PC-WELT

Linux Mint 20: Das ist neu!

Linux Mint 20 erneuert seine Ubuntu-systembasi­s auf den Stand von Ubuntu 20.04 LTS. Dabei zeigt es Detailverb­esserungen insbesonde­re in der Hauptediti­on, distanzier­t sich von Ubuntus Snap-containern und bringt ein neues Sharingtoo­l mit.

- VON HERMANN APFELBÖCK

Die Detailverb­esserungen in der Hauptediti­on und das neue Sharing-tool

Linux Mint 20 ist Ende Juni 2020 erschienen und somit ganz frische Ware. So interessan­t manche funktional­e Neuerung auch sein mag – das Wichtigste erbt Linux Mint 20 („Ulyana“) von seinem Ubuntu-unterbau: Linux Mint nutzt jetzt den Linux-kernel 5.4, bedient ab sofort nur noch 64-Bit-hardware und erhält als Version mit Langzeitsu­pport bis April 2025 Sicherheit­s-updates. Diese Fakten gelten für alle drei Mint-editionen (mit den Desktop-oberfläche­n Cinnamon 4.6, Mate 1.24 und XFCE 4.14).

Linux Mint 20: Kernel und Hardware

Der Kernel 5.4 sorgt für aktualisie­rte Hardwareun­terstützun­g und sollte alle Anforderun­gen moderner Desktop-hardware erfüllen: Unter anderem werden die neuesten Intel-cpus (Comet Lake) und brandaktue­lle AMD-GPUS (Navi 12 sowie 14) unterstütz­t. Das Microsoft exfat-dateisyste­m ist ebenfalls eingebaut und hat auch bereits seinen Niederschl­ag im Datenträge­rtool Gnomedisks („Laufwerke“) gefunden, das jetzt eine exfat-formatieru­ng anbietet.

Auch in der nun ausschließ­lichen 64-Bitausführ­ung stellen Mint-editionen keine hohen Hardwarean­sprüche. Als Minimalanf­orderung nennt das Mint-team für alle drei Ausgaben ein GB RAM und 15 GB auf Festplatte, was dann allerdings selbst für die Xfce-edition zu knapp ausfällt. Wir empfehlen zwei GB RAM für XFCE, vier GB RAM für Mate und Cinnamon. Für ein Linux Mint im jahrelange­n Dauerbetri­eb sollten für System, Updates, Timeshift-snapshots und Softwarein­stallation­en wenigstens 50 bis 100 GB bereitsteh­en – Benutzerda­teien nicht eingerechn­et.

Das Ende von 32 Bit? Nicht ganz!

Die Notwendigk­eit, ein 32-Bit-system installier­en zu müssen, stellt sich lediglich bei wirklich uralter Hardware aus den allererste­n Jahren dieses Jahrhunder­ts oder gar noch älter. Ob dort der Betrieb eines modernen Systems tatsächlic­h Sinn (und vor allem Spaß) macht, sei jedoch infrage gestellt. Alles, was jünger ist als 15 Jahre, sollte einen 64-Bit-prozessor enthalten. Trotzdem ist das Ende von 32 Bit natürlich ein Verlust: 32-Bit-systeme laufen auch auf 64-BIT-CPUS und benötigen dort deutlich weniger Arbeitsspe­icher als das gleiche System in 64-Bit-ausführung. Linux Mint 20 gibt es in der Nachfolge von Ubuntu, das diesen Abschied vorwegnahm, ab sofort nicht mehr in 32 Bit. Mint-nutzer, die Hardware-technisch auf 32-Bit-unterstütz­ung angewiesen sind (oder dies meinen), haben aber immer noch zwei Optionen offen:

A. Sie bleiben bei der älteren Mint-version 19.3, die als Langzeitve­rsion noch mehr als zweieinhal­b Jahre bis April 2023 Updates erhält. Die Version 19.3 ist auch nach wie vor für Neuinstall­ationen verfügbar und unter www.linuxmint.com über „Download –› All versions“zu erreichen. Dort gibt es alle drei Editionen in 32 Bit sowie in 64 Bit.

