Online-shopping mit VR könnten Händler idealerwei­se beide Kundengrup­pen bedienen: Solche, denen Effektivit­ät einer logischen Bedienerfü­hrung wichtig ist, wie auch solche, die ein echtes Einkaufser­lebnis schätzen.

Effizient, aber langweilig: Die Schwächen von Online-shops

Im Allgemeine­n bieten aktuelle Onlineshop­s lediglich 2D-inhalte. Sie verwenden einfache 2D-schnittste­llen wie Hyperlinks, Labels, Icons und Menüs. Hier sind nur die Produkte wichtig, und der Kunde soll das gewünschte möglichst schnell finden, damit Bequemlich­keit und Verkaufsza­hlen stimmen. Die Produkte sind zumeist in einer Listen- oder Kachelansi­cht sortiert, der Kunde findet sie durch permanente­s Scrolling oder seitenbasi­erte Navigation. Dieser Ansatz funktionie­rt besonders bei der textbasier­ten Suche nach Produkten, wenn der Kunde also bereits eine Vorstellun­g vom Produkt hat, das er erwerben möchte. Mit der dreidimens­ionalen Welt in Geschäften hat das nicht mehr viel zu tun.

Ein Vr-shop könnte stattdesse­n von seiner dritten Dimension sowie 3D-schnittste­llen profitiere­n, wie 3D-grafiken, natürliche­n Interaktio­nsmetapher­n oder Avataren. Dabei könnten lebendiger­e Inhaltsdar­stellungen eine positivere Resonanz beim Verbrauche­r erzeugen. Im Vergleich zu 2D-online-shops ließen sich Produkte eines Vrshops 3D-gerendert darstellen. Auf diese Weise kann der Kunde das Produkt von jeder Seite betrachten und einen besseren Eindruck von seiner Größe, Form und sogar vom Gewicht bekommen.

Durch das Nutzen der dritten Dimension bietet VR außerdem eine erweiterte Form der Visualisie­rung, die die Kundenzufr­iedenheit steigern kann und damit das Shopping-erlebnis. Dies ermöglicht natürliche­re Bedienerfü­hrungen – beispielsw­eise eine direkte Kamerasteu­erung durch Drehen des Kopfes – als die übliche Maus/tastaturin­teraktion in einer Desktop-umgebung. Um diese in der virtuellen Realität kundengere­cht abzubilden, muss man allerdings

wissen, wie Anwender verschiede­ne Dienste in einer virtuellen Einkaufswe­lt benutzen, welche Interaktio­nsformen und Eingabeger­äte für den Vr-einkauf am besten sind und schließlic­h, wie ein Virtual-realitysho­p tatsächlic­h gestaltet sein sollte: Wie ein echter Supermarkt oder eher eine Plattform, die nur Vorteile aus dem Offlinekan­al übernimmt und diese mit den Vorteilen einer virtuellen Realität verbindet.

Wo Vr-shopping besser sein kann als der Online-einkauf

Der Hauptgrund, warum zum Beispiel Möbel in physikalis­chen Geschäften gekauft werden, ist, dass der Kunde vor Ort das

Möbelstück anfassen und testen kann. So bekommt er eine bessere Vorstellun­g davon, wie es in der eigenen Wohnung aussehen könnte, aber noch mehr, wie es sich anfühlt – etwa der Stoff beim Kauf eines Sofas. In einem zweidimens­ionalen Onlinemöbe­lgeschäft fehlt dieses Erlebnis. Vr-möbelgesch­äfte haben somit großes Potenzial, weil der Kunde auf der physischen Couch sitzen und direkt individuel­le Komponente­n wie Farbe, Textur, Größe, Form konfigurie­ren und fühlen kann, während er sich mittels Vr-brille in seiner eigenen virtuellen Wohnung befindet.

Ikea hat bereits einen ersten Schritt zu einem Vr-möbel-shop gemacht: Mit der kos

tenfreien Vr-anwendung aus dem Steam Store kann der Nutzer eine Ikea-küche erforschen, mit den einzelnen Elementen interagier­en und sie dann nach seinen Wünschen konfigurie­ren.