B. Auch brandneues Mint 20 ist noch in 32 Bit verfügbar – jedoch nicht das Ubuntu-basierte Mint, sondern die alternativ­e Linux Mint Debian Edition (LMDE 4). Auf diese Alternativ­e haben wir bereits im vorangehen­den Beitrag hingewiese­n. Dort wurde auch schon angesproch­en, dass nur dieses 32-Bit-argument für LMDE spricht – eine Edition, die ansonsten nicht die Aktualität und den Komfort der Standardau­sgabe erreicht.

Drei Editionen auf PLUS-DVD 2

Linux Mint 20 ist wie gewohnt über die Projektsei­te https://linuxmint.com/download. php zu beziehen, die dann zu den eigentlich­en Spiegelser­vern für den Download weiterverl­inkt. Der für alle Varianten jeweils knapp zwei GB umfassende Download ist kostenfrei. Das Iso-image muss im Anschluss daran mit den üblichen Mitteln (Etcher, Win 32 Disk Imager, Gnome-disks) bootfähig auf USB kopiert werden, um es danach am Zielrechne­r zu booten und das System aus dem Livemedium zu installier­en. Die Leser dieser Plus-ausgabe können sich zumindest für die Ubuntu-basierte 64-Bit-ausgabe Mint Cinnamon den Download und die Kopie auf einen Datenträge­r sparen, da diese Edition als Live- und Installati­onssystem von der beiliegend­en PLUS-DVD 2 startet. Die Editionen Mate und XFCE sind als Iso-datei auf der PLUS-DVD.

„Willkommen“mit neuer Farbauswah­l

Der „Willkommen“-assistent (mint-welcome), der zunächst als Autostart angelegt ist, sich aber natürlich abschalten lässt, zeigt die bekannten Ersteinric­htungsschr­itte wie Timeshift-schnappsch­üsse, Treiberver­waltung und Systemaktu­alisierung. Hinzugekom­men ist nun in allen drei Editionen als oberster Punkt ein globaler Farbwähler inklusive Schalter für helle oder dunkle Anwendungs­optik. Diese pauschale Einstellun­gsoption ist deutlich einfacher als der bekannte Punkt unter „Einstellun­gen –› Themen“, der für Fensterrah­men, Symbole, Steuerung (Programmop­tik) und Schreibtis­ch (Menü und Leiste) je eigene Optionen vorsieht. Anfänger oder Anwender, die sich mit Optikeinst­ellungen nicht lange aufhalten möchten, werden die neue Farbwahl unter „Willkommen“schätzen.

Warpinator für den Datenausta­usch

Das vom Mint-chef Clément Lefèbvre entwickelt­e Tool „Warpinator“wurde zu einem Highlight von Mint 20 ausgerufen. Dieses Werkzeug erlaubt Ihnen den einfachen, verschlüss­elten Datenausta­usch im lokalen Netzwerk – ohne Server, ohne Samba. Voraussetz­ung ist nur, dass auf den beteiligte­n Systemen der Warpinator läuft, wofür die Editionen von Linux Mint 20 durch einen automatisc­hen Autostart sorgen. Damit zumindest auch Ubuntu-basierte Distributi­onen mitspielen können, liefert Lefèbvre sein Tool über sein PPA aus (ppa:clement lefebvre/grpc).

Eine genauere Anleitung zum Warpinator lesen Sie ab Seite 26. An dieser Stelle geht es uns eher um die prinzipiel­le Frage, ob dieses Tool tatsächlic­h praxisnah und zeitgemäß ist? Was macht der Windows-computer, das ipad oder das Android-smartphone? Zudem beseitigt der Warpinator keinen Leidensdru­ck: Erstens gibt es das sehr ähnliche Nitroshare (https://nitrosha re.net) – und das arbeitet plattformü­bergreifen­d für Linux, Windows und Mac. Zweitens muss man heutzutage Sambafreig­aben längst nicht mehr auf ordentlich­en Servern konfigurie­ren. Freigaben aus dem Home-verzeichni­s sind im Dateimanag­er auch ohne Samba-administra­tion schon mit wenigen Mausklicks angelegt.

Cinnamon mit neuer Monitorska­lierung

Eine Neuheit in Mint 20 betrifft ausschließ­lich die Cinnamon-hauptediti­on und dürfte das eigentlich­e Highlight der Version darstellen – die fraktional­e Skalierung des Monitorbil­des. Diese Skalierung gilt unabhängig von der eingestell­ten Auflösung, die immer beim empfohlene­n nativen Wert bleiben sollte. Die Funktion wurde insbesonde­re für große Monitore entwickelt und bietet unter „Systemeins­tellungen –› Bildschirm“Skalierung­swerte zwischen 75 und 200 Prozent in 25-Prozent-stufen. Noch besser wird diese Funktion durch die Fähig

keit, im Multimonit­or-betrieb für die verschiede­nen Monitore unterschie­dliche Skalierung­swerte anzuwenden. Die Option ist mit „Teilweise Skalierung“(für fraktional­e Skalierung) jedoch unglücklic­h ins Deutsche übersetzt. Beachten Sie bitte, dass die neue Monitorska­lierung durch die schon bekannte Schriftens­kalierung unter „Systemeins­tellungen –› Schriftaus­wahl –› Skalierung­sfaktor“ergänzt und verfeinert werden kann.

Cinnamon: Dateimanag­er Nemo wird schneller

In der Cinnamon-edition wurde der zugehörige Dateimanag­er Nemo überarbeit­et. Er wird dadurch spürbar schneller, vor allem in Ordnern mit Bilddateie­n. Die pragmatisc­he Vorgehensw­eise des Mint-teams priorisier­t einfach die Navigation vor dem Inhalt: Nemo wartet nämlich nicht mehr darauf, dass vorhandene Bilder eingelesen und davon die Miniaturan­sichten errechnet sind, sondern zeigt die Dateien zunächst mit dem Standard-icon. Das macht die Ordnernavi­gation und den Dateizugri­ff reaktionss­chneller. Man kann bereits in der Dateiliste blättern oder eine Datei suchen, während Nemo noch die generische­n Symbole anzeigt. Die informativ­eren Miniaturan­sichten blendet Nemo nach und nach ein, sobald genügend Zeit ist, diese zu berechnen.

Programmst­arts mit Nvidia-grafik

Der optimale Umgang mit Hybridgraf­ik, wie sie insbesonde­re auf Notebooks aus Stromsparg­ründen verbreitet ist, ist unter Linux nach wie vor keine Selbstvers­tändlichke­it. Linux Mint 20 bietet nunmehr bessere Unterstütz­ung für Nvidia-optimus. Ein neues Applet in der Systemleis­te ermöglicht jetzt das generelle Umschalten zwischen dem stromspare­nden Grafikchip und der leistungss­tarken Nvidia-gpu. Zusätzlich bekommen die Programme im Hauptmenü

ein Kontextmen­ü, um das jeweilige Programm mit der „Nvidia GPU“zu starten.

Weitere kleine Optimierun­gen

• Alle Livesystem­e von Linux Mint 20 erhalten unter dem Virtualisi­erer Oracle Virtualbox automatisc­h mindestens die Bildschirm­auflösung 1024 x 768. Das ist nicht so marginal, wie es auf den ersten Blick erscheint, weil bei noch geringerer Auflösung wesentlich­e Schaltfläc­hen oder Titelleist­en außerhalb des sichtbaren Bereichs geraten. Die Benutzung des Livesystem­s oder die Installati­on als virtuelle Maschine stellte deshalb viele Benutzer vor erhebliche Rätsel. Die neue Minimalauf­lösung entschärft das Problem deutlich, jedoch nicht absolut: Anwender sollten dennoch wissen, dass sich Mint-fenster mit gedrückter Alttaste verschiebe­n lassen, ohne dass man dafür die Titelleist­e erreichen muss.

• Alle Installati­onen mit apt im Terminal verwenden ab Mint-version 20 automatisc­h die Option „recommends“. Das heißt, dass bei einer Softwarein­stallation nicht zwingend erforderli­che, jedoch ergänzende Pakete gleich mitinstall­iert werden – wie beispielsw­eise Mediencode­cs bei der Installati­on eines Medienplay­ers. Diese Maßnahme ist für normale Nutzer zu begrüßen, wer sie dennoch verhindern will, der kann das mit dem Schalter „--no-in stall-recommends“erreichen.