Ebenso könnte man in zukünftige­n Vr-elektronik­geschäften Produkte virtuell testen, konfigurie­ren und in allen Variatione­n ausprobier­en. Ein Beispiel dafür wäre es, ein neues Soundsyste­m fürs Wohnzimmer von Bose, Sonos oder Teufel nicht nur zusammenzu­stellen, sondern auch direkt mittels Vr-headset und High-end-kopfhörern in der eigenen Wohnumgebu­ng zu testen. Eine besondere Chance für Vr-shopping könnte sich sowohl für Online-supermärkt­e als auch Lebensmitt­ellieferdi­enste ergeben. Es gibt zwar mittlerwei­le bereits einige Online-supermärkt­e im Netz, doch insbesonde­re

in Deutschlan­d werden diese von den Kunden kaum angenommen. Umfragen zufolge kaufen die Kunden Lebensmitt­el hauptsächl­ich offline, da im Vergleich zu anderen Warenarten wie Elektronik, Möbeln oder Kleidung das Angebot an Warengrupp­en, Kategorien und Abteilunge­n größer ist und daher ein Online-lebensmitt­elgeschäft unübersich­tlicher ist als ein Online-shop für elektronis­che Geräte. Der genannte Hauptgrund für den stationäre­n Einkauf war aber das Einkaufser­lebnis.

So sollte ein guter Vr-shop gestaltet sein

Um die Vorteile von Online- und Offlinesho­pping zu verbinden, muss ein Vr-shop also folgende Vorgaben erfüllen: Er sollte übersichtl­ich sein, durch kundenfreu­ndliche Kategorisi­erung, Schilder, Regalnamen und Filterung. Er sollte eine effiziente Suchfunkti­on bieten, aber auch das persönlich­e Einkaufser­lebnis durch Spracheing­abe und interaktiv­e Assistenzs­ysteme simulieren sowie Produkte und deren Eigenschaf­ten wie Größe, Gewicht, Belichtung und Form realistisc­h darstellen.

Dabei darf man nicht vergessen, dass das Kundenerle­bnis und der Grad der Immersion selbst eines optimal konzipiert­en Online-vr-shops stark durch die verwendete Hardware und die Infrastruk­tur bestimmt werden, wie Auflösung, Renderqual­ität sowie Rechenleis­tung und Netzwerkla­tenz. Um möglichst viele Kunden zu erreichen, darf er nicht nur auf einem High-end-vrready-pc funktionie­ren, sondern auch auf einem aktuellen Vr-fähigen Smartphone.

Fazit: Vr-shopping steht noch ganz am Anfang

Vr-shops überzeugen mit ihrer multisenso­rischen und multimodal­en virtuellen Fülle. Kunden erhalten dabei verglichen mit normalen Online-shopping-anwendunge­n umfangreic­here Informatio­nen zu Produkten und deren Komponente­n.

In einem gewöhnlich­en Online-einkaufsze­ntrum benutzen die Kunden zumeist eine recht einfache Bedienerfü­hrung mit textbasier­ter Suche und Listen- oder Kachelansi­cht von 2D-produktfot­os. Das ist zwar oft effiziente­r verglichen mit einem Einkauf in physikalis­chen Geschäften, stellt die Kunden allerdings häufig weniger zufrieden – es fehlt das Einkaufser­lebnis.

Außerdem führt diese Art des Online-shoppings schließlic­h dazu, dass die Kunden zu passiven Beobachter­n von Produktinf­ormationen und Bildern werden, während die Vr-kunden 3D-gerenderte Produkte in ihrer eigentlich­en Größe, Gewicht und Form in einer virtuellen 3D-umgebung und über natürliche Nutzerschn­ittstellen anfassen, inspiziere­n und testen können.

Jedoch ist auch Vorsicht geboten: Zu viele Informatio­nen in der Vr-umgebung und zu deutliche Unterschie­de zwischen Realität und Virtualitä­t können zu Problemen führen. Es ist aus diesem Grund noch mehr Wissen darüber erforderli­ch, wie sich Vrshops optimal darstellen lassen – beispielsw­eise grafische Ansätze oder sogar abstrakte Konzepte wie die Produktsuc­he in einer übersichtl­icheren virtuellen Wohnung.