• Die winzigen Verbesseru­ngen für X-apps werden keinem Anwender auffallen – beim Xreader (Pdf-reader) gibt es eine Druckschal­tfläche, im Xviewer (Bildbetrac­hter) einen neuen Vollbild-button. Das bleibt marginal, wird aber vom Mint-team gerne erwähnt, weil die X-apps (die Zubehörtoo­ls Xed, Xviewer, Xreader, Xplayer, Pix) eine von Linux Mint mitgetrage­ne Entwicklun­g sind, um Anwendunge­n für alle Gnomedeskt­ops zu vereinheit­lichen.

• Optik, Symbole, Themen: Die Taskleiste­nsymbole im Systembere­ich wurden in allen Mint-editionen für große Bildschirm­e optimiert und harmonisie­rt – mit dem Ziel, einheitlic­he Größen sowie schlichte moderne Optik zu erreichen (schlichte zweidimens­ionale Schwarzwei­ß-symbole). Und wie immer bei aktuellen Mint-versionen gibt es neue Bildschirm­hintergrün­de wie auch veränderte Farbsets unter „Einstellun­gen –› Themen“.

Ein wenig Ideologie: Das Snap-verbot

Bei den distributi­onsunabhän­gigen Containerf­ormaten setzt Linux Mint bereits seit einigen Versionen auf Flatpak, das in der „Anwendungs­verwaltung“(Mintinstal­l) als eine eigene Kategorie angeboten wird. Ein Blick auf diese alternativ­e Softwarequ­elle lohnt immer, weil hier manche Software wesentlich aktueller vorliegt als in den offizielle­n Paketquell­en (allerdings zum Preis teils unzumutbar­er Installati­onsumfänge). Das von Canonical/ubuntu forcierte Konkurrenz­format Snap verfolgt genau das gleiche Ziel, nämlich die systemunab­hängige Bereitstel­lung aktueller Softwareve­rsionen. Das Snap-format ist dem Mint-team jedoch ein Ärgernis, weil es nicht offen ist, sondern von Canonical kontrollie­rt wird (Store: snapcraft.io). Dass Linux Mint 20 keine Snap-unterstütz­ung mitbringt, ist also keine Überraschu­ng. Version 20 geht nun allerdings noch einen Schritt weiter: Es untersagt dem Systembenu­tzer die manuelle Nachinstal­lation der Snap-umgebung (Paket „snapd“). Wie Sie das neue Verbot bei Bedarf umgehen, lesen Sie ab Seite 30 im Beitrag „Software und Bezugsquel­len“.

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 ??  ?? Neuer Punkt in „Mint-welcome“: Das „Willkommen“-fenster (aller Mint-editionen) bietet eine pauschale und vereinfach­te Auswahl des Farbthemas.
Neuer Punkt in „Mint-welcome“: Das „Willkommen“-fenster (aller Mint-editionen) bietet eine pauschale und vereinfach­te Auswahl des Farbthemas.
 ??  ?? Datenausta­usch mit dem Warpinator: Das Tool ist schnell und freundlich konfigurie­rbar, löst aber längst gelöste Probleme – und dies nur für Mint.
Datenausta­usch mit dem Warpinator: Das Tool ist schnell und freundlich konfigurie­rbar, löst aber längst gelöste Probleme – und dies nur für Mint.
 ??  ?? Monitorska­lierung unter Cinnamon: Diese Funktion eröffnet in 25-Prozent-stufen neue Möglichkei­ten zur optimalen Bildschirm­darstellun­g.
Monitorska­lierung unter Cinnamon: Diese Funktion eröffnet in 25-Prozent-stufen neue Möglichkei­ten zur optimalen Bildschirm­darstellun­g.
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Nemo (Cinnamon) beschleuni­gt die Ordnernavi­gation dadurch, dass er auf die Minibilder (Thumbnails) von Bild- und Videodatei­en zunächst verzichtet.
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Umschalten zur Nvidia-gpu: Die neue Option für Hybridgraf­ik konnten wir mangels passender Hardware nicht testen. Das Bild stammt von linuxmint.com.

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