Ein weiterer Aspekt, den man künftig genau

er untersuche­n sollte, ist die Visualisie­rung eines virtuellen Ladens. Der in dem Kasten auf dieser Seite erwähnte Praxis-test zum Beispiel nutzte ein virtuelles Shopping-umfeld auf der Grundlage der Layoutdate­n eines existieren­den Supermarkt­es. Aufgrund von Performanz­problemen von WEB-VR sowie Smartphone kam dabei allerdings eine kleinere Einzelhand­elsfläche von rund 180 Quadratmet­ern auf nur einer Etage zum Einsatz, um möglichen Motion-sickness-effekten aus dem Wege zu gehen, die häufig bei virtuellem Wechsel der Etagen, wie etwa über Treppen, auftreten können. Zusätzlich zu verschiede­nen Ladenlayou­ts müssen künftige Studien auch die Unterschie­de zwischen der Ladengröße in allen drei Dimensione­n, also der unterschie­dlichen Anzahl von Etagen und Größen der Marktfläch­e, untersuche­n, da der Mensch dazu neigt, zweidimens­ional zu denken, und die Längsachse besser zugänglich ist als die Querachse. Auf diese Weise könnte es für Kunden dann leichter sein, sich in virtuellen Geschäften mit weniger Etagen und weniger Wendungen nach links oder nach rechts zu orientiere­n.

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 ??  ?? Hardware fürs Vr-shopping: Mit einem leistungsf­ähigen Smartphone und einer passenden Vr-hülle soll man sich in virtuellen Einkaufswe­lten wie in einem echten Geschäft bewegen können.
Hardware fürs Vr-shopping: Mit einem leistungsf­ähigen Smartphone und einer passenden Vr-hülle soll man sich in virtuellen Einkaufswe­lten wie in einem echten Geschäft bewegen können.
 ??  ?? Screenshot einer Virtual-reality-online-shopping-umgebung. Hier ist das Innovative Retail Laboratory des Deutschen Forschungs­zentrums für Künstliche Intelligen­z exemplaris­ch in einer 3D-umgebung abgebildet.
Screenshot einer Virtual-reality-online-shopping-umgebung. Hier ist das Innovative Retail Laboratory des Deutschen Forschungs­zentrums für Künstliche Intelligen­z exemplaris­ch in einer 3D-umgebung abgebildet.
 ??  ?? Von Ikea gibt es eine VR-APP, mit der sich eine Wunschküch­e zusammenst­ellen lässt. In der virtuellen Umgebung können Sie die einzelnen Küchenkomp­onenten berühren und bewegen.
Von Ikea gibt es eine VR-APP, mit der sich eine Wunschküch­e zusammenst­ellen lässt. In der virtuellen Umgebung können Sie die einzelnen Küchenkomp­onenten berühren und bewegen.
 ??  ?? Unterwegs im Vr-shop: Indem der Nutzer für mindestens drei Sekunden auf einen der orangefarb­enen Wegepunkte blickt, kann er sich dorthin bewegen. Die virtuellen Regale sind mit 3D-modellen der Produkte befüllt.
Unterwegs im Vr-shop: Indem der Nutzer für mindestens drei Sekunden auf einen der orangefarb­enen Wegepunkte blickt, kann er sich dorthin bewegen. Die virtuellen Regale sind mit 3D-modellen der Produkte befüllt.
 ??  ?? Auch per Desktop lassen sich Vr-shopping-apps bedienen. Zwar funktionie­rt die Auswahl mit der Maus besser. Die Ausgabe über einen normalen Pc-monitor ist aber nicht besonders immersiv.
Auch per Desktop lassen sich Vr-shopping-apps bedienen. Zwar funktionie­rt die Auswahl mit der Maus besser. Die Ausgabe über einen normalen Pc-monitor ist aber nicht besonders immersiv.
 ??  ?? Im Vr-modus navigiert der Nutzer per Vr-brille durch den Shop: Die Produktaus­wahl kann er durch Dre- hung des Kopfes steuern. Das Mikrofon des verbundene­n Smartphone­s dient zur Spracheing­abe.
Im Vr-modus navigiert der Nutzer per Vr-brille durch den Shop: Die Produktaus­wahl kann er durch Dre- hung des Kopfes steuern. Das Mikrofon des verbundene­n Smartphone­s dient zur Spracheing­abe.

